[Kapitalmarkt-News vom 30. Oktober 2024]
Fazit: Nicht eine hohe, sondern eine niedrige Inflation ist vorteilhaft für höhere Immobilienpreise. Denn dieses Umfeld erlaubt eine expansive Geldpolitik, die zu niedrigen langläufigen Renditen führt und so den Immobilienmarkt stützt. Eine höhere Inflation lässt hingegen reale Renditen steigen und belastet damit Immobilienpreise. Mietrenditen haben sich erholt, und Immobilienpreisen haben im Jahr 2024 die Bodenbildung erreicht. Dies gilt zumindest für Wohn- und Büroimmobilien. Wie stark sich Immobilienpreise in den kommenden Jahren erholen werden, hängt jedoch maßgeblich von der Zinsentwicklung ab. Doch selbst eine Seitwärtsbewegung der Bundrenditen würde für Auftrieb sorgen, auch wenn vorige Preisniveaus erst mittelfristig erreicht werden. Die sich erholenden Preise stützen zwar die Bautätigkeit, doch eine schnelle Erholung ist nicht zu erwarten. Damit ist der Staat unabhängig von der Zinsentwicklung gefordert, durch eine Angebotsausweitung geeigneten Wohnraum zu schaffen.
Immobilienmärkte haben deutlich korrigiert und zeigen attraktive Renditen
Einschätzungen zum Immobilienmarkt werden zunehmend positiver. Inzwischen wird von einer Bodenbildung der Preise gesprochen – zumindest was Wohnimmobilien betrifft. Grund hierfür ist zum einen die Tatsache, dass der deutsche Immobilienmarkt eine deutliche Korrektur in den letzten Jahren erlebt hat. So sind Preise für Wohnimmobilien seit Anfang 2022 um 12 % gefallen. Für gewerbliche Immobilien liegt der Rückgang bei 17 %. Zum anderen liegt es an der Renditenentwicklung. Erwartete EZB-Zinssenkungen haben Bundrenditen unter Druck gesetzt und zu einer niedrigeren, wenn auch im Vergleich zu den Vor-Corona Jahren immer noch erhöhten risikofreien Rendite von aktuell 2,3 % geführt. Gleichzeitig sind in Folge fallender Immobilienpreise die Mietrenditen gestiegen und befinden sich aktuell bei knapp unter 4 %. Weitere Immobilienpreissenkungen sind also nicht notwendig, um relativ zu Bundrenditen eine ausreichend attraktive Rendite zu generieren. Dies gilt vor allem für Wohn- aber auch Büroimmobilien.
Sinkende und keine höhere Inflation gibt dem Immobilienmarkt Auftrieb
Immobilien werden oft als „Betongold“ bezeichnet, da sie als „sichere“ Investition gerade in Zeiten erhöhter Inflation angesehen werden. Und tatsächlich mag eine höhere Inflation den Mietpreis Auftrieb geben, was die Mietrendite stützt. Doch einhergehend mit einer höheren Inflation steigen die inflationsbereinigten Renditen, was sich negativ auf nominale wie reale Häuserpreise auswirkt. Es ist bekannt, dass gerade in der Phase von negativen realen Zinsen (2015-2023) die Immobilienpreise in Deutschland deutlich Auftrieb erhielten. Dies gilt vor allem für die Jahre 2021 und 2022, als die steigende Inflation für extrem negative reale Zinsen gesorgt hat. Inzwischen haben sich diese jedoch wieder deutlich erhöht und haben zu einer Korrektur der Immobilienpreise geführt.
