[Consumer & Retail-Information vom 7. September 2021]

Mit dem Anspringen der internationalen Wirtschaft nach dem Corona-Schock zog die Nachfrage nach Baustoffen in diesem Jahr weltweit deutlich an. Dies betrifft auch Europa, insbesondere aber die USA. Gleichzeitig zeigt sich die deutsche Bauwirtschaft trotz Korrekturen bei Auftragseingang und Umsatz weiter robust, die Wohnungsbaugenehmigungen lagen im ersten Halbjahr um 7,7 % über dem Vorjahreszeitraum.

Produktions- und Exportrekorde auf der einen Seite, Versorgungsengpässe auf der anderen   

Welche Auswirkungen die Nachfrageentwicklung auf den gesamten Holzsektor hat, zeigt erst der Blick über alle Facetten der Wertschöpfungskette im Inland – Forstwirtschaft, Sägeindustrie, Holzhandel. Holzverarbeitung – sowie die Bewegungen auf den internationalen Märkten. Die Sägeindustrie ist in einer zentralen Position und Spiegelbild der kumulierten Bewegungen auf Rohstoff- sowie auf nationaler und internationaler Abnehmerebene. Die Nadelschnittholzproduktion mit rund 95 % des verarbeiteten Holzes in Deutschland wurde im ersten Halbjahr 2021 um 15 % gegenüber Januar bis Juni 2020 ausgeweitet; das entspricht 1,8 Mio. m³.

Ebenfalls erhöht haben sich die Ausfuhren., wobei gerade das Geschäft mit den USA deutlich ausgeweitet wurde. Ursächlich für die Attraktivität des Exports in die USA waren die historisch starken Preissteigerungen für Schnittholz von umgerechnet rund 250 €/m³ (SPF 2-by-4) auf bis zu 870 € im Mai 2021. Die Effekte auf die Preise im Inland blieben nicht aus und führten in Kombination mit dem Absatzplus zu Umsätzen der deutschen Sägeindustrie im ersten Halbjahr 2021 i. H. v. 3,6 Mrd. € (+48,4 % ggü. Vj.).

Bei ebenfalls ausgeweiteten Schnittholzimporten stieg die Inlandsmarktversorgung in den ersten sechs Monaten des Jahres um annährend 17 %. Probleme in der Marktversorgung gab es bei einzelnen Produktgruppen trotzdem aufgrund der hohen Nachfrage bei gleichzeitig reduzierten Lagerbeständen aus dem letzten Jahr. Die Preise für Nadelschnittholz haben sich seit Jahresbeginn bis zum Juni 2021 verdoppelt, die Preise für konstruktive Holzwerkstoffe sind mit +130 % für Brettschichtholz(BSH)-Lamellen und +125 % bei Konstruktionsvollholz (KVH) noch stärker gestiegen. Im Gegenzug zeigt das Preisbild bei Rundholz mit einem Plus von ca. 60 % einen deutlich mäßigeren Anstieg – und dies von einem Preis ausgehend, der zum Jahresbeginn 2021 weit unter dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre lag. Der Markt ist ohne Frage aus der Balance geraten und es bedarf einer zeitnahen Korrektur, damit sich temporäre Verwerfungen in der Wertschöpfungskette nicht als strukturellen Probleme verfestigen. Seit Mai 2021 sind die Holzpreise in den USA wieder auf den langjährigen Durchschnitt gesunken; die Preise im Inland, beispielsweise für BSH-Lamellen und KVH, sinken seit Juli ebenfalls. Im weiteren Jahresverlauf erwartet die IKB weitere Korrekturen nach unten und damit eine Entspannung für die Abnehmerseite. Rundholz dürfte zeitversetzt tendenziell nachziehen.

Strukturelle Trends sprechen für weiteres Wachstum, aber die Preisentwicklung sorgt für Unsicherheit

Die globale Nachfrage nach Holz- und Holzwerkstoffen bleibt unseres Erachtens mittelfristig hoch, wird sich aber nach der Aufholphase wieder normalisieren. Die Entwicklung der Warenströme bleibt stark von exogenen Faktoren abhängig. Dazu zählen die Dürre im Westen der USA, Käferbefall in British Columbia/Kanada, Exportbeschränkungen in Russland und Importregulierungen wie die US-Zölle für Holz aus Kanada. Auf nationaler Ebene ist die deutsche Einschlagbeschränkung bei Fichte auf 85 % des mehrjährigen Mittels im Waldwirtschaftsjahr 2020/2021 zu nennen. Stärkere Preisvolatilitäten können daher perspektivisch nicht ausgeschlossen werden. Das Jahr 2021 ist unter diesem Aspekt mit Sicherheit ein Ausnahmejahr, da sich verschiedene internationale Effekte gegenseitig verstärkt und einen immensen Hebel auf nationale Marktstrukturen übertragen haben. Deutlich sinkende Inlandspreise am aktuellen Rand – beispielsweise bei KVH – resultieren nach unter anderem aus einem verstärkten Lageraufbau auf der Abnehmerebene als Ergebnis von Versorgungsunsicherheit und nicht mehr kalkulierbaren Preiserhöhungen. Vorübergehend ist daher sogar mit Absatzrückgängen zu rechnen, wenngleich die Rahmendaten weiterhin für Wachstum sprechen. 

