[Kapitalmarkt-News vom 24. August 2021]

Fazit: Die Erzeugerpreise steigen aktuell so stark wie seit über 40 Jahren nicht mehr. Doch dieser Anstieg ist anders zu werten als Anfang der 80er Jahre. Während damals die steigenden Lohnkosten für eine breite Preiserhöhung in allen Industriebranchen sorgten, ist der aktuelle Preisanpassungsdruck auf rohstoffintensive Branchen zurückzuführen. Noch ist keine Lohn-Preis-Spirale zu erkennen; und die Annahme, es handele sich um einen einmaligen, nur vorübergehenden Preisanstieg, ist nachvollziehbar.

Damit dies auch so bleibt, ist allerdings ein Anpassungsprozess notwendig, der unweigerlich das preisbereinigte Einkommen von Arbeitnehmern belastet. Sinkende Einfuhrpreise könnten zwar den benötigten Anpassungsprozess der
Reallöhne dämpfen, doch klar ist: Die Arbeitnehmer werden ein wichtiges Element im Anpassungsprozess sein müssen, damit eine sinkende Inflationsrate in den Jahren 2022 und 2023 möglich wird.

Inflation so hoch wie Anfang der 80er Jahre – und doch anders

Die Inflationsrate überrascht weiterhin nach oben – in den USA, wie in der Euro-Zone. In Deutschland könnte die Teuerungsrate in den letzten Monaten des laufenden Jahres sogar auf 5 % ansteigen. Auch nimmt die Wahrscheinlichkeit ab, dass einmalige Preisanstiege nur zu einer höheren Inflationsrate im Jahr 2021 führen, die sich dann im Jahr 2022 wieder normalisiert. Denn dank der guten Auftragslage sowie Produktionsengpässen leiten Unternehmen den Kostendruck vermehrt weiter, um ihre Margen zu stabilisieren. So steigt die Verbraucherpreisinflation nicht nur wegen höherer Energiepreise; sie wird auch aufgrund des deutlichen allgemeinen Anstiegs der Erzeugerpreise weiter nach oben getrieben. Gemäß IKB-Schätzungen führt ein Anstieg der deutschen Erzeugerpreise um einen Prozentpunkt zu einer Erhöhung der Verbraucherpreisinflation um 0,2 Prozentpunkte. Somit ist aktuell noch einiges an Inflationsdruck zu erwarten, und die Verbraucherpreisinflation sollte weiter Auftrieb erhalten (s. IKB-Kapitalmarkt-News 1. Juli 2021). Dies wiederum erhöht das Risiko zunehmender Inflationserwartungen und infolge zu Forderungen nach höheren Löhnen, was wiederum die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale aufkommen lässt.

Aktuell steigt zwar der allgemeine Erzeugerpreis und erhöht damit den Preisauftrieb für Konsumgüter. Ursache für diesen Anstieg sind jedoch vor allem die hohen Rohstoffpreise. Mit 10,4 % ist die Erzeugerpreisinflation aktuell so hoch wie seit 1974 bzw. Anfang der 80er Jahre nicht mehr. Der Unterschied zu 1981 ist allerdings, dass damals bedeutende Preisanstiege über alle Branchen zu verzeichnen waren; aktuell sind hingegen vor allem rohstoffnahe Branchen betroffen. Branchen mit hoher Wertschöpfung sind aktuell weniger berührt. Während damals steigende Lohnkosten zu hohen Preisanpassungen in allen Branchen führten, sind Preiserhöhungen aktuell in nur wenigen Branchen zu beobachten, die allerdings aufgrund des besonders hohen Drucks durch die gestiegenen Rohstoffpreise sehr hoch ausfallen. Nun besteht die Gefahr, dass infolge des erwarteten Anstiegs der Verbraucherpreisinflation auch die Lohnkosten zunehmend Auftrieb erfahren, was den Inflationsdruck nicht nur in allen Industriebranchen befeuern würde, sondern sich auch über den Dienstleistungssektor und damit über die gesamte Wirtschaft ausbreiten könnte. Dann wäre die Situation vergleichbar mit der Anfang der 80er Jahre – und geldpolitisches Handeln wäre erforderlich. Das Inflationsniveau mag also aktuell hoch sein, die eigentliche Gefahr besteht aber in einer Verbreitung des Inflationsdrucks durch die Lohnkostenentwicklung.

