[Kapitalmarkt-News vom 29. März 2023]

Fazit: Die direkte Einflussnahme von Notenbanken auf Preisschocks ist begrenzt. Sie können weder die Rohstoffpreise noch die Lohnentwicklung direkt bestimmen. Eine höhere Inflation in Kauf zu nehmen, um deutliche Zinsanstiege zu verhindern, ist dennoch verkehrt. Denn am Ende ist es das Geldmengenwachstum, das die Inflationsdynamik vorantreibt; und die Notenbank kann es entscheidend beeinflussen, insbesondere verringern.

Empirische Ergebnisse sind eindeutig: Steigende Zinsen bringen die Wirtschaft wieder ins Gleichgewicht. Allerdings geht dies mit einer sinkenden Binnennachfrage einher. Deshalb wird sich die Konjunktur infolge der bereits getätigten geldpolitischen Straffung spürbar eintrüben. Und gerade dies ist im aktuellen Kontext eskalierender Lohnforderungen notwendig, damit die aus den ursprünglichen Preisanstiegen generierten Verteilungskämpfe nicht in weiteren und stärkeren Inflationseffekten ausarten.

Lohnentwicklung birgt Inflationsrisiko, …

Was sind die Folgen der geldpolitischen Straffung für die Wirtschaft, und wird der Inflationsdruck dadurch gedämpft werden? Erste Effekte der restriktiven Geldpolitik sind bereits erkennbar, vor allem in zinssensitiven Sektoren wie dem Bau- und Immobiliensektor. Dort lässt die Kreditvergabe bzw. -nachfrage deutlich nach. Häuserpreise sinken und werden Vermögen und den Bausektor belasten. Zwar mögen die Finanzierungskosten nach Jahren niedriger Zinsen und aufgrund vielfach langläufiger Zinsbindungen im historischen Vergleich weiter niedrig ausfallen. Entscheidend ist jedoch nicht der historische Vergleich, sondern was aktuell passiert. Tatsächlich haben sich die Finanzierungskosten in den letzten Monaten deutlich erhöht. Aktuelle Zinsentwicklungen und nicht der historisch niedrige Wert bestimmen Preise. Deshalb ist weiterhin von Druck auf Immobilienpreise und Bautätigkeit auszugehen.

Auch an den Aktienmärkten wird zunehmend davon ausgegangen, dass eine durch die Geldpolitik initiierte Rezession kommen wird. Grundsätzlich weiten sich die Risikoprämien aus, insbesondere bei Banken. Die konjunkturelle Abkühlung ist notwendig, um den Inflationsdruck in den Griff zu bekommen. Nun mögen sinkende Importpreise aufgrund geringerer Rohstoffpreise für deflationäre Impulse sorgen. Und auch die Entspannung bei den Lieferengpässen deutet auf eine Angebotsentlastung hin. All dies mag den notwendigen Anpassungsprozess auf der Nachfrageseite der Wirtschaft reduzieren. Allerdings gibt es weiterhin das Risiko von Zweitrundeneffekten, insbesondere bei der Lohnentwicklung. Das Potenzial für kräftige Lohnsteigerungen ist aufgrund der hohen Inflation in den letzten zwei Jahren gigantisch. Gemäß dem IKB-Modell besteht aktuell eine deutliche Diskrepanz zwischen tatsächlichem und fundamental zu erwartendem Tariflohnniveau. Dies signalisiert einen Lohnkonflikt bzw. anhaltenden Lohndruck; beides zeichnet sich aktuell klar ab. Und da die Inflationsrate bereits das dritte Jahr in Folge hoch ausfällt, werden kräftige Lohnforderungen im Jahr 2023 sowie auch 2024 andauern. Denn der reale Einkommensverlust ist zu dominant, als dass ein Inflationsrückgang allein ausreichen würde, den Lohndruck zu mildern. 

… doch der Geldmengenverlauf signalisiert bereits effektive Straffung

Damit der Inflationsdruck spürbar abnimmt, ist eine Rezession notwendig. Und diese wird kommen, da die geldpolitische Straffung, die voraussichtlich noch nicht beendet ist, ihre Folgen im Verlauf dieses Jahres zunehmend zeigen wird. Dazu gehören sinkende Nachfrage, Margendruck und steigende Insolvenzen. All dies ist nichts Neues. Doch es ist wichtig zu betonen, dass eine Rezession notwendig ist. Nur dadurch können Zweitrundeneffekte wie zu hohe Lohnforderungen vermieden werden. Die entscheidende Frage ist deshalb, wie hoch die Zinsen noch steigen müssen, um die Wirtschaft ausreichend abzuschwächen. Dies wird maßgeblich von der fiskalpolitischen Ausrichtung abhängen, welche die geldpolitische Straffung verwässern kann. Kräftige Rentenerhöhungen wären eine Maßnahme, mit der die Fiskalpolitik der Geldpolitik einen Strich durch die Rechnung machen könnte.

