[FX-Präsentation vom 20. Juli 2022]
Es gibt wenig Argumente für eine kurzfristige Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar. Im Gegenteil, die Parität könnte durchaus getestet werden. Denn es wird immer unwahrscheinlicher, dass die EZB mit ihren Zinsanhebungen überraschen wird – auch bei erwarteten, eher kleinen Zinsschritten von 25 bp und 50 bp, die somit im überschaubaren Bereich liegen. Der Grund für das geringe Überraschungspotenzial liegt darin, dass die