[Kapitalmarkt-News vom 25. September 2023]

Fazit: Die Stimmung der deutschen Unternehmen bleibt schlecht. Konjunkturelle Sorgen und strukturelle Herausforderungen belasten den Ausblick und damit auch die Attraktivität des Investitionsstandortes Deutschland. So könnte die aktuelle Eintrübung nicht nur das kurzfristige, sondern auch das mittelfristige Wachstum belasten – und dies bei einem bereits niedrigen Potenzialwachstum.

Dieses Umfeld ist allerdings auch eine Chance, um überfällige Reformen umzusetzen. Den dafür notwendigen Handlungsdruck erzeugt traditionell eine eskalierende Arbeitslosenquote, was allerdings aktuell nicht der Fall ist. Die Investitionsdynamik am Standort Deutschland lässt jedoch trotzdem wenig Zweifel an der Notwendigkeit zu handeln. Die IKB erwartet in diesem Jahr einen Rückgang im deutsches BIP von 0,4 % und 2024 ein Wachstum von 0,3 %.

 

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist weiterhin gedämpft, was aufgrund von Konjunkturentwicklung und Prognosen nicht überraschen sollte. So ist es auch nicht verwunderlich, dass sich das ifo-Geschäftsklima im September weiter auf einem niedrigen Niveau bewegt. Vielleicht sind die jüngsten Zahlen sogar leicht positiv zu interpretieren, da der Index nicht noch weiter gefallen ist. Allerdings liegen die Geschäftserwartungen nur leicht über jenen in der Finanzkrise von 2009. Die vom ifo-Geschäftsklima gespiegelte Stimmung hat jedoch wenig mit überzogener Negativität zu tun, wie sie oft mit dem Begriff „Germany bashing“ beschrieben wird. Denn konjunkturelle wie strukturelle Themen erlauben in Kombination mit fehlender Reformbereitschaft kaum Optimismus.  

Aktuell wirken sich gegenseitig verstärkende Kräfte auf die Stimmung in der deutschen Wirtschaft aus. Die Konjunktureintrübung forciert strukturelle Herausforderungen wie hohe Energiekosten, bürokratische Hürden und Fachkräftemangel bzw. zunehmend ansteigender Lohndruck. Die Attraktivität des Investitionsstandortes Deutschland bzw. der Renditeausblick möglicher Investitionen ist deshalb in Gefahr. Dies mag positiv wie negativ gesehen werden. Negativ, weil im Schatten fehlender Investitionen das Wachstumspotenzial in Deutschland weiter sinken wird. So wird die Rezession nicht nur kurzfristig die Wirtschaft belasten, sondern könnte auch nachhaltig Folgen haben, da es in Deutschland bei der nächsten Konjunkturerholung zu keinem spürbaren Aufholbedarf bei Investitionen kommen könnte. 

Die Kombination aus Rezession und strukturellen Problemen mag auch positiv gesehen werden, da wirtschaftliche Herausforderungen zunehmend den Reformdruck erhöhen. Dies wäre nicht das erste Mal. Die Agenda 2010 wurde im Schatten einer schweren Rezession und eskalierender Arbeitslosigkeit verabschiedet bzw. umgesetzt. Die Folgen der damaligen Rezession waren dermaßen offensichtlich, dass der Staat handeln musste – und zwar nicht durch „Make-up“ Politik auf der Ausgabenseite des Staatshaushalts, sondern durch strukturelle Reformen, die eine Wachstum- und Investitionen fördernde Anreizstruktur schafften. Die Angebotsseite stand also im Fokus. Aktuell wird deshalb entscheidend sein, dass die Folgen der strukturellen Herausforderungen in Kombination mit der erwarteten Rezession sichtbar werden und so den Handlungsdruck auf die Politik erhöhen. Auch dieses Mal liegt die Lösung nicht in höheren Sozialausgaben und einem sich ausweitenden Haushaltsdefizit. Vielmehr sind Anreizstrukturen auf der Angebotsseite der Wirtschaft erforderlich.

Erste Folgen der Konjunktureintrübung sind bereits erkennbar. So steigt die Insolvenzquote bereits spürbar an. Auch ist die private Investitionsneigung am Standort Deutschland eher mau. Am effektivsten für Reformen wäre allerdings ein deutlicher Anstieg der Arbeitslosenquote. Solch eine Entwicklung ist allerdings angesichts des Fachkräftemangels und der demografischen Entwicklung eher unwahrscheinlich – zumindest kurzfristig. Ohne ausreichenden Druck aus Gesellschaft und Wirtschaft besteht das Risiko, dass die wirtschaftliche Gewitterlage nicht bei der Politik ankommt bzw. nicht deutlich wird, wie ernst die Lage ist.

Diese Sorge ist durchaus berechtigt. Schon seit Jahren wird in Deutschland von einem Investitionsstau gesprochen. Private wie staatliche Investitionen reichen bei weitem nicht aus, um den Kapitalbestand ausreichend auszuweiten. Dies gilt insbesondere aktuell, weil ein großer Teil des privaten Kapitalstocks aufgrund der Klimaziele abgeschrieben werden muss. Auch das Thema Fachkräftemangel ist bereits seit Jahren bekannt. Neben der stetig ansteigenden Erwerbsquote bei Frauen ist aber relativ wenig geschehen. Die Folge ist ein immer weiter sinkendes Potenzialwachstum. Der Anteil staatlicher Investitionen an den gesamten Staatsausgaben liegt in Deutschland bei ca. 5 % – und damit niedriger als in Italien, der OECD oder der EU. Der Staat trägt also wenig zur Transformation und Erneuerung der Wirtschaft bei – trotz ambitionierter Klimaziele und selbst zu Zeiten negativer Bundrenditen.

Aktuell lässt die hohe Inflation die Steuereinnahmen sprudeln. Einerseits ermöglicht das Steuerentlastungen und Investitionen. Aufgrund der sozialen Ziele in der Haushaltsplanung gehen die hohen Steuereinnahmen allerdings, ökonomisch gesehen, in die falsche Richtung. Auch hier scheint kein akuter Reformdruck zu bestehen. Dies offenbart sich auch im Wachstumschancengesetz. Denn mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein ist dieses Gesetz nicht. Dementsprechend betont die Bundesregierung auch, im Schatten einer angespannten Haushaltslage gebe es keinen Spielraum für spürbare Impulse. Dass die trotz hoher Steuereinnahmen angespannte Haushaltslage grundlegende Reformen auf der Ausgabenseite benötigt, wird weniger angesprochen.

Den Ernst der Lage nicht zu erkennen, führt zu einer falschen Sicherheit bzw. zu halbherziger Reformbereitschaft. Und private Investitionen werden, wenn sie denn im Schatten der Rezession überhaupt stattfinden, vor allem im Ausland getätigt. Deshalb könnte sich bei der erwarteten Konjunkturerholung in der zweiten Hälfte des Jahres 2024 die Investitionsdynamik nicht als der erhoffte dynamische Wachstumstreiber erweisen. In Folge dürfte die Erholung eher träge ausfallen und die Investitionsquote nicht in dem Maße ansteigen, wie es in vorigen Erholungsphasen zu erkennen war bzw. wie es die Transformation erfordert. Es besteht also die Gefahr, dass die geringe Reformbereitschaft dazu führen wird, dass die Investitionsdynamik selbst in einer konjunkturellen Erholungsphase eher schwach ausfallen wird. Die aktuelle Konjunktureintrübung belastet somit nicht nur den kurz- und mittelfristigen Wachstumspfad, sondern auch das Erreichen der Klimaziele.

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