Profite und vor allem Löhne sind wichtige Anpassungsgrößen

Notenbanken weltweit argumentieren, der aktuelle Inflationsanstieg sei nicht nachhaltig, denn ein einmaliger Kosteneffekt führe zu keinen anhaltenden Preisanstiegen. Entscheidend hierbei sind allerdings Margenentwicklung und Lohnkosten. Sind Unternehmen in der Lage, die höheren Preise weiter zu geben, und Arbeitnehmer können höhere Löhne durchsetzen und damit den realen Einkommensverlust kompensieren, dann ist die Grundlage für eine Preis-Lohn-Spirale gegeben, was zu anhaltender bzw. steigender Inflation führt. Unterbrochen wird dieser Kreislauf nur durch eine sich abschwächende Nachfrage, die Margendruck und steigende Arbeitslosigkeit verursacht und damit keinen Raum für Preis- und Lohnerhöhungen lässt. Dafür wären höhere Zinsen erforderlich.

Der notwendige Anpassungsprozess würde zwar auch Unternehmen betreffen, doch hauptsächlich würde er von Arbeitnehmern getragen. Denn die letzten Jahre haben gezeigt: Auch wenn die Arbeitslosenquote infolge einer sich erholenden Wirtschaft abnahm, ergab sich dennoch kaum Spielraum für höhere Löhne, da die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer infolge von Globalisierung und verhaltener Nachfrage geschwächt war. Löhne reagieren also kaum noch auf eine sinkende Arbeitslosenquote. Die schwache Verhandlungsposition der Arbeitnehmer führt auch dazu, dass der durch einen Inflationsanstieg verursachte reale Lohnverlust nur begrenzt durch Lohnsteigerungen kompensiert werden kann. In dieser Situation sind höheren Zinsen nicht notwendig, da die Löhne dem Inflationsanstieg nicht folgen werden. Mit oder ohne Zinserhöhung – der Anpassungsprozess wird von den Arbeitnehmern getragen. Sinkende Reallöhne sorgen für eine geringere Konsumnachfrage und somit auch für Margendruck bei Unternehmen, was allerdings den Arbeitsmarkt weiter unter Druck setzt. Langfristig kann der Lohnverfall durch Produktivitätswachstum und einer höheren Wirtschaftsleistung gebremst werden, da den zunehmenden Einkommens- und Profitforderungen dadurch auch mehr Güter gegenüberstehen. Kurzfristig erfolgt die Anpassung aber vor allem durch eine sinkende reale Kaufkraft.

Rohstoff- bzw. Importpreise könnten erneut sinken und den Anpassungsdruck dämpfen, …

Neben Profitmargen und Löhnen gibt es ein weiteres Ventil, mit dem der Inflationsdruck abgemildert werden kann, nämlich sinkende Importpreise. Das würde einer Umkehr der aktuellen Entwicklung entsprechen. In diesem Fall wird der Anpassungsprozess durch Unternehmen und Arbeitnehmer im Ausland getragen. Sollten sich Rohstoffpreise wieder stabilisieren, verschiebt sich ein Teil des Anpassungsprozesses auf die Entwicklungs- bzw. rohstoffexportierenden Länder. Ergeben sich sinkende Einfuhrpreise allerdings durch eine Währungsaufwertung, mag dies zwar kurzfristig die Kaufkraft in der Binnenwirtschaft stärken. Es belastet allerdings auch die Ausfuhren, was wiederum Margendruck und damit auch Druck auf den Arbeitsmarkt mit sich bringt. In den letzten Jahrzehnten waren es oftmals sinkende Einfuhrpreise, die die inländische Inflationsentwicklung gedämpft haben. Primär verantwortlich waren dafür billige Güter aus Asien oder sinkende Rohstoffpreise. Dank der nahezu unbegrenzten Verfügbarkeit an asiatischen Arbeitnehmern hatten diese quasi keine Verhandlungsbasis. Produktivitätssteigerungen wurden deshalb nicht in Form von höheren Löhnen weitergegeben. Dies bedeutete, dass diese Arbeiter weit unter ihrem Arbeitseinsatz konsumierten, was dem deutschen Konsumenten zunehmende Kaufkraft in Form von sinkenden Einfuhrpreisen bescherte. Die Kehrseite war allerdings ein zunehmender Wettbewerbsverlust der inländischen Produktion, was sich negativ auf den Arbeitsmarkt und die Löhne in Deutschland auswirkte. 