Angesichts des hiesigen Fachkräftemangels mag der Lohndruck weniger von der aktuellen Nachfrage bzw. von den Zinsen bestimmt sein. Schließlich brauchen Unternehmen Fachkräfte für ihr Geschäftsmodell, und sie können diese nicht einfach ziehen lassen – selbst bei hohen Lohnforderungen. Doch dies ist zweitrangig. Steigende Zinsen verhindern, dass potenzielle Preisschocks zu Inflation führen. Denn gibt es kein billiges Geld, können Preis- oder Lohnanstiege nicht finanziert werden. Es sind die Verteilungseffekte, die dann zum Tragen kommen. So könnten Margen spürbar mehr unter Druck kommen als im Falle eines Fachkräfteüberschusses. Dies mag sich im weiteren Verlauf negativ auf Investitionen auswirken, was wiederum die Nachfrage nach Fachkräften strukturell beeinflussen wird. Eines scheint klar: Fachkräftemangel, eine alternde Bevölkerung und die Kosten der Klimapolitik deuten auf einen zukünftig höheren Gleichgewichtszinssatz in der Wirtschaft hin.

Doch wird die geldpolitische Straffung zu einer nachhaltig niedrigeren Inflation führen? Ohne Zweifel kann die Notenbank Rohstoffpreisanstiege und Angebotsschocks nicht abwehren, ebenso wenig wie sie strukturelle Entwicklungen wie eine alternde Bevölkerung und den Klimawandel beeinflussen kann. Sie kann also nicht verhindern, dass Angebots- und Nachfrageschocks die Wirtschaft beeinflussen. Notenbanken können aber unterbinden, dass diese Impulse oder Schocks zu einer Inflation führen. Denn Preisschocks können nur dann zu Inflation führen, wenn die Möglichkeit einer anhaltenden Finanzierung gegeben ist. Hierzu muss die Geldmenge ausreichend ansteigen. Und gerade dies kann die Notenbank verhindern. Schließlich hat sie das Monopol der Geldschöpfung, bzw. sie bestimmt den Preis des Geldes. Und höhere Zinsen werden, wie bereits erkennbar, die Kreditvergabe dämpfen und so verhindern, dass eine Inflationsspirale finanziert wird.

Kein Zweifel: Geldpolitik muss Realwirtschaft belasten und dadurch Inflation lindern.

Oftmals wird darauf verwiesen, dass Zinsen doch eher ein grobes Instrument sind und wenig direkten Einfluss auf die Inflation haben, bzw. starke Nebenwirkungen. Eng damit verbunden ist das Argument, eine etwas höhere Inflation sei nicht so schlecht, wenn es darum gehe, drastische Zinsanstiege zu verhindern (siehe IKB-Kapitalmarkt-News 1. März 2023).

Einer Notenbank fällt es allerdings schwer, die Wirtschaft anzukurbeln. Schließlich kann sie niemanden zwingen, Kredite aufzunehmen. Hier spielt die Fiskalpolitik sicherlich eine entscheidendere Rolle. Eine Notenbank kann aber eine Wirtschaft durch Zinserhöhungen immer abkühlen, so wie es auch aktuell mehr und mehr ersichtlich wird.

Zinsen beeinflussen stärker die Nachfrage als die Angebotsseite, die eher von strukturellen Faktoren bestimmt wird. Eine straffere Geldpolitik bringt also die Wirtschaft wieder ins Gleichgewicht. Deshalb wird eine geldpolitische Straffung auch immer zu einer niedrigeren Inflation führen.

Doch lässt sich dies empirisch belegen? Die Literatur ist sich einig: Sorgt die Notenbank am kurzen Ende für steigende Zinsen, wirkt sich dies negativ auf Konjunktur und Inflation aus. In welchem Ausmaß, das ist von Annahmen und Modellspezifikationen abhängig. Deshalb benutzt die EZB auch mehrere Modelle (siehe The euro area hiking cycle: an interim assessment (europa.eu)). Ein Anstieg der Zinsen um einen Prozentpunkt führt in ihren Modellen im Schnitt zu einer Reduktion der Inflationsrate von bis zu 0,3 Prozentpunkten. In manchen Modellen kommt der Effekt früher, in anderen später. So ist das Timing und Ausmaß des monetären Transmissionsmechanismus durchaus mit Unsicherheit behaftet. Keine Zweifel bestehen hingegen, dass der Transmissionsmechanismus funktioniert, er einen negativen Einfluss auf das BIP-Wachstum hat und dieser womöglich größer ausfällt als der auf die Inflation. Also: Der prozentuale Rückgang des BIP-Wachstums infolge steigender Zinsen ist größer als der für die Inflation – zumindest laut der EZB-Modelle.

Die Ergebnisse untermauern die Notwendigkeit einer spürbaren konjunkturellen Eintrübung, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Nichts führt daran vorbei: Die Konjunktur muss sich deutlich abkühlen bzw. darf sich im Jahr 2023 nicht erholen, damit eine Abschwächung der Inflationsdynamik sichergestellt wird. Die Frage ist nur, bei welchem Zinssatz dieses Ziel erreicht wird, also inwieweit Fiskalpolitik und Bankenstress der Geldpolitik Gegen- oder Rückenwind geben. Modellergebnisse der EZB deuten darauf hin, dass die bis dato vollzogene geldpolitische Straffung von 350 bp einen nennenswerten Einfluss auf Inflation und vor allem BIP-Wachstum haben sollte. Damit dürfte die große Zinskorrektur voraussichtlich bereits vollzogen sein. Dies gilt vor allem dann, wenn globale Angebotsprobleme wie Lieferengpässe und hohe Rohstoffpreise weiter nachlassen. 

 

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