[Kapitalmarkt-News vom 14. Dezember 2020]
Fazit: Der Goldpreis wird kurzfristig und auch im Jahr 2021 von der US-Geldpolitik und der anziehenden Inflation gestützt. Solange die langläufigen US-Renditen einen wahrscheinlichen Inflationsanstieg mit Unterstützung der Fed-Politik nur begrenzt spiegeln, ist das Abwärtsrisiko für den Goldpreis auch bei einer konjunkturellen Aufhellung in den kommenden beiden Jahren eher überschaubar. Voraussetzung hierfür sind allerdings weiterhin negative reale Renditen.
Wie lange die Fed eine Korrektur am langen Ende der Zinskurve verhindern kann, bleibt abzuwarten und hängt entscheidend von den Inflationserwartungen ab. Langfristig werden diese allerdings der tatsächlichen Inflationsrate folgen. Dann bietet eine zunehmende Inflation keinen Schutz mehr für den Goldpreis, da die realen Renditen dann korrigieren werden. Ob das bereits im nächsten Jahr geschieht, ist unwahrscheinlich. Noch hält die Fed den „Deckel“ auf die langläufigen US-Renditen, und die Erwartungen über den zukünftigen Inflationsverlauf und die Konjunkturentwicklung sind eher verhalten.
Bedeutendes Aufwertungspotenzial ergibt sich für den Goldpreis im Jahr 2021 damit allerdings auch nicht. Dies wäre erst der Fall, wenn er auf unter 1.700 US-$ pro Feinunze fallen würde.
Konjunkturerholung hellt zunehmend die Erwartungen auf, …
Der globale Konjunkturausblick für 2021 scheint sich zunehmend aufzuhellen. Zwar trüben aktuelle Lockdown-Maßnahmen und Stimmungsindikatoren die kurzfristigen Perspektiven zum Teil deutlich, und für Deutschland wird ein BIP-Rückgang im vierten Quartal 2020 immer wahrscheinlicher. Doch diese temporäre Eintrübung ist kein Indiz für eine schwache bzw. unsichere Entwicklung im nächsten Jahr. Auch die Sorge, Aufholeffekte ließen als Wachstumstreiber nach, ist nur teilweise begründet. Zwar werden Aufholeffekte aus dem Jahr 2020 im Verlauf von 2021 immer weniger Wachstumsimpulse liefern – vor allem für die deutsche Industrie, die sich im dritten Quartal 2020 überraschend stark zurückgemeldete. Die globale Wirtschaft wird im nächsten Jahr aber dennoch durch die synchrone Erholung vieler Länder starke Wachstumsimpulse erhalten. Diese kommen vor allem aus China und ab der zweiten Jahreshälfte auch aus anderen Wachstumsregionen, die sich infolge der Verbreitung von Impfstoffen zunehmend stabilisieren bzw. beleben werden. Auch hat die V-förmige Erholung in den Industrieländern im dritten Quartal 2020 gezeigt, dass die globalen Wertschöpfungsketten intakt geblieben sind. Die Angebotsseite der globalen Wirtschaft wird demnach keine Wachstumsbremse darstellen.
… und der Goldpreis ist seit August unter Druck, …
Der Goldpreis hat sich mit der im Sommer einsetzenden Konjunkturbelebung von seinem Höchststand Anfang August 2020 verabschiedet. Jüngst hat die Aussicht auf baldige Corona-Impfungen den Abwertungsdruck auf den Goldpreis noch beschleunigt. Generell scheint bei Anlegern das Bedürfnis nach „safe haven“ nachzulassen. Doch führen eine geringere Risikoaversion und eine sich aufhellende Konjunktur zwangsläufig zu einer Schwäche des Goldpreises? Nach der Finanz und Euro-Schuldenkrise war dies in der Tat der Fall. Der Goldpreis fiel von seinem Hoch im Jahr 2011 von fast 1.900 US-$ auf nahezu 1.000 US-$ Ende 2015.
