[Kapitalmarkt-News vom 29. Februar 2024]

Fazit: Erfolgreiche mittelständische Industrieunternehmen konnten in Folge globaler Diversifizierung und Nutzung weltweiter Produktionsfaktoren ihr Wachstum deutlich ausweiten und wurden zu Weltmarktführer in ihren Branchen.

Aktuelle Stimmungsindikatoren und Rahmenbedingungen deuten auf eine weitere Welle der Spezialisierung hin, was durchaus eine Abwanderung vom Standort Deutschland beinhalten könnte. Deutschland wird allerdings weiterhin ein wichtiger Bestandteil in den globalen Wertschöpfungsketten deutscher Geschäftsmodelle bleiben. Dies zumindest ist die Aussage einer IKB-Umfrage bei ihren Firmenkunden des gehobenen deutschen Mittelstands.

Ob die Spezialisierung auf höheren Wertschöpfungsstufen hierzulande zu einer Deindustrialisierung führt, wird maßgeblich von der Investitionsbereitschaft am Standort Deutschland abhängig sein. Hier bestätigt die IKB-Umfrage zunehmend Abwanderungstendenzen. Also besteht akuter politischer Handlungsbedarf.  

Der Standort Deutschland steht bereits länger in der Kritik. Hohe Energiekosten, unklare politische Weichenstellungen und ein hoher Transformationsdruck belasten die Stimmung. Verschiedene Umfragen von u. a. Wirtschaftsverbänden und -prüfern zeigen zudem eine abnehmende Bereitschaft am Standort Deutschland zu investieren. Gleichzeitig steigt die Zahl von Investitionsvorhaben im Ausland deutlich. Doch diese Tendenz ist grundsätzlich nicht neu. Schon viele Jahre ist ein Kapitalabfluss aus Deutschland zu erkennen; eine aus Unternehmersicht notwendige Entwicklung, um globale Wachstumsmärkte zu erschließen. Problematisch ist daher nicht der Kapitalabfluss per se, sondern es sind die schwachen Direktinvestitionen in Deutschland und vor allem die grundsätzlich geringe inländische Investitionsquote. Gerade vor dem Hintergrund ambitionierter Klimaziele für die deutsche Industrie besteht die Gefahr, dass die Bedeutung der Industrie sinkt und damit einer Deindustrialisierung stattfindet.

Angesichts dieser Entwicklungen hat die IKB Ende 2023 eine Umfrage bei ihren Firmenkunden gestartet. Diese unterscheidet sich von vergleichbaren Befragungen vor allem dadurch, dass der gehobene Mittelstand mit guten Bonitäten im Fokus stand und damit größere und vor allem global agierende deutsche Unternehmen. Branchenübergreifend gab es über 350 Rückmeldungen. Im Fokus stand, wie erfolgreiche mittelständische Industrieunternehmen die aktuellen Entwicklungen einschätzen und wie diese ihre Investitionsbereitschaft am Standort Deutschland beeinflussen.

Bei all der allgemeinen Kritik am Standort Deutschland zeigt die Umfrage, dass der Standort dennoch weiterhin wichtiger Bestandteil der Wertschöpfungsketten der Unternehmen bleibt. Nur im Automobilsektor scheint ein kleiner Teil (20 %) der Zulieferer überzeugt zu sein, dass der Standort austauschbar ist. Insgesamt ist das Bild eindeutig: Kaum ein erfolgreiches mittelständisches Unternehmen hat die Absicht, Deutschland vollständig den Rücken zu kehren. Da die Umfrage vor allem global agierende Mittelständler angesprochen hat, ist dieses Ergebnis nicht überraschend. Diese Unternehmen haben bereits vor Jahren eine globale Spezialisierung ihrer Wertschöpfungskette vorgenommen und so ihre Abhängigkeit reduziert. In Folge hat eine Verschlechterung der Rahmenbedingungen eines einzelnen Standorts nicht die gravierenden Folgen, wie es bei kleineren, hauptsächlich im Inland produzierenden Unternehmen der Fall sein mag.

