[Kapitalmarkt-News vom 27. März 2023]
Fazit: Die Folgen der geldpolitischen Straffung werden sich im Verlauf von 2023 zeigen. Eine Konjunkturerholung in der zweiten Jahreshälfte von 2023 erscheint zunehmend fraglich – vor allem, wenn der Inflationsdruck nachlassen sollte. Positive Prognoserevisionen für das gesamte Jahr 2023 sollten deshalb mit Skepsis gesehen werden, beruhen sie doch vor allem auf einem besseren Verlauf des ersten Quartals und nicht auf einem grundsätzlich besseren Ausblick.
Das ifo Geschäftsklima ist ein kurzfristiger Frühindikator, der aktuell vor allem den Verlauf des zweiten Quartals andeutet, aber nicht die Entwicklung der zweiten Jahreshälfte. Die aktuelle leichte Stimmungsverbesserung trägt deshalb wenig zum grundsätzlichen Konjunkturausblick für das Gesamtjahr 2023 bei. Zudem ist mit den Folgen der geldpolitischen Straffung auch von einer erneuten Stimmungseintrübung auszugehen.
Die IKB erwartet für Deutschland einen leichten BIP-Rückgang im laufenden Jahr. Das Abwärtsrisiko für 2024 hat sich allerdings aufgrund der restriktiven Geldpolitik erhöht.
Beim Konjunkturausblick bleiben aktuell viele Fragen offen. Zwar wird häufig von einer leichten Aufhellung ausgegangen, denn die Stimmungsindikatoren der letzten Monate haben sich etwas verbessert, und die Prognosen für 2023 wurden leicht nach oben angepasst. Auch die Industrieproduktion konnte im Januar für bessere Stimmung sorgen. Doch das Gesamtbild ist um einiges komplexer. Strukturelle Herausforderungen wie hohe Energiekosten, noch bestehende Lieferengpässe in einigen Branchen und ein konjunktureller Verlauf, der sich infolge der geldpolitischen Straffung mehr und mehr eintrüben wird, führen aktuell noch zu einer heterogenen Branchenentwicklung. So lag das Produktionsniveau der Chemieindustrie im Januar fast 20 % unter dem Niveau von Januar 2022, während die Automobilindustrie ein Plus von fast 7 % aufweist.
Es ist allerdings davon auszugehen, dass sich der Einfluss der geldpolitischen Straffung zunehmend auf alle Branchen auswirken wird, wenn auch unterschiedlich stark. Die Geldpolitik sollte zu einem bzw. dem bestimmenden Einflussfaktor werden, der über alle Sektoren der Wirtschaft für eine Abkühlung sorgen wird. Dies mag noch nicht im ersten oder zweiten Quartal ersichtlich sein, die Abkühlung wird sich aber spätestens im weiteren Verlauf des Jahres 2023 zeigen. Nach dem BIP-Rückgang von 0,4 % im Abschlussquartal 2022 wird vielleicht eine technische Rezession Im ersten Quartal ausbleiben; die höheren EZB-Zinsen sollten dennoch die Konjunktur belasten, womöglich auch im Jahr 2024.
Das ifo Geschäftsklima bildet einen guten Frühindikator für den BIP-Verlauf im kommenden Quartal ab. Dennoch ist Vorsicht geboten, auf Grundlage dieses Indikators von einem besseren Konjunkturbild für das gesamte Jahr 2023 auszugehen. Denn es sind eher das Abklingen der Energiekrise als der Glaube an einer weniger effektiven geldpolitischen Straffung, die sich im aktuellen Stimmungsbild des ifo Index spiegelt. So hat sich das ifo Geschäftsklima hat sich im März erneut verbessert, dabei wurden sowohl die Lage und der Ausblick besser beurteilt. Eine Einschätzung der Unternehmen, die zur aktuellen kurzfristigen Prognoseentwicklung passt. In den kommenden Monaten sollte sich die Konvergenz der Teilindizes fortsetzen: Die aktuelle Lage dürfte sich zunehmend eintrüben, während die Geschäftserwartungen mehr und mehr auf die Realität der höheren Zinsen reagieren. Insgesamt ist davon auszugehen, dass das ifo Geschäftsklima in den kommenden Monaten unter Druck kommen wird und damit für erneute Prognoserevisionen sorgen wird.
Doch wie aussagekräftig ist das ifo Geschäftsklima eigentlich? Empirische Analysen zeigen, dass es von allen Frühindikatoren, der mit der höchsten Aussagekraft ist – auch wenn sich diese nur auf die BIP-Entwicklung des kommenden Quartals bezieht. Allerdings hat sich die Signifikanz des ifo Index als Erklärungsvariable für das zukünftige BIP-Wachstum in den letzten Jahren reduziert. Grund mögen die sich anhäufenden exogenen Schocks sein, die die deutsche Konjunktur beeinflusst haben. So ist es immer weniger der Konjunkturzyklus und damit die Stimmung der Unternehmen, die zukünftiges Wirtschaftswachstum bestimmen. Vielmehr sind es unvorhersehbare Entwicklungen, die das Wachstum sowie die Stimmung einbrechen lassen. Mit steigenden Zinsen und der Erwartung einer klassischen Abkühlung der Wirtschaft ist deshalb auch von einem stagnierenden oder sogar rückläufigen ifo Index auszugehen.
Erste Auswirkungen der Zinspolitik sind bereits in zinssensitiven Branchen zu erkennen. In den kommenden Monaten sollte allerdings der Zinsanstieg einen höheren Gleichlauf beim ifo Geschäftsklima einzelner Branchen sicherstellen.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Zudem lehrt der promovierte Volkswirtschaftler an der Nelson Mandela University in Südafrika. Zuvor arbeitete er in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen.
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