Der Bausektor ist der wichtigste Absatzmarkt für Holz im Inland und bestimmt maßgeblich die Nachfrage nach Schnittholz und veredelten Produkten. Der Einsatz von Holzelementen hilft in besonderem Maße bei der Realisierung von energetischen Einsparpotenzialen, weshalb Holzwerkstoffe bei Renovierung, Ausbau und Gebäudesanierung eine tragende Rolle spielen. Zudem entwickelt sich die Holztechnologie kontinuierlich weiter und bietet ausgereifte standardisierte Produkte und Halbfertigteile. Dies führt dazu, dass Holzwerkstoffe und -systeme nicht nur beim Neubau von Ein- und Zweifamilienhäusern zum Einsatz kommen, sondern zunehmend auch im Mehrgeschoss- und Wirtschaftsbau. Der steigende Anteil von Fertigteilbauten bei Ein- und Zweifamilienhäusern ist ein guter Indikator für die zunehmende Bedeutung von Holz als ökologischer Baustoff in Kombination mit den ökonomischen Vorteilen der Vorfertigung von Bauelementen bis zu gesamten Gebäudeteilen.

Die IKB erwartet bis 2025 jährliche Fertigstellungen von Ein- und Zweifamilienhäusern in einer Größenordnung von rund 94 – 102 Tsd. Einheiten pro Jahr, allerdings mit erhöhten Unsicherheiten bei der Entwicklung der Baugenehmigungen im Verlauf des kommenden Jahres und für das Jahr 2023 aufgrund des erreichten Preisniveaus bei Grundstücken sowie der massiv gestiegenen Kosten für Baustoffe und -leistungen. Parallel prognostizieren wir einen weiteren Anstieg des Fertigbauanteils auf bis zu 25 %. Da dieser Anstieg im Wesentlichen von Neubauten in Holzrahmenbauweise getragen wird, steigt die Nachfrage nach konstruktiven Holzwerkstoffen. Hinzu kommt der erwartete zusätzliche Bedarf aus Renovierung, Ausbau, Wirtschafts- und Mehrgeschosswohnungsbau. In Summe wird das Preisniveau bei Rund-, Schnittholz und Holzwerkstoffen mittelfristig über dem Niveau vor Beginn der Preisrallye im Herbst 2020 liegen.

Wird der Klimawandel zum Risiko für die Schnittholzversorgung?

Trockenheit und Schädlingsbefall setzen dem heimischen Wald zu, die Auswirkungen sind unverkennbar.

Der Anteil der Nadel- und Laubbäume mit deutlichen Kronenverlichtungen als klarem Zeichen der Schädigung lag 2020 laut Waldzustandserhebung des BMEL bei 37 %, bei Fichten sogar bei 44 %. Seit 2017 ist der Holzeinschlag zwar auf einen Rekordwert von rund 80 Mio. m³ gestiegen (davon 77 % Nadelholz), der Schadholzanteil lag 2020 allerdings bei 75 %. Die Schadholzmenge hat sich damit in drei Jahren verfünffacht! Entsprechend eingeschränkt sind die Vermarktungsmöglichkeiten.

Die Perspektive: Innovation trifft Nachhaltigkeit

Die internationale Nachfrage nach Holz als Roh- und Werkstoff wird hoch bleiben. Die Herausforderungen des Klimawandels sprechen für den Einsatz von Holz als Baustoff und technologische Innovationen führen zu einer Erweiterung des Anwendungsspektrum. Durch die internationalen Warenströme steigt jedoch die Anfälligkeit für temporäre Verwerfungen und die Entwicklung 2022 wird stark von der Entwicklung bei Export-, Import- und Zollregelungen in den USA, Kanada und Russland abhängen, ebenso von der Nachfrage aus China.
Basis für die Ausschöpfung der Absatzpotenziale ist eine verlässliche Rohstoffversorgung. Auch, wenn nach jetzigem Stand das Schadholzaufkommen 2021 unter dem Vorjahresniveau liegen wird, ist der Zustand des heimischen Waldes alarmierend. Das Risiko für den Ausfall nennenswerter Rohstoffressourcen und die Versorgungssicherheit steigt. Eine Lösung des Problems zeichnet sich bislang nicht ab. Eine Lehre des Jahres 2021 ist, dass die Holzwirtschaft über die Wertschöpfungskette in der Balance bleiben muss.
Die in der Projektierung und der Umsetzung befindlichen Erweiterungs- und Modernisierungsinvestitionen – von Einschnittkapazitäten, Verarbeitungslinien bis zum Fertigteilbau – sind Ausdruck des Optimismus der Branche.

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Sven Anders, CFA
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