Ohne Zweifel werden Entwicklungen wie die steigenden Produktionskosten am Standort Deutschland eine weitere Welle der Spezialisierung hin zu einer höheren Wertschöpfung mit sich bringen. Damit verbunden ist die Verlagerung geringerer Wertschöpfung ins Ausland. Umfrageergebnisse der energieintensiven Branchen wie Chemie und Metall sind hierfür Beispiele. Trotz der hohen Energiepreise ist nur ein marginaler Anteil der Befragten in diesen beiden Branchen der Einschätzung, dass der Standort keine Rolle in ihrer Wertschöpfung spielen wird. Chemie- und Metallindustrie werden deshalb weiter am Standort Deutschland produzieren, doch dies können sie nur, wenn sie ihre Wertschöpfung durch Globalisierung weiter diversifizieren. Denn angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen – Beispiele sind die hohen Energiekosten und der Fachkräftemangel rentiert sich eine Investition am Standort Deutschland nur für sehr hohe Wertschöpfungsstufen in der Produktionskette. 

Die Reduktion des CO2-Ausstoßes wird deshalb vor allem durch Abwanderung und nicht durch Transformation des Produktionsprozesses hin zur Klimaneutralität bestimmt (siehe IKB-Kapitalmarkt-News 14. Januar 2024). Auch dies bestätigt die IKB-Umfrage. Die Mehrheit der Unternehmen in allen vier bedeutenden Branchen streben Investitionen vor allem im Ausland an. Ob die Wertschöpfung in Deutschland sinkt oder steigt, wird deshalb maßgeblich von der lokalen Implementierung neuer Technologien und damit von mehr Forschung und Entwicklung abhängig sein. Weitere Spezialisierung bei einer gleichzeitig niedrigen inländischen Investitionsquote lässt allerdings befürchten, dass die industrielle Wertschöpfung am Standort Deutschland weiter zurückgehen wird, was einer Deindustrialisierung gleichkommen würde.

Die Bereitschaft vor allem im Ausland zu investieren, sollte nicht allein als Folge der aktuellen Entwicklungen am Standort Deutschland gesehen werden. So liegt das Potenzialwachstum der Weltwirtschaft deutlich über dem deutschen. Unternehmen können deshalb die Weltmärkte aus Deutschland heraus nicht ausreichend bedienen, sondern müssen globale Produktionsfaktoren nutzen. So haben alle wachstumsstarken mittelständische Unternehmen ihre Angebotsseite über die letzten Jahre internationalisiert. Auslandsinvestitionen sind wichtig und nicht das Problem. Vielmehr ist es die niedrige Investitionsbereitschaft vor Ort bzw. grundsätzlich der Trend im Ausland zu Lasten des deutschen Standortes zu investieren. Wenn diese Entwicklung anhält, wird sie die Transformation verhindern. Hier geben die Umfragewerte eine klare Warnung: 80 % der Industrieunternehmen stimmen voll oder teilweise der Aussage zu, dass geplante Investition vor allem im Ausland stattfinden – und dies bei einer bereits niedrigen inländischen Investitionsquote. Noch stimmt ein Großteil der Unternehmen nur teilweise zu. Doch die schlechte Unternehmensstimmung, die aktuell zusätzlich durch die konjunkturelle Lage belastet wird, lässt vermuten, dass dieser Anteil zu Gunsten derer, die voll zustimmen, nachlassen wird. Bestenfalls führt diese Entwicklung lediglich zu einer fehlender Wachstumsdynamik, im schlimmsten Fall zu absoluten Rückgängen der Wertschöpfung durch Abwanderung. Beides würde die Deindustrialisierung fördern.

Während der Corona-Pandemie wurden global aufgestellte Wertschöpfungsketten aufgrund der Lieferprobleme oftmals kritisiert. Doch jüngste Entwicklungen in Deutschland zeigen sehr deutlich, wie wichtig nicht nur globale Absatzmärkte für das Wachstum deutscher Unternehmen sind, auch die Globalisierung der Angebotsseite und damit der Wertschöpfungsketten ist essenziell. Das Beispiel Deutschland zeigt deutlich: auf einen Standort konzentrierte Wertschöpfungsketten sind eben nicht robuster als globale diversifizierte – zumindest nicht aus Sicht eines profit-orientierten Unternehmens. Deshalb ist trotz der schwachen Konjunkturlage und struktureller Herausforderungen am Standort Deutschland der gehobene Mittelstand gut aufgestellt. Dies zeigt sich auch bei der Insolvenzquote. Zudem haben sich die Bilanzen global agierender Unternehmen in den letzten Jahren stabiler als der Durchschnitt erwiesen.