Die Einschätzung, Immobilien seien „Betongold“, gilt nur im Falle einer Notenbankpolitik, die eine höhere Inflation zulässt und gleichzeitig einen Zinsanstieg durch zum Beispiel Ankaufprogramme versucht, zu verhindern. In diesem Fall überwiegt das Motiv des Werterhalts. Doch Notenbanken müssen früher oder später die Inflationsspirale mit realen Zinsanstiegen eindämmen, was hohe Renditen bedeutet. Wie Milton Friedman bereits vor 50 Jahren betonte: Der Versuch von Notenbanken „etwas“ Inflation zuzulassen, endet in höheren und nicht in niedrigeren Zinsen. Eine höhere Inflation bzw. eine zu lasche Notenbankpolitik ist deshalb keine Lösung für realwirtschaftliche Probleme, sondern führt letztlich immer zu höheren realen Zinsen und somit zu einer Belastung für den Immobilienmarkt. Häuserpreise profitieren also von sinkender und nicht von steigender Inflation, da dies der Notenbank den Raum gibt, nominale wie reale Zinsen zu senken und so Immobilienpreisen Auftrieb gibt.
Für eine Erholung der Immobilienpreise ist also eine sinkende Inflation notwendig, die der Notenbank den Raum für Zinssenkungen gibt. Aktuell wird jedoch von einem erhöhten Gleichgewichtszinssatz in der Euro-Zone ausgegangen. Denn in Folge von strukturellen Anpassungen wie Demographie, aber auch Protektionismus wird von einem höheren Inflationsdruck und die Gefahr von sich festigenden Zweitrundeneffekten im Inflationsprozess ausgegangen. Bei einem Inflationsziel von 2 % bedeutet dies einen höheren realen Zinssatz, um die Inflation und Wirtschaft im Gleichgewicht zu halten. So deuten Schätzungen der EZB aktuell auf einen inflationsbereinigten Gleichgewichtszinssatz von 0 % hin, nachdem dieser während der Corona Pandemie deutlich negativ war. Bei einem Inflationsziel von 2 % bedeutet dies einen neutralen nominalen Zinssatz von ebenfalls 2 %. Bei Bundrenditen von aktuell 2,3 % ist somit wenig Raum für eine deutliche Korrektur nach unten. Dies wird auch durch die inverse Zinsstrukturkurve bestätigt. So ist die EZB aktuell sogar gefordert, durch weitere Zinssenkungen einen Anstieg am langen Ende der Zinskurve zu verhindern. Aktuell bekommt sie hierfür durch die schwache Konjunktur jedoch Rückenwind. Doch damit die Zinskurve sich perspektivisch wieder normalisiert und ein Zinsniveau am kurzen Ende von nahe an 0 % als eher unwahrscheinlich gilt, gibt es relativ wenig Spielraum für das lange Ende der Zinskurve (langläufige) Bundrenditen nach unten zu korrigieren.
Erholungspotenzial besteht grundsätzlich, selbst bei stabilen Zinsen
Also, wieviel Auftrieb erhält der Immobilienmarkt im kommenden Jahr, und kann die Wende für dieses Jahre tatsächlich bestätigt werden? Welche Rolle spielen dabei die Zinsprognosen?
Um den Zinseinfluss zu bewerten, wurde ein Fair-Value Modell für Wohnimmobilienpreise geschätzt. Dabei wird die jährliche Veränderung der realen Häuserpreise in Abhängigkeit von 10-jährigen Bundrenditen, der Inflation sowie des EZB-Leit- bzw. -Einlagenzinses erklärt bzw. geschätzt. Das Modell wurde mit verschiedenen Zinsannahmen simuliert: Im Basisszenario wird von einer relativen Seitwärtsbewegung der Bundrenditen ausgegangen. Grundlage ist die Annahme eines Gleichgewichtszinssatzes von 2 %, was bei einer normalen Zinskurve wenig Raum für Renditen nach unten gibt. Die EZB senkt ihren Leitzins auf 2 % und bleibt damit bei einer neutralen geldpolitischen Ausrichtung, da die Inflation zum EZB-Ziel konvergiert. Dieses Szenario spiegelt die aktuelle Konsensmeinung zu Inflation und Geldpolitik wider. Zwei alternative Szenarien wurden ebenfalls bewertet. Im einen bleiben die Zinsen in Folge von Inflationsdruck erhöht und Bundrenditen steigen auf 3,25 %. Im zweiten Szenario sinken Bundrenditen auf 1,5 %, der Leitzins auf 1,25 %. Die Abbildung 2 zeigt Annahmen und Simulationsergebnisse.
