[Consumer & Retail-Information vom 26. Juli 2019] Es ist eine bekannte Tatsache: Haustiere nehmen einen besonderen Platz im Leben der Menschen ein. Wir pflegen und verwöhnen sie und bestimmende Trends beim menschlichen Konsumverhalten finden sich folglich auch im Heimtiermarkt wieder. Um die Bedeutung des Heimtiermarktes in Deutschland zu erfassen, hilft ein nüchterner Blick auf die Zahlen. Insgesamt leben – ohne Zierfische und Terrarientiere – rund 34,4 Mio. Heimtiere in deutschen Haushalten, also annähernd in jedem zweiten. Das sorgte 2018 für einen Branchenumsatz von 4,85 Mrd. €, ein Zuwachs von 2,3 % zum Vorjahr. Das beliebteste Haustier ist die Katze mit insgesamt knapp 15 Mio. Vertretern in circa 23 % der Haushalte, gefolgt von 9,4 Mio. Hunden, die in rund 19 % der Haushalte leben.
Bevorzugt kaufen die Deutschen ihre Heimtierbedarfsartikel im stationären Fachhandel und im Lebensmitteleinzelhandel (LEH), im letzten Jahr betrug der Umsatz 4,2 Mrd. €. Dominierendes Segment ist mit 3,2 Mrd. € die Heimtiernahrung, die zu über 60 % im LEH nachgefragt wird. Knapp 1 Mrd. € gaben die Deutschen für Bedarfsartikel aus. Mit einem Umsatzanteil von 80 % ist hier der Fachhandel der primäre Absatzweg. Entsprechend ihrer Bedeutung als beliebteste Haustiere, sorgen Katzen und Hunde für 94 % des Umsatzes im Segment Heimtiernahrung und für 70 % bei den Bedarfsartikeln.
Nach Verbandsschätzung von Industrieverband Heimtierbedarf (IVH) und Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe (ZZF) setzte der Online-Handel 2018 circa 625 Mio. € um, was einem Anteil von 13 % am Branchenumsatz entspricht. Damit ist dieser Vertriebsweg mittlerweile etabliert und mit einer Wachstumsrate von rund 8 % auch der schnellst wachsende Distributionskanal. Zudem zeigen Umfragen, dass Haustierbesitzer online-affin sind. Die IKB erwartet, dass der Online-Handel in den kommenden Jahren mit bis zu 10 % kontinuierlich deutlich höhere Zuwachsraten melden wird als der Heimtiermarkt insgesamt, der nach Einschätzung des IFH Köln in den nächsten fünf Jahren um rund 2 % p. a. wachsen wird. Auch bei einer sich eintrübenden konjunkturellen Entwicklung sollten die Prognosen Bestand haben, denn der Heimtiermarkt ist grundsätzlich konjunkturunempfindlich.
Die Wachstumsunterschiede zwischen On- und Offline führen dazu, dass der Anteil der Online-Umsätze am Gesamtmarkt deutlich wachsen wird. Das IFH Köln prognostiziert, dass 2023 ca. 25 % des Gesamtumsatzes mit Heimtierfutter und -bedarf online erwirtschaftet wird.
Gesünder, natürlicher, bequemer: Trends beim Menschen sind auch Trends bei Haustieren
- Tiernahrung: Achtet der Mensch auf seine Ernährung, frisst das Haustier gesünder
Der Trend zum gesünderen und bewussteren Konsum spiegelt sich zunehmend auch im Heimtiermarkt. Die Menschen achten vermehrt auf eine gesunde, ausgewogene und natürliche Ernährung ihrer Haustiere. Der „Natural-Trend“ führt dazu, dass Herrchen und Frauchen bei der Tiernahrung immer häufiger zu Produkten mit ausschließlich natürlichen Zutaten greifen, die einen höheren Fleischanteil haben und ohne künstliche Zusatzstoffe auskommen. Der Umsatzanteil von Natural-Produkten liegt bereits bei etwa 10 %, Tendenz steigend.