Für den Goldpreis ist letztendlich aber weniger die Konjunktur entscheidend, vielmehr sind es alternative, sichere Investitionsmöglichkeiten – und das sind in der Regel vor allem US-Staatsanleihen. Relevant sind dabei weniger die kurzfristigen Renditen, sondern vor allem das lange Ende der US-Zinskurve. So sollten steigende Langfrist-US-Renditen im Jahr 2021 für Gegenwind beim Goldpreis sorgen. Der Renditenanstieg im Herbst 2020 deutet diese Entwicklung bereits an. Auch nach der Finanz- und Euro-Schuldenkrise fiel der Goldpreis vor allem in einer Phase, in der die realen US-Renditen wieder stiegen bzw. positiv ausfielen. Schließlich ist es die Sorge um den Werterhalt ihrer Geldanlage, die Investoren zu Gold treibt. Und auch während der Coronakrise ist der Goldpreis vor allem in der Phase negativer realer US-Renditen gestiegen. Aber trotz der Erwartung steigender Renditen ist nicht unbedingt mit einem fallenden Goldpreis zu rechnen. Denn es stellt sich die Frage, wie stark die Renditen im Vergleich zur Inflation anziehen werden. Dabei spielt die Geldpolitik der Fed eine entscheidende Rolle.
… doch die Geldpolitik ist eine bedeutende Stütze
Nach dem Rückgang in diesem Jahr sollte die Inflationsrate 2021 auf beiden Seiten des Atlantiks wieder ansteigen, angetrieben von der sich normalisierenden Konjunktur. Doch die Schuldenquoten von Staaten und Unternehmen werden sich deutlich ausweiten. Dies wird unweigerlich das mittelfristige Wirtschaftswachstum belasten. Zudem wird die Geldpolitik noch auf lange Sicht eine außerordentlich unterstützende Rolle einnehmen müssen, um die effektive Nachfrage der Industrieländer zu stützen und die Schuldentragfähigkeit der Staaten sicher zu stellen. Solange die schwache Nachfrage und die anhaltende Globalisierung den Inflationsdruck in Grenzen halten, ergibt sich kein Handlungskonflikt. Und selbst wenn die Inflationsrate in den nächsten Jahren überraschend deutlich über das gewünschte Niveau steigen sollte, ist dennoch mit keinem Anstieg des US-Leitzinses zu rechnen. Denn die Fed hat bereits signalisiert, den Fokus auf den langfristigen Inflationsdurchschnitt zu legen. Nach der unterdurchschnittlichen Inflationsrate der letzten Jahre ist somit selbst bei höherer Inflation mittelfristig nicht mit einer geldpolitischen Wende zu rechnen. Dies ist sicherlich auch ein Grund dafür, warum die US-Renditen trotz des jüngsten Anstiegs im historischen Vergleich weiterhin auf niedrigen Niveaus verweilen. Doch Renditen werden nicht nur von Kurzfristzinsen, sondern vor allem von Inflationserwartungen getrieben. Die IKB rechnet mit einem Anstieg der US-Inflation von 1,2 % in diesem Jahr auf 1,8 % 2021 bzw. um die 2 % im Jahr 2022. Grundsätzlich ist damit von tendenziell steigenden nominalen US-Renditen auszugehen – der Anstieg sollte allerdings aufgrund der Zinspolitik unter dem der Inflation bleiben.
Die geldpolitische Ausrichtung der kommenden Jahre sollte sich von der nach der Finanzkrise deutlich unterscheiden, was sich bei den realen Renditen niederschlagen wird. So sollten reale Renditen im Jahr 2021 eher sinken als anziehen. Dies gilt zweifelslos für das kürzere aber auch zu einem gewissen Grad für das lange Ende der Zinskurve, da Notenbanken wie die Fed oder die EZB durch Aufkaufprogramm die gesamte Zinskurve beeinflussen. Wie lange allerdings bei einer nachhaltig steigenden Inflationsrate das lange Ende der Zinskurve gedämpft reagiert und so für weiter sinkende bzw. anhaltend niedrige reale Renditen sorgen wird, bleibt abzuwarten. Mit zunehmenden Inflationserwartungen wird das lange Ende mehr und mehr reagieren und zu einer steileren Zinskurve bzw. erhöhten Druck auf dem Goldpreis sorgen.
