[Kapitalmarkt-News vom 13. Oktober 2023]

Fazit: Das Risiko von Zweitrundeneffekten infolge eines erneuten Energie- oder Rohstoffpreisanstiegs ist eher überschaubar. Denn der Einfluss dieser Entwicklung auf die Kerninflationsrate wird maßgeblich durch die Geldpolitik, die aktuell außerordentlich restriktiv ausgerichtet ist, gesteuert. Auch wird die Lohnentwicklung eher von der Kerninflation als von der allgemeinen Inflation beeinflusst – zumindest in Deutschland. Das Entstehen einer Lohn-Inflationsspirale ist demnach ebenfalls eher überschaubar, auch wenn Rohstoffpreise für erneute Schübe in der allgemeinen Inflation sorgen könnten. Wir erwarten ein grundsätzliches Nachlassen des unterliegenden Inflationsdrucks, was der Glaubwürdigkeit der EZB mehr und mehr Auftrieb geben sollte. Weitere Zinsanhebungen sind angesichts der aktuellen Geldmengenentwicklung nicht nötig.

In der Beurteilung der Inflationsgefahr und geldpolitischer Implikationen wird oftmals auf die Kerninflationsrate verwiesen. Im Gegensatz zur gewöhnlichen Verbraucherpreisinflation (Headline-Inflation) werden hier die besonders volatilen und von der Notenbank nicht direkt beeinflussbaren Preise für Energie- und Nahrungsmittel nicht berücksichtigt. Ziel ist es, einen Maßstab für Inflation zu finden, der eher auf die unterliegende Inflationsdynamik als auf abrupte Bewegungen von volatilen einzelnen Preiskomponenten abstellt. So sollte der Einfluss der Notenbank auf die Kerninflationsrate auch bedeutend größer sein als auf die gewöhnliche Headline-Inflation, die externe Schocks aus wichtigen Rohstoffpreisen beinhaltet.

Die Kerninflationsrate wird als die wichtigere Größe angesehen, wenn es um die Beurteilung von Zweitrundeneffekten und damit Implikationen für die Geldpolitik geht. Ob die EZB noch einmal die Zinsen anheben muss, bzw. wie lange der Einlagenzinssatz bei 4,0 % verweilen wird, wird deshalb vor allem von der Kerninflationsrate abhängen. Die Sorge besteht, dass ihr Anstieg nachhaltiger ausfallen könnte als die allgemeine Inflation, die momentan von sinkenden Rohstoffpreisen abgeschwächt wird. Aktuell gehen beide Raten deutlich zurück. So lag die allgemeine Inflation im September bei 4,3 % und die Kerninflation bei 4,6 %.

Da Rohstoffpreisschocks unabhängig vom lokalen Preisbildungsprozess sind, wäre ein Einfluss von der allgemeinen Inflation auf die Kerninflation zu erwarten. Denn: Rohstoffpreisschocks verursachen einen Anstieg der Headline-Inflation, der mehr und mehr über Zweitrundeneffekte zu einer höheren Kerninflation führt. Es sind also die allgemeine Inflationsrate und exogenen Schocks, die letztlich die Kerninflationsrate bestimmen sollten. Empirisch lässt sich dies jedoch nicht überzeugend belegen – trotz doch bedeutender Energie- und Nahrungsmittelpreisschocks in den letzten Jahren. Wie ist das zu werten? Nicht einzelne Schocks, sondern der unterliegende Inflationsprozess ist es, der beide Inflationsraten treibt.

Höhere Inflation ist demnach nicht die Folge von Rohstoffpreisschocks, die einmalige Preisanstiege verursachen, sondern es ist die Geldpolitik, die diese Schocks finanziert und damit in der Breite zu Inflation führt. Für eine nachlassende Inflation sind deshalb auch nicht sinkende Rohstoffpreise entscheidend, sondern es ist die geldpolitische Ausrichtung. Dies sollte nicht überraschen. Schließlich kann ein anhaltend und breitangelegter Preisanstieg – also Inflation – nur mit Hilfe der Notenbank finanziert und aufrechterhalten werden. Es liegt allein im Ermessen der Notenbank, wie nachhaltig ein Inflationsanstieg sein wird, und er hängt nicht vom Rohstoffpreisausblick ab.