Im Jahr 2023 war Deutschland hinsichtlich des Wirtschaftswachstums im internationalen Vergleich weit abgeschlagen. Auch in den nächsten Jahren wird hohes Gewinnwachstum aufgrund des niedrigen Potenzialwachstum hierzulande sicherlich vor allem im Ausland zu erwirtschaften sein. Die Anzahl der Investitionsgelegenheiten ist demnach in Deutschland ebenfalls geringer. Hier mag die Größe des EU-Binnenmarkts etwas gegensteuern, doch auch die EU zeigt in den letzten Jahren ein eher enttäuschendes Wachstum. Auch sind es nicht Kapitalbewegungen, sondern physische Investitionen am Standort Deutschland, die entscheidend sind und ausgeweitet werden müssen. Schließlich findet die Transformation nicht durch Übernahmen und damit finanzielle Transaktionen statt, sondern durch den physischen Ersatz des alten Kapitalstocks. Auch deshalb ist Abb. 2 mit Sorge zu betrachten. Unternehmen präferieren zunehmend physische oder finanzielle Investitionen im Ausland zu Lasten von Ausrüstungsinvestitionen im Inland.

Diese Unterlage und die darin enthaltenen Informationen begründen weder einen Vertrag noch irgendeine Verpflichtung und sind von der IKB Deutsche Industriebank AG ausschließlich für (potenzielle) Kunden mit Sitz und Aufenthaltsort in Deutschland bestimmt, die auf Grund ihres Berufes/Aufgabenstellung mit Finanzinstrumenten vertraut sind und über gewisse Erfahrungen, Kenntnisse und Sachverstand verfügen, um unter Berücksichtigung der Informationen der IKB Deutsche Industriebank AG Entscheidungen über ihre Geldanlage und die Inanspruchnahme von Wertpapier(neben)dienstleistungen zu treffen und die damit verbundenen Risiken unter Berücksichtigung der Hinweise der IKB Deutsche Industriebank AG angemessen beurteilen zu können. Außerhalb Deutschlands ist eine Verbreitung untersagt und kann gesetzlich eingeschränkt oder verboten sein. Die Inhalte dieser Unterlage stellen weder eine (i) Anlageberatung (ii) noch eine individuelle Anlageempfehlung oder (iii) eine Einladung zur Zeichnung oder (iv) ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder sonstigen Finanzinstrumenten dar. Die Unterlage wurde nicht mit der Absicht erarbeitet, einen rechtlichen, steuerlichen oder bilanziellen Rat zu geben. Es wird darauf hingewiesen, dass die steuerliche Behandlung einer Transaktion von den persönlichen Verhältnissen des jeweiligen Kunden abhängt und künftigen Änderungen unterworfen sein kann. Stellungnahmen und Prognosen stellen unverbindliche Werturteile zum Zeitpunkt der Erstellung der Unterlage dar. Die Angaben beziehen sich ausschließlich auf den Zeitpunkt der Erstellung der Unterlage. Eine Änderung der Meinung des Verfassers ist daher jederzeit möglich, ohne dass dies notwendigerweise publiziert wird. Die in der Unterlage zum Ausdruck gebrachten Meinungen spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der IKB wider. Prognosen zur zukünftigen Entwicklung geben Annahmen wieder, die sich in Zukunft als nicht richtig erweisen können; für Schäden, die durch die Verwendung der Unterlage oder von Teilen davon entstehen, wird nicht gehaftet. Frühere Wertentwicklungen, Simulationen oder Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung. Bei der Unterlage handelt es sich nicht um eine Finanzanalyse i.S.d. Art. 36 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 oder Empfehlung i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 35 Verordnung (EU) 596/2014. Die vorliegende Unterlage ist urheberrechtlich geschützt. Das Bearbeiten oder Umarbeiten der Werbemitteilung ist untersagt. Die Verwendung oder Weitergabe der Unterlage in jeglicher Art und Weise an Dritte (z.B. Geschäftspartner oder Kunden) für gewerbliche Zwecke, auch auszugsweise, ist nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung der IKB Deutsche Industriebank AG zulässig.

40474 Düsseldorf
Wilhelm-Bötzkes-Straße 1
Telefon +49 211 8221-0