[Kapitalmarkt-News vom 24. November 2021]

Fazit: Angesichts der sich erneut zuspitzenden Pandemieentwicklung ist die Inflationsrate ein größeres Risiko für Deutschlands Wirtschaft als die Konjunkturentwicklung. Denn die aktuelle Fiskal- und Geldpolitik setzt weiterhin alles daran, die Nachfrage hoch und damit die Arbeitslosigkeit niedrig zu halten. Gerade in Deutschland könnte dies im Jahr 2022 zu spürbaren Lohnanstiegen auf breiter Basis führen.

So steigt trotz der Erwartung perspektivisch nachlassender Rohstoffpreise und Lieferengpässe das Risiko, dass die Inflationsrate in Deutschland im Jahr 2022 mit knapp über 3 % ähnlich hoch ausfallen könnte wie im Jahr 2021. Beim deutschen BIP erwartet die IKB im kommenden Jahr ein Wachstum von knapp über 4 %.

Ausblick deutsche Konjunktur – stabiler Ausblick trotz Lockdown-Sorgen

Die Sorgen über die Konjunkturentwicklung nehmen zu. Grund sind steigende Inzidenzraten und die Angst vor einem erneuten Lockdown. Die Politik wird weiterhin alles daransetzen, einen weiteren Lockdown zu verhindern. Dazu gehören Maßnahmen, die betroffene Sektoren schützen. Auch wenn die Infektionszahlen auf Rekordniveau liegen, sollte die aktuelle Welle geringere Folgen für die Realwirtschaft haben als im Frühjahr 2020. Bereits der zweite Lockdown Ende 2020 hat gezeigt, dass das wirtschaftliche Leben trotz weitreichender Schließungen von Dienstleistungsbetrieben deutlich weniger stark eingeschränkt war als im März und April 2020. Die Bevölkerung lernt mit der Pandemie umzugehen, neue Wege zu finden und die Mehrheit vertraut auf Booster-Impfungen.

So ist es weniger die Konjunktur, die sich aufgrund der Pandemieentwicklung spürbar eintrüben sollte. Sicherlich wird die Skepsis der Wirtschaft über den Konjunkturausblick im Jahr 2022 mit zunehmenden Schutzmaßnahmen steigen. Und auch das laufende vierte Quartal wird wohl kaum Wachstum bringen. Doch Stimmungsindikatoren wie das ifo Geschäftsklima oder die PMI-Indizes blieben bisher relativ robust. Die gute Auftragslage und die Möglichkeit, Preisdruck weiterzugeben, stärken die Stimmung. Margendruck scheint kein Thema zu sein. Zwar hat sich das ifo Geschäftsklima im November weiter eingetrübt, aber im Vergleich zu den vorangegangenen Krisen bleibt das Niveau relativ hoch.

Lokale wie globale Corona-Wellen werden dennoch ihre Spuren im Konjunkturverlauf hinterlassen. Investitionen werden hinausgeschoben und Abnehmer global verunsichert. Für das Verarbeitende Gewerbe bleiben Lieferengpässe kurzfristig das bestimmende Thema. Dennoch geht die IKB von einem stabilen Wachstum im Jahr 2022 aus – weil Infektionswellen weltweit weniger synchron verlaufen und Volkswirtschaften sowie Gesellschaften darauf unterschiedlich reagieren. Großbritannien ist hierfür ein Beispiel (siehe IKB-Kapitalmarkt-News 17. November 2021). Die IKB erwartet eine stagnierende deutsche Wirtschaft im vierten Quartal und für das Jahr 2022 ein BIP-Wachstum von 4,4 %.

Inflation im Jahr 2022: Nicht unbedingt niedriger als im Jahr 2021

Laut Bundesbank könnte die Inflationsrate im November auf über 6 % angestiegen sein. Ursache hierfür sind weiterhin die Energiepreise. Auch deutet der anhaltende Kostendruck bei den Erzeugerpreisen – unabhängig von der kurzfristigen Rohstoffpreisentwicklung – auf weiteren Aufwärtsdruck beim Verbraucherpreis. Zwar ist bereits eine moderatere Preisentwicklung bei industrienahen Rohstoffen infolge des weltweiten Rückgangs der Industrieproduktion zu erkennen. Diese sollte sich allerdings erst im Jahresverlauf von 2022 bei den Verbrauchern bemerkbar machen. Noch bleibt der Preisdruck also in den kommenden Monaten aufgrund hoher Energiepreise und Lieferengpässe bestehen. Zwar wird die Inflationsrate nach ihren Höchstständen im November und Dezember Anfang 2022 aufgrund fehlender Basiseffekte – Mehrwertsteuer-Effekt – wieder sinken. Im kommenden Jahr stehen dann aber andere Kostentreiber im Fokus, wie der Gaspreiseffekt bei den Endverbrauchern. Insgesamt wird eine niedrigere durchschnittliche Inflationsrate im kommenden Jahr immer weniger plausibel.