Einschätzung: Preise erholen sich, …
Häuserpreisen gelang im ersten und zweiten Quartal 2024 eine Bodenbildung bzw. leichte Erholung. Maßgeblich hierfür waren die sinkenden langläufigen Renditen. Im Jahr 2025 werden gemäß der Modellergebnisse Zinsen aber vor allem die niedrigere Inflation für Auftrieb der realen und nominalen Preisen sorgen. Da die Inflation bereits deutlich nachgelassen hat, kann die Bodenbildung der Häuserpreise für 2024 mit hoher Sicherheit bestätigt werden. Gleiches gilt für die Preise von Büroimmobilien.
Bleiben Renditen auf dem aktuellen Niveau (Basisszenario), wird es bis 2027 und damit noch drei Jahre dauern, bis die Preise ihr früheres Hoch wieder erreichen. Bleibt die Inflation hartnäckig und Renditen steigen (Szenario 1), ist der Verlauf flacher und frühere Niveaus werden auf Sicht nicht erreicht. So sollten Preise für Wohnimmobilien in den kommenden Jahren einen Aufwärtstrend zeigen. Die Stärke hängt jedoch maßgeblich von der Zinsentwicklung ab.
… aber Wohnungsmangel bleibt die Herausforderung
Die Erholung der Baugenehmigungen für private wie gewerbliche Antragsteller gestaltet sich einiges zäher als die der Preise. Ein nachhaltiger Zinsanstieg würde sogar zu einem weiteren moderaten Rückgang führen, während nur in Szenario 1 von einer spürbaren Erholung auszugehen ist. Die sich erholenden Preise stützen in diesem Zusammenhang zwar die Bauanträge. Doch auch dies führt zu keiner schnellen Erholung. Angesichts der schwachen Konjunktur und des begrenzten Raums für deutlich niedrigere Renditen bleibt es deshalb absolut notwendig, dass der Staat einen ausreichend großen Impuls setzt und das Angebot deutlich ausweitet. Mit einer nur zögerlichen privaten Erholung der Bauanträge ist der Staat mehr als zuvor gefordert, den Wohnungsbestand in Deutschland auszuweiten bzw. zu modernisieren. Dies mag auch eine deutliche Deregulierung in Aspekten wie Baustandards bedeuten. Ein Aspekt wäre sicherlich auch die Reduzierung oder sogar Eliminierung der Grunderwerbsteuer auf neuen Wohnraum. Allen voran sollte der Staat den Ernst der Lage erkennen: Das Versprechen von 400.000 neuen Wohnungen (davon 100.000 Sozialwohnungen; s. Bundesregierung will 400.000 neue Wohnungen pro Jahr bauen | Bundesregierung) wird schon seit Jahren nicht eingehalten, ohne auch nur ansatzweise Konsequenzen zu ziehen. Knapper Wohnraum scheint nicht die Dringlichkeit zu besitzen, wie der Klimaschutz, das Haushaltsdefizit oder die Subventionierung einer Halbleiterfabrik mit 10 Mrd. Euro. Der Staat erkennt zwar seine soziale Verantwortung für bezahlbaren Wohnraum an. Doch von Versprechungen allein werden sich die niedrige Eigentumsquote ebenso wie die hohen Mieten nicht verändern.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen. Zudem kommentiert er regelmäßig konjunkturelle Entwicklungen in renommierten Wirtschaftsmedien und ist mit seinen pointierten Präsentationen häufiger Gast bei Verbänden und Unternehmen. Zuvor arbeitete Klaus Bauknecht in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium.
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