Eine unterstützende Geldpolitik erlaubt einen schnellen Durchlauf von Preisschocks hin zur allgemeinen Verteuerung. Also: Ein Rohstoffpreisschock verursacht im Umfeld einer unterstützenden Geldpolitik schnelle allgemeine Preisanstiege und Zweitrundeneffekte, was wiederum einen starken Gleichlauf von Kerninflation und Headline-Inflation verursacht. Deshalb sollte der erneute Ölpreisanstieg im Kontext der bereits existierenden geldpolitischen Straffung nicht überbewertet werden. Er wird eher zu einem realen Einkommensverlust als zu Inflation führen. Denn die geldpolitische Ausrichtung der EZB, gemessen an der Geldmengenentwicklung, ist in der Euro-Zone äußerst restriktiv – im Gegensatz zu den Jahren 2021 und 2022, als Geld- und Fiskalpolitik Rohstoffpreisschocks angefeuert haben und so schnell für einen deutlichen Anstieg der Headline- und Kerninflationsrate sorgten.

Die Kerninflationsrate zeigt eine andere Dynamik als die allgemeine Inflation. Die allgemeine Inflation ist eine nicht stationäre Zeitreihe und spiegelt die Volatilität von u. a. Rohstoffpreisschocks. Die Kerninflationsrate zeigt hingegen eine deutlich geringere Volatilität und könnte statistisch sogar eine stabile Zeitreihe darstellen. Die Notenbank konnte also über Jahre durch ihre gewollte oder ungewollt restriktive Geldpolitik die unterliegende Inflationsdynamik in der Euro-Zone stabil halten und eskalierende Zweitrundeneffekte aufgrund von Preisschocks unterbinden – auch wenn Rohstoffpreise einen deutlichen Anstieg der Volatilität bei der allgemeinen Inflation verursacht hatten.

Tariflohnanpassungen in Deutschland können hingegen um einiges besser durch die Kerninflationsrate als durch die allgemeine Inflation erklärt werden. Dies bestätigt zum einen, dass die Kerninflationsrate in der Tat für Zweitrundeneffekte bzw. eine Lohn-Inflationsspirale entscheidend ist. Zum anderen zeigt es erneut, dass das Risiko von Rohstoffpreisschocks für Zweitrundeneffekte zu relativieren ist. Denn solange sich diese nicht in der Kerninflationsrate zeigen, bleibt das Risiko von Zweitrundeneffekten überschaubar. Eine Beziehung zwischen Rohstoffpreisen und Kerninflation ist dank der straffen Geldpolitik aktuell unterbunden. So besteht ein begrenztes Risiko von Zweitrundeneffekten bzw. einer Lohn-Inflationsspirale aus erneuten Rohstoffpreisschocks. 

Sollte die Notenbank ein Inflationsziel basierend auf der Kerninflation verfolgen? Nein – das Ziel sollte sich auf die allgemeine Preisstabilität beziehen und nicht auf die Stabilität eines selektierten, eingeschränkten Preisindex. Es muss ein ausreichend repräsentativer Warenkorb sein, der vom allgemeinen Inflationsindex abgedeckt wird – auch wenn er eine höhere Volatilität zeigt. Die Bandbreite oder der geldpolitische Horizont könnte bei einem Ziel basierend auf der Kerninflation zwar enger bzw. kürzer sein, für das Verständnis von Preisstabilität und die Beurteilung von Kaufkraft bzw. Geldentwertung ist jedoch der allgemeine Verbraucherpreisindex relevant. Die Kerninflation ist dennoch der notwendige Anker, um Zweitrundeneffekte zu unterbinden. Und diese werden durch die Notenbank maßgeblich beeinflusst.

Um Inflation zu bekämpfen, muss die Notenbank Zweitrundeneffekte und damit ein Überschwappen von Preisschocks auf die Kerninflation verhindern. Dies ist aktuell der Fall. Die Geldmengenentwicklung zeigt, dass die Gefahr von Zweitrundeneffekten durch die Notenbank deutlich eingeengt wird. In Folge wird die Kerninflationsrate spürbar zurückgehen. Einziges Risiko bleibt die Fiskalpolitik, die die eingeführten geldpolitischen Anstrengungen durch eine Ausweitung des Haushaltsdefizits und einer Verlagerung von Liquidität vom Kapitalmarkt in die Realwirtschaft verwässern könnte. Hält sich die Fiskalpolitik hingegen zurück, dann sollte die EZB unabhängig von Rohstoffpreisentwicklungen ihre Geldpolitik ausreichend gestrafft haben. Die IKB erwartet eine VPI-Inflationsrate in der Euro-Zone von 5,6 % im Jahr 2023 und 2,3 % im Jahr 2024. Das Prognoserisiko scheint ausgeglichen. Der Einlagenzinssatz sollte bei 4 % bis Mitte 2024 verharren.

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