Der Goldpreis in den nächsten beiden Jahren: Wo liegt das Risiko?
Die Inflationsrate wird 2021 und 2022 steigen und könnte durchaus nach oben überraschen – auch weil kurzfristig keine geldpolitischen Gegenmaßnahmen zu erwarten sind. So bauen sich zwei gegenläufige Kräfte auf, die sich auf den Goldpreis auswirken. Auf der einen Seite eine sich aufhellende Konjunktur in den Jahren 2021 und 2022, die die Risikobereitschaft stärkt und attraktive Renditemöglichkeiten in der Realwirtschaft generiert und somit die Nachfrage nach Gold dämpft. Auf der anderen Seite ergibt sich allerdings eine höhere Inflationsrate, was den Goldpreis stützen sollte, vor allem wenn die langläufigen US-Renditen auf den Inflationsanstieg nur verhalten reagieren, da die langfristigen Inflationserwartungen stabil sind bzw. die Fed erfolgreich darin ist, Anstiegen kurzfristig gegenzusteuern.
Ein schwacher Goldpreis würde sich dann ergeben, wenn die US-Renditen deutlich stärker anstiegen als die Inflationsrate. Hierfür müssten die Inflationserwartungen deutlich zulegen und sich zudem in höheren Renditen niederschlagen. Gegen diese Erwartung wirken die aktuelle Fed-Politik und hohe Schuldenquoten, die langfristig das Wachstum dämpfen sollten. Unterstützung erfährt der Goldpreis von der anziehenden Inflation sowie einer volatilen Entwicklung der Weltwirtschaft im Jahr 2021. Der Euro-Goldpreis würde zudem von einer US-$-Abwertung profitieren. Um diese Abwärtsrisiken für den Goldpreis zu illustrieren, haben wir mehrere Szenarien für den US-$-Goldpreis simuliert. Sie unterscheiden sich im Anstieg der realen Renditen: Im Szenario 1 steigen 10-jährige US-Renditen auf 1,2 %; in Szenario 2 auf 1,5 %. Diese Erhöhung der realen und nominalen Renditen um 30 bp mag gering erscheinen. Sie würde allerdings den Fundamentalwert des Goldpreises je Feinunze laut Schätzungen um rund 100 US-$ senken. Würden allerdings die realen 10-jährigen US-Renditen auf 0 % ansteigen und vollständig dem erwarteten Inflationsanstieg folgen, läge das Abwärtsrisiko für den Goldpreis bei bis zu 250 US-$. Bei einem Anstieg realer Renditen auf +1 %, was im historischen Kontext immer noch nicht als besonders hoch einzuschätzen ist, würde das Abwärtsrisiko für den aktuellen Goldpreis rund 400 US-$ betragen. Hierfür müssten die US-Renditen allerdings angesichts des erwarteten Inflationsanstiegs im Jahr 2021 auf fast 3 % ansteigen, was aufgrund der aktuellen Geldpolitik und der wirtschaftlichen Lage nicht zu erwarten ist.
Szenario 1 deutet auf einen Goldpreis von ca. 1.750 US-$ hin. Bei einem aktuellen Goldpreis von knapp über 1.800 US-$ besteht somit bei einem weiteren moderaten Anstieg der nominalen US-Renditen (aktuelles Niveau liegt bei 0,9 %) ein überschaubares Abwärtsrisiko für den Goldpreis. Das kann auf die steigende Inflationsrate zurückgeführt werden. Auch ergibt sich das Risiko weniger aus den Renditeanstiegen als eher aus dem möglicherweise übertriebenen Goldpreisanstieg in den diesjährigen Monaten Juli und August.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen. Zudem kommentiert er regelmäßig konjunkturelle Entwicklungen in renommierten Wirtschaftsmedien und ist mit seinen pointierten Präsentationen häufiger Gast bei Verbänden und Unternehmen. Zuvor arbeitete Klaus Bauknecht in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium.
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