Sinkende Importpreise haben über viele Jahre den Inflationsdruck in Deutschland gedämpft, obwohl sich der Euro-Devisenkurs schwach entwickelte. Aktuell ist hingegen ein deutlicher Anstieg der Importpreise infolge von höheren Rohstoffpreisen, Lieferengpässen und kräftiger globaler Nachfrage zu erkennen. Dies sollte aber nicht von Dauer sein, wenn die Angebotsseite mittelfristig durch Kapazitätsausweitung auf die Nachfrage reagieren wird. Dann sollte sich die Dynamik der Einfuhrpreise anpassen. Demografische Entwicklungen könnten allerdings langfristig dennoch für steigende Importpreise sorgen (ausführlicher hierzu s. Kapitalmarkt-News 18. Februar 2021). Auch ist schon seit Jahren die Handelsbilanz Chinas eher ausgeglichen. Eine globale Schwemme an billigen Gütern für die Weltmärkte ist demnach immer weniger erkennbar, somit bleibt der Anpassungsdruck bestehen.

… doch der Arbeitnehmer muss es dennoch richten

Steigende Inflation spiegelt einen zunehmenden Verteilungskonflikt wider. Aktuell wird dies vor allem durch Forderungen von Rohstoffländern und von wichtigen Komponentenzulieferern vorangetrieben. Bestehen in dieser Situation Arbeitnehmer auf ihr reales Einkommen, entsteht eine Lohn-Preis-Spirale, vor allem wenn Unternehmen Preise weitergeben und so selbst keine Anpassung ihrer Gewinnmargen erfahren müssen. Höheres Wachstum bzw. Produktivitätsverbesserung würde für mehr Angebot sorgen und so dem Preisauftrieb entgegenwirken. Also: Löhne würden zwar steigen, Produktivitätswachstum würde jedoch einen Anstieg der Lohnstückkosten verhindern. Hierfür muss allerdings die Angebotsseite durch Investitionen ausreichend auf den ursprünglichen Preisanstieg reagieren, was sich bei der aktuellen konjunkturellen Unsicherheit als eher schwierig erweisen könnte.

Wird der Importpreisauftrieb nicht deutlich nachlassen bzw. werden die Preise nicht sinken, muss der Anpassungsprozess über die Lohnkosten kommen. Eine Anpassung der Gewinnmargen würde zu Produktionsverlagerungen führen und den Arbeitsmarkt unter Druck setzen. Angesichts des Inflationsrisikopotenzials (s. Abb. 2) ist es für eine sinkende Inflationsrate daher notwendig, dass eine Anpassung nicht nur der Rohstoffpreise bzw. Importpreise stattfindet. Lohnstückkostenerhöhungen müssen ebenfalls gedämpft werden. Für das produzierende Gewerbe ist das durch Produktivitätssteigerungen und damit eine deutliche Angebotsausweitung leichter zu erreichen als für den Dienstleistungssektor.

Für die gesamte deutsche Wirtschaft scheint deshalb kein Weg daran vorbeizuführen: Lohnzurückhaltung in den Jahren 2022 und 2023 ist notwendig, um einer Lohn-Preis-Spirale entgegenzuwirken.

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