[Healthcare, Pharma, Chemicals-Information vom 15. September 2021]
Die Kritik am Status quo der Krankenhauspolitik und -finanzierung ist sehr vielschichtig. Um nur einige Punkte aus der Diskussion zu nennen: Systematische Unterfinanzierung bei den Investitionen, mangelnde Digitalisierung und Vernetzung des Gesundheitssystems, lähmende Überregulierung, Fachkräftemangel und fehlende Nachhaltigkeit. Darüber hinaus hat die Corona-Pandemie den Spielraum für notwendige, langfristige Investitionen weiter eingeschränkt.
Systematische Unterfinanzierung der Investitionen
Seit Jahren wird von vielen Akteuren aus dem Krankenhausbereich bemängelt, dass eine systematische Unterfinanzierung bei den Investitionen festzustellen ist und insbesondere die Bundesländer ihren Investitionsverpflichtungen, für die sie seit Anfang der 1970er Jahre zuständig sind, nicht in ausreichendem Maße nachkommen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat errechnet, dass nur noch 50 % der Investitionen aus öffentlichen Mitteln bestritten werden. Insbesondere in Sachsen-Anhalt, Berlin, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern wurden die Investitionszuschüsse im Vergleich zu den 1990er Jahren massiv zurückgefahren. Für Gesamtdeutschland bedeutet das eine Investitionslücke von jährlich fast 4 Mrd. €. Die andere Hälfte der Investitionsmaßnahmen muss demnach aus alternativen Quellen bestritten werden. Hier stehen für viele Akutkliniken nur die Leistungsentgelte der Krankenkassen zur Verfügung, die aber ihrem Zweck nach für die laufenden Betriebskosten zur Verfügung stehen sollen. Diese chronisch unzureichende Finanzierungsausstattung der Infrastruktur hat sich in den massiven Problemen, die in der Pandemie besonders zu Tage getreten sind, gezeigt. Letztlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Krankenhäuser oft nur vor der Wahl stehen: Investition in Infrastruktur oder Personal. Daran ändert auch nichts, dass die Pflegepersonalkosten seit 2020 aus dem DRG-System herausgegliedert und in eigenen Pflegebudgets vergütet werden. Denn auch dort werden die anfallenden Personalkosten in der Realität nicht zu 100 % erstattet, z. B. wenn Zeitarbeitskräfte beschäftigt werden.
Finanzielle Einbußen durch die Corona-Krise verschärfen das Problem
Aufgrund der Covid-19-Pandemie wurden viele Behandlungen und Operationen aufgeschoben oder sind weggefallen. Die daraus resultierenden finanziellen Einbußen haben die Krankenhäuser in Deutschland weiter in die Krise gestürzt. Denn das Krankenhausentlastungsgesetz sorgte lediglich für eine kurzfristige Sicherung der Liquidität. Nach Umfragen im Rahmen einer Krankenhausstudie von Roland Berger schrieben 49 % der Kliniken im Jahr 2020 rote Zahlen. Selbst 38 % der befragten privaten Krankenhäuser machten im vergangenen Jahr Verluste. Am schlimmsten ist die Lage wie immer bei Kliniken in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft: Hier erwirtschaften 63 % ein Defizit. Auch der Blick auf die kommenden fünf Jahre verheißt keine Trendwende. 83 % der Kliniken – egal ob privat oder in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft – erwarten eine Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation und damit ihrer Investitionsspielräume. Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang, dass zahlreiche Kommunen sich aktuell bemühen, ihre einst privatisierten Krankenhäuser zurück zu kaufen.
Höchste Priorität bei IT/ Digitalisierung, Gebäude(sanierung) und Nachhaltigkeit
Wo sind langfristig wirkende Investitionen notwendig? Selbstverständlich sind hier sichere und stabile IT-Systeme sowie das Dauerthema Digitalisierung zu nennen. Das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG), das wir bereits in einem IKB-Blogbeitrag Anfang des Jahres thematisiert hatten, hat ein wenig Dynamik in die Sache gebracht. Immerhin wurden laut Bundesgesundheitsministerium bzw. Bundesamt für Soziale Sicherung bis Ende Juli bereits 413 Anträge mit einem Volumen von 244 Mio. € gestellt. Zur Erinnerung: Die Fördermittel des Krankenhauszukunftsfonds umfassen 4,3 Mrd. €. Hier stehen also noch genügend Mittel für zahlreiche Projekte zur Verfügung.
Aber auch Themen wie Nachhaltigkeit, energieeffiziente Gebäude und Beschaffungsstrukturen und damit die Reduktion von Treibhausgasen sind bestimmende Themen in der Diskussion. Forschungsinstitute haben errechnet, dass der Gesundheitssektor für 4,4 % der globalen Treibhausgasemissionen steht – das sind mehr als bei Luft- und Schifffahrt zusammen. In den letzten Jahren haben daher immer mehr Krankenhausbetreiber begonnen, sich dieser Aufgabenstellung zu widmen, Nachhaltigkeitsreports zu verfassen und sich diesbezüglich Ziele zu setzen.
Da, wie geschildert, die eigenen Finanzressourcen der Krankenhausbetreiber immer knapper werden und die Länder ihre Verpflichtungen seit Jahrzehnten nicht erfüllen, kann es für den Sektor durchaus lohnend sein, auch sonstige Zuschussquellen zu prüfen wie z. B. die Bundeförderung energieeffiziente Gebäude (BEG). Ob eine neue Bundesregierung zukünftig neben dem Krankenhausstrukturfonds auf Bundesebene einen weiteren Beitrag zur Investitionsstärkung der Krankenhauslandschaft leisten wird, bleibt ungewiss.
Johanna Eckert-Kömen betreut als Direktorin im Sektorteam Consumer, Retail, Logistics & Health der IKB insbesondere Unternehmen aus den Branchen Healthcare Services, Medizintechnik, Pharma sowie Kosmetik und ist involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank. Nach dem Studium der Volkswirtschaft an der Universität des Saarlandes stieß sie bereits 1991 zur IKB.
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