[Kapitalmarkt-News vom 27. Januar 2022]

Fazit: Die aktuell hohe Inflationsrate ist nicht nur Folge des Kostendrucks. Sie resultiert auch aus der kräftigen Nachfrage, die Unternehmen erlaubt, Preiserhöhungen durchzusetzen. Produktivitätsverbesserung infolge eines Margendrucks fand weniger statt. Zudem ist die Angebotsseite durch die Corona-Krise weniger elastisch, da die Investitionsbereitschaft durch die Pandemie belastet wurde und die Erwerbsquote, also das Arbeitsangebot, womöglich nachhaltig gesunken ist.

In Deutschland helfen höhere Reallöhne nicht, die Erwerbsquote auszuweiten. Es ist eher der Rückgang des Arbeitsangebots, der die Sorge vor deutlich steigenden Reallöhnen befeuert. Kurzfristig gibt es nur eine Variable gegen den Inflationskampf: eine schwächere Nachfrage. Deshalb hat die EZB auch weiterhin einen entscheidenden Einfluss – vor allem wenn die Fiskalpolitik mitspielt. Zinserhöhungen vorzunehmen, um die Wirtschaft abzukühlen, würde den DAX jedoch empfindlich treffen und könnten sogar zu einer inversen Zinskurve führen.

Kostendruck nicht der eigentliche Grund für die hohe Inflation

Die Erzeugerpreise legen weiter deutlich zu. Und auch bei dem jüngsten Anstieg wird insbesondere auf anziehende Rohstoff- und Energiepreise als Ursache verwiesen. Doch dies allein reicht nicht aus, um die enormen Erzeuger- sowie Verbraucherpreissteigerungen zu erklären. Der entscheidende Grund ist eine anhaltend hohe Nachfrage in Kombination mit einem eher konstanten Angebot. Zwar treiben Kapazitätsengpässe die Rohstoffpreise nach oben, doch es ist die anhaltend robuste Nachfrage, die es den Unternehmen erlaubt, diese Preiserhöhungen relativ einfach weiterzugeben und so ihre Margen zu stabilisieren oder sogar auszuweiten. Es ist also die Kombination angebotsseitiger Themen, wie der Investitionszurückhaltung infolge der Corona-Pandemie oder des Fachkräftemangels und einer durch die Fiskalpolitik unterstützten robusten Nachfrage, die für ein Ungleichgewicht sorgt und Kosten- in Inflationsdruck umwandelt. Wäre die Nachfrage nicht so robust, würde der Kostendruck auch zu Margendruck führen, was wiederum Produktivitätssteigerungen und somit eine beschleunigte Reaktion der Angebotsseite erfordern würde So treibt die Corona-Pandemie die Inflationsrate nach oben, da Unternehmen kurzfristig eher die Preise als das Volumen erhöhen. Mittelfristig und insbesondere in Anbetracht der erwarteten konjunkturellen Erholung sollte es aber in den Jahren 2022 und 2023 auch infolge höherer Gewinne verstärkt zu Investitionen kommen. 

Aktuell liegt alle Hoffnung auf einem Abflachen der Preisschübe. Dies ist bei den Rohstoffen sicherlich zu erwarten, weil sie die Tendenz zu Übertreibungen haben und so durchaus auf Sicht sogar mit absoluten Preisrückgängen zu rechnen ist. Und sofern die Angebotsseite zumindest mittelfristig mit Kapazitätsausweitungen reagiert, kann in der Tat von einem temporären Inflationsdruck ausgegangen werden. Hierfür spielen aber Investitionen sowie die Verfügbarkeit von Arbeitskräften eine entscheidende Rolle. Für den Arbeitsmarkt mag sich die Mobilisierung des Produktionsfaktors Arbeit als schwierig herausstellen. In den USA ist die Anzahl der unbesetzten Stellen auf über 11 Mio. angestiegen. Auch scheinen zwei Jahre Corona und die Nutzung des Homeoffice die Perspektive der Menschen dahingehend beeinflusst zu haben, dass Freizeit eine höhere Bedeutung bekommt. Und die anhaltende Unsicherheit mag eher für eine zurückhaltende Haltung bei Investitionen und damit eher für Preiserhöhungen als für eine Ausweitung des Angebots sorgen. Erweist sich die Angebotsseite auch mittelfristig als eher träge, wäre eine grundsätzliche Anpassung der Nachfrage nötig bzw. die einzige Alternative, um den Inflationsdruck zu reduzieren.