Ein weiterer Trend ist die Individualisierung des Futters. Kunden können sich das Futter je nach Bedarf (Rasse, Alter, Gewicht ihres Haustieres) zusammenstellen und nach Hause liefern lassen. Auch das Angebot an Spezialnahrung, z. B. für erkrankte Tiere, wächst ständig. Treiber sind immer älter werdende Haustiere, die wie der Mensch von Zivilisationskrankheiten wie Diabetes betroffen sind. - Neue Anbieter drängen in den Markt
Die Größe und Attraktivität des Marktes sowie die Nachhaltigkeit des Trends führen dazu, dass nicht nur große Tierfutterproduzenten wie Nestlé Purina immer mehr Natural-Produkte anbieten, sondern auch neue namhafte Produzenten wie Tönnies Petcura aus angrenzenden Bereichen den Markt für sich entdecken und die Anbieterlandschaft erweitern. - Hoher Konkurrenzdruck und viel Bewegung: Stationär goes online, online goes stationär
Der LEH profitiert vom typischen Konsumentenverhalten, möglichst alle alltäglichen Dinge an einem Ort zu kaufen. Dass der LEH das Tierfuttersegment als wichtig ansieht und mit einem entsprechenden Angebot Kunden anlocken will, zeigen die aufgewerteten Produktplatzierungen in den Geschäften, ein erweitertes Angebot mit fachhandelstypischen Artikeln sowie aggressive Preisaktionen.
Die Fachhandelsketten versuchen ihrerseits mit Sortimentskompetenz in Breite und Tiefe zu punkten, ergänzt um fachkundige Beratung. Vor dem Hintergrund gestiegener Anforderungen konsolidiert sich der Markt. Konsolidierer sind insbesondere die großen Fachhandelsketten, die ihre Expansion konsequent vorantreiben und parallel ihre Angebote im Online-Shop massiv ausbauen. Mit der Cross-Channel-Strategie können Anbieter ihre Kunden bestmöglich vor Ort betreuen, ihnen bedarfsgerecht weitere Produkte im Online-Shop anbieten und ergänzend mit digitalen Dienstleistungen – wie Fitness- oder Ernährungs-Apps – versorgen.
Auch für Online-Pure-Player kann die Cross-Channel-Strategie ein Ansatz zur Weiterentwicklung des Geschäftsmodells sein. So wagte der Online-Händler Zooroyal im vergangenen Jahr den Schritt in den stationären Handel. Zooroyal wird mit einem Shop-in-Shop-Konzept Heimtierzubehör und Futter lokal anbieten, zunächst in einigen Filialen der Baumarktkette Toom. Parallel investieren Futterproduzenten in Online-Shops, um den direkten Zugang zum Kunden zu erhalten. Der Kampf um den Umsatzkuchen im Heimtiermarkt wird damit nochmals deutlich intensiver werden. - Rundumversorgung: Haustier-Ökosystem bietet neue Ertragsmöglichkeiten
Welche Strategie dominiert den Markt? Letztendlich ist das Ziel der prägenden Unternehmen im Markt – ob Futterproduzent, stationärer oder Online-Händler –, die Bedürfnisse der Tierhalter möglichst zielgenau aus einer Hand bedienen zu können. Neben Tierfutter- und Heimtierprodukten stehen auf den Online-Plattformen deshalb zunehmend Problemlösungen im Rahmen von Servicegeschäften im Fokus, die bei der Kaufberatung beginnen, den Kunden beim Umgang mit dem Haustier begleiten, medizinische Versorgung bieten und sogar Tierhotels oder Hundesitter vermitteln. Einmal auf der Plattform, soll der Kunde keine Notwendigkeit sehen, andere Einkaufsstätten und Dienstleister aufzusuchen.
Der Weg bis zum allumfassenden Haustier-Ökosystem ist noch weit, die hohe Investitionsbereitschaft der Marktteilnehmer zeigt jedoch, dass es wichtig ist, den Anschluss zu halten. Erkennen die Konsumenten den Mehrwert eines Angebotes, führt dies in einem emotional aufgeladenen Markt zu einer höheren Zahlungsbereitschaft. Die Preissensibilität tritt in den Hintergrund, selbst bei schwächelnder Konjunktur.
Daniel Schönekäs ist Prokurist in der Industriegruppe Consumer & Retail der IKB. Er ist involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank in den Branchen Konsumgüter und Handel. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Leipzig stieß er 2014 zur IKB, wo er seine ersten Berufsjahre in der volkswirtschaftlichen Abteilung absolvierte.
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