Grundsätzlich wird sich die Inflationsdynamik im Verlauf des kommenden Jahres ändern. Waren es im Jahr 2021 insbesondere Preisanstiege von Rohstoffen und speziell Energie, die die Inflationsrate nach oben getrieben haben, so sollte der Kosten- und Preisdruck im kommenden Jahr deutlich breiter ausfallen und zunehmend von Zweitrundeneffekten bestimmt werden. Zwar wird die Inflationsrate aus technischen Gründen in Folge von Basis- bzw. Mehrwertsteuereffekten ab Januar 2022 zurückgehen; die unterliegende Inflationsdynamik wird aber anziehen, da mit zunehmendem Lohndruck zu rechnen ist. Somit ist infolge der zu erwartenden eskalierenden Lohnforderungen von einem breiten Inflationsdruck in der Wirtschaft auszugehen. Hieran ist die Fiskalpolitik nicht unschuldig.

Staatliche Arbeitsplatzsicherungsmaßnahmen wie Kurzarbeit und das Aussetzen der Insolvenzantragspflicht werden in Kombination mit der hohen aktuellen Inflationsrate zu hohen Lohnforderungen führen. Und auch wenn die Inflationsrate ab Januar wieder sinken sollte, so ist nach Jahren niedriger Inflation eine erhöhte Inflationstoleranz zu erkennen, was die Lohnforderungen weiter verstärken wird – zumindest in Deutschland. Aus dieser Sicht wäre eine schnelle Einschränkung der Kurzarbeiterregelung wünschenswert gewesen. Die Gefahr einer durch die Fiskalpolitik unterstützte Überhitzung – vor allem wenn weitere Lockdown-Maßnahmen die Angebotsseite belasten – ist auch für die Euro-Zone ein Thema. Deshalb hat die Europäische Kommission im Zuge der Corona-Krise die allgemeine Ausnahmeklausel für die Fiskalregeln nicht nur für die Jahre 2020 und 2021 aktiviert, sondern auch für das Jahr 2022, während der Wiederaufbaufonds zusätzliche fiskalische Nachfrageschübe im Jahr 2022 liefern sollte (siehe SVR-Gutachten 2021/22). Angesichts einer Krisenpolitik, die 3 Jahre andauert, werden inzwischen eher notwendige Strukturanpassungen ausgebremst. Diese Tendenz ist gerade dann inflationär, wenn die Corona-Pandemie – wie sich jetzt zunehmend herausstellt – nachhaltige Effekte haben wird und so die Anpassung zu einer neuen Normalität notwendig wird. Sollten sich deshalb im Jahr 2022 weitere Lockdowns ergeben, steigt eher das Inflations- als das Rezessionsrisiko. Denn anders als in gewöhnlichen Rezessionen schrumpft die Nachfrage nicht ausstreichend genug, um Deflationsdruck zu generieren. Stattdessen wird die stabile Nachfrage eher für Inflationsdruck sorgen.

Im Jahr 2021 war der Inflationsdruck in der Dienstleistungsbranche eher überschaubar. Sie hat immerhin ein Gewicht im Verbraucherpreis-Index von rund 50 %. Lockerungen der Corona-Regeln haben zwar zu einer gewissen Wiederbelebung beim Angebot vieler Dienstleistungsbranchen gesorgt, die effektive Nachfrage scheint aber weiterhin eher bescheiden gewesen zu sein. So blieb der Preisdruck überschaubar. Im kommenden Jahr mag sich dies ändern. Zum einen werden die erwarteten Lohnsteigerungen gerade im Dienstleistungsgewerbe zu spürbarem Kostendruck führen. Dies wird durch den Mangel an Arbeitskräften noch verstärkt. Auch sollte sich die Nachfrage nach Dienstleistungen weiter normalisieren und somit ansteigen. Beides deutet auf erhöhten Preisdruck in der Dienstleistungskomponente des Verbraucherpreisindex.

Einschätzung: Da einzelne Länder, wie auch die Weltwirtschaft insgesamt, eine gewisse Normalität insbesondere für die Dienstleistungsbranchen anstreben, ist von einer, wenn auch nur moderaten, Entspannung bei der Nachfrage nach Gütern und damit einer graduellen Normalisierung des Konsums im kommenden Jahr auszugehen. Dies wird zusammen mit Veränderungen auf der Angebotsseite Preisdruck und Lieferengpässe relativieren. Sollten Lockdown-Maßnahmen die Angebotsseite jedoch auch im Jahr 2022 belasten, und Fiskal- sowie Geldpolitik stemmen sich weiterhin gegen einen möglichen Nachfragerückgang, führt dies im Jahr 2022 eher zu Inflation als zu Rezession. Vor allem in Deutschland dürften die Löhne deutlich steigen und damit für Preisdruck auf breiter Front sorgen – gerade auch bei Dienstleistungen.

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