Hohe Inflation braucht Nachfragekorrektur

Es mag hohe reale Lohnanstiege benötigen, um Anreize für eine höhere Erwerbsquote sowie für ein Produktivitätswachstum sicherzustellen. Alternativ könnte eine schwache Konjunktur Löhne und Margen unter Druck setzen. Was wird also gebraucht? Hohe Lohnanstiege, um Anreize zu schaffen, die Angebotsseite durch mehr Arbeitskräfte und höhere Produktivität zu bewegen oder niedrigere Löhne, um die Nachfrage durch niedrigeren privaten Konsum zu belasten? Es bräuchte eine sich eintrübende Konjunktur, um Druck auf Löhne und Margen aufzubauen. Höhere Löhne würden dagegen zu einem weiteren Nachfrageanstieg und damit Preisdruck führen. Dies gilt gerade angesichts der aktuell hohen Inflationsrate. Eine solche Entwicklung würde in der Tat zu einer Lohn-Preis-Spirale führen, gerade wenn die Investitionsbereitschaft überschaubar ist und das potenzielle Produktivitätswachstum strukturelle Schwachstellen aufweist (siehe auch Zur Verlangsamung des Produktivitätswachstums (bundesbank.de)).

Die Beziehung zwischen Erwerbsquote und realen Löhnen ist negativ – zumindest in Deutschland. Kausalitäten sind jedoch unklar. So könnte eine Zunahme der Erwerbsquote zu niedrigeren realen Löhnen führen, da mehr Arbeitskräfte auf den Markt drängen. Alternativ könnten steigende Reallöhne für eine geringere Erwerbsquote sorgen, da zum Beispiel in Familien die Notwendigkeit eines zweiten Gehalts wegfällt. Zu hoffen, höhere Löhne würden zu mehr Wachstum in Folge eines spürbaren Anstieges des Produktionsfaktors Arbeit führen, ist angesichts der negativen Beziehung nur schwer nachvollziehbar. Höhere Löhne sind mit einer niedrigeren Erwerbquote verbunden und treiben angebots- wie nachfrageseitig die Inflation nach oben. Wie hat Corona die Situation verändert? In den Jahren 2020 und 2021 ist die deutsche Erwerbsquote leicht gesunken. So ist nicht nur ein Mangel an Fachkräften, sondern ein genereller Engpass bei Arbeitskräften zunehmend zu erkennen – wie auch in den USA. Die Lösung liegt jedoch nicht in steigenden Reallöhnen. Gerade im aktuellen Umfeld erhöhter Inflation würde dies eine Lohn-Preis-Spirale begünstigen.

Häufig wird argumentiert, eine Notenbank kann wenig gegen Inflationsdruck aufgrund steigender Kosten ausrichten. Was kann die Notenbank gegen steigende Energiekosten tun, wird häufig in diesem Zusammenhang gefragt. Doch ein einmaliger Kostenimpuls bringt keine Inflation. Er würde höchsten zu einem einmaligen Preisanstieg führen. Sind also die seit dem Jahr 2021 zu erkennenden Preisanstiege einmalig oder der Beginn eines steigenden Inflationsdrucks? Diese Diskussion wird schon länger geführt und noch wird von Seiten der Notenbanken weitgehend argumentiert, der erhöhte Inflationsdruck sei temporär. Dennoch mussten auch die Inflationsprognosen für das Jahr 2022 fast durchgängig nach oben angepasst werden. Hierbei wird auf die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale verwiesen. Doch diese ist nur in Kombination mit einer robusten, anhaltend starken Nachfrage möglich. Reicht die Nachfrage hingegen nicht aus, führen höhere Lohnkosten zu Margendruck und damit zu Korrekturen auf dem Arbeitsmarkt – und zu einer niedrigeren Inflationsrate.

Die Notenbank kann die Angebotsseite der Wirtschaft tatsächlich nur schwer beeinflussen – wenn überhaupt. Schließlich führen Zinssenkungen nicht direkt und spürbar zu steigenden Investitionen bzw. zu Kapazitätsausweitungen. Sie kann aber durchaus durch Zinsanhebungen die Nachfrage dämpfen. So kann eine Notenbank immer die Konjunktur bremsen, auch wenn sie die Nachfrage ohne Unterstützung der Fiskalpolitik nicht immer ausreichend stimulieren kann. Als die Inflationsrate in den USA im Jahr 1980 auf über 13 % gesprungen war, hob die Fed unter Paul Volcker ihre Zinsen auf bis zu 20 % an und trieb die Wirtschaft damit in die Rezession. Die Arbeitslosenquote stieg deshalb im Jahr 1982 auf über 10 % an. Die Inflationsrate sank dann jedoch im Jahr 1983 auf 3,2 %, was wiederum deutliche Zinssenkungen mit sich brachte.

Auch wenn die hohen Rohstoffpreise Ursache der aktuellen Inflationsdynamik sind, so kann die EZB dennoch die Inflation durch Zinsanhebungen bzw. ein Ausbremsen der Wirtschaft senken. Wie erfolgreich sie sein wird, dürfte allerdings zu einem bedeutenden Grad von der Fiskalpolitik abhängen. Verfolgen die Länder aufgrund der steigenden Zinsen und trotz der hohen Schuldenquoten in der Euro-Zone keine Konsolidierung, mag die Nachfrage auf Zinsanhebungen nur begrenzt reagieren –, vor allem, wenn die Regierungen womöglich durch eine Ausweitung der Fiskalpolitik sogar gegensteuern. Dann wäre die EZB in der Tat in einem Dilemma, da sie zwischen Inflationsrisiken und Finanzstabilität abwägen müsste.

Inverse Zinskurve und andere Implikationen

Soll die Inflationsrate sinken, muss ein Anpassungsprozess in der Wirtschaft stattfinden. Bis dato lag die Hoffnung auf den Rohstoffmärkten und der Angebotsseite: die Preise sollten sich stabilisieren und die Angebotsseite dürfte dann durch höhere Investitionen ausgeweitet werden. Ist diese Einschätzung nicht mehr überzeugend, weil die Inflation sich verfestigt und so Erwartungen bzw. Löhne zunehmend beeinflusst, muss sich die Nachfrage anpassen, was dann Handlungsdruck bei der Notenbank erzeugt. Hieraus ergeben sich folgende Implikationen für die Märkte:

  • DAX würde unter Druck kommen. Steigende Renditen sind kein Problem für den DAX, solange diese eine robuste Konjunkturentwicklung spiegeln. Zinsanhebungen der EZB zur Dämpfung der Nachfrage würden hingegen die Konjunktur belasten und Margendruck erzeugen. Alle Treiber der Gewinne wären negativ betroffen.
  • Deutsche Zinskurve könnte invers werden. Zieht die Notenbank die Zügel an, wird auch das lange Zinsende anfänglich weiter steigen. Mit einer sich eintrübenden Konjunktur und sinkender Inflation wird sich jedoch die Zinskurve verflachen und kann invers werden, wenn die EZB übertreibt oder zu spät agiert. Die Märkte erkennen eine Übertreibung durch die EZB und erwarten eine baldige Zinssenkung bzw. eine sich deutlich eintrübende Konjunktur.
  • EUR-USD-Kurs: Der Euro könnte anfänglich aufwerten, weil zinsseitig aktuell einiges mehr von der Fed als von der EZB erwartet wird. Ergeben sich jedoch infolge der Zinsanhebungen Risse im Konstrukt der Währungsunion aufgrund der abnehmenden Schuldentragfähigkeit einzelner Länder, wäre erneut mit einer Euro-Schwäche zu rechnen. So liegt das Risiko  darin, dass vorsichtige Zinsanhebungen die Nachfrage nicht ausreichend bremsen können. Die Folge wäre entweder eine höhere Inflation oder deutlich steigende Zinsen, was Druck auf die Fiskalpolitik vieler Euro-Länder erzeugen würde. Beides würde den Euro-Kurs schwächen.
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