[Consumer & Retail-Information vom 16. Oktober 2020]
Bis Weihnachten sind es noch etwas mehr als neun Wochen; doch für viele Fans von Computer- und Videospielen stehen die eigentlichen Feiertage bereits in knapp einem Monat an: Denn am 10. und 19. November 2020 kommt mit der „Xbox Series X“ von Microsoft sowie Sony‘s „Playstation 5“ die neueste Generation der Spielekonsolen auf den Markt. Bereits am ersten Tag nach Ankündigung der neuen Playstation und des damit verbundenen Startschusses für Vorbestellungen war das erste Kontingent in Deutschland ausverkauft. Auch das zweite Kontingent, freigegeben am 30. September 2020, war innerhalb weniger Stunden vergriffen, sodass viele potenzielle Käufer enttäuscht zurückblieben. Der Ansturm auf Produktneuheiten ist Sinnbild für eine Branche, die sich nunmehr seit vielen Jahren sowohl in Deutschland als auch global im Aufwind befindet.
Branche im Dauerboom: Corona beschleunigt das Wachstum zusätzlich
Der Gaming-Markt wächst seit Jahren kontinuierlich und deutlich. Zahlen des Branchenverbandes game zeigen, dass der Umsatz inkl. Hardware seit dem Jahr 2012 um mehr als 160 % gewachsen ist – von rund 2,4 Mrd. € auf mehr als 6,2 Mrd. € im Jahr 2019. Das entspricht einer jährlichen Steigerung von circa 14,5 %.
Einiges spricht dafür, dass auch 2020 ein Wachstumsjahr wird. Allein im ersten Halbjahr zog der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 27 % an und im zweiten Halbjahr folgen die eingangs erwähnten Produktneuerungen im Hardware-Segment sowie das ohnehin starke Weihnachtsgeschäft.
Dass das Plus in der ersten Hälfte des Jahres so deutlich ausgefallen ist, liegt zu großen Teilen an den Auswirkungen der Coronakrise. Social Distancing und Cocooning erfordern andere Formen der sozialen Interaktion und der Freizeitgestaltung; es wird vermehrt Geld in Videospiele oder neue Hardware investiert. Dies belegt auch eine Umfrage im Auftrag des Digitalverbandes bitkom, wonach Konsumenten nicht nur häufiger und länger spielen, auch ihre Zahlungsbereitschaft steigt.
Auf globaler Ebene steht die Branche ebenfalls hervorragend da. Laut einer Prognose des Gaming-Research Unternehmens Newzoo wird das Marktvolumen im Jahr 2023 umsatzseitig die Marke von 200 Mrd. $ übersteigen, nach rund 160 Mrd. $ im vergangenen Jahr.
In der Mitte der Gesellschaft angekommen
Xbox, Playstation und Co. sind längst kein Nischenmarkt mehr, wie der Blick auf die Branchenumsätze zeigt. Produktseitig wird diese Entwicklung nicht nur von den klassischen Umsatzbringern wie Hardware und Videospielen getragen. Ganz maßgeblich verantwortlich für die positive Entwicklung der Branche ist das Mobile-Gaming auf Smartphones und Tablets mit sogenannten Spiele-Apps, die in den vergangenen Jahren für einen deutlichen Umsatzschub gesorgt und das Thema Gaming in die Mitte der Gesellschaft gebracht haben.
Inzwischen spielen laut Verbandsangaben mehr als 34 Mio. Menschen in Deutschland Computer- und Videospiele, 36 % davon regelmäßig. Zudem sind es nicht nur Kinder und Teenager, die sich ihre Freizeit als Gamer vertreiben, sondern auch Konsumenten in mittleren und höheren Altersklassen. Das Durchschnittsalter der Gamer in Deutschland liegt mittlerweile bei 37,5 Jahren. Gaming wird nicht mehr als Hobby wahrgenommen, das junge Nutzer sozial isoliert. Im Gegenteil, immer mehr Spiele unterhalten die ganze Familie und eSport-Turniere sind ähnlich gut besucht wie Konzerte. Sie füllen große Veranstaltungshallen.
Weitere Wachstumsjahre stehen bevor
Für das Jahr 2020 erwartet die IKB in Deutschland ein Wachstum von über 20 %, geprägt von Sondereffekten und den im November anstehenden Produktneuheiten. Nach der außergewöhnlichen Dynamik in diesem Jahr wird die Branche im Jahr 2021 mit einer temporären Gegenbewegung rechnen müssen. Insbesondere für den Fall, dass sich das Infektionsgeschehen beruhigt, dürfte sich die Freizeitgestaltung wieder vermehrt auf Aktivitäten außerhalb der eigenen vier Wände verlagern.
Dennoch erwarten wir mittelfristig eine weiterhin positive Marktentwicklung, verstärkt durch neue Trends in der Branche. So stehen große Tech-Unternehmen wie Microsoft und Alphabet mit cloudbasierten Streaming-Angeboten bereit, die es ermöglichen sollen von deutlich mehr Endgeräten wie TV, Tablet oder Smartphone aus zu spielen. Die Einstiegshürden für das Gaming dürften so deutlich herabgesetzt werden: Die Rechenleistung verbleibt bei den Streaming-Anbietern, die Anschaffung von teurer Hardware wie PC und Konsole entfällt und entsprechend wächst die Zielgruppe um ein Vielfaches. Die Erwartungen an das Cloud-Gaming sind groß, da es dem ohnehin schon dynamisch wachsenden Markt weiteren Auftrieb geben könnte. Mit dem Technologiewechsel hin zum cloudbasierten Spielen würde die Branche den nächsten logischen Schritt gehen und ihr Geschäftsmodell nahezu vollständig digitalisieren. Die fehlenden Umsätze mit Hardware, die ohnehin vergleichsweise margenschwach ist, würden durch Abonnements und In-Game-Käufe bei deutlich mehr Spielern überkompensiert, so die Hoffnungen der Anbieter. Erfüllen sich die Erwartungen, wird die Branche in das nächste Level vorrücken.
Dennis Rauen ist Analyst in der Industriegruppe Consumer & Retail der IKB. Er ist involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank in den Branchen Konsumgüter und Handel. Nach dem Master of Science in Economics an der Universität zu Köln stieß er 2019 zur IKB. Während seines Studiums sammelte er Erfahrungen in der Wirtschaftsforschung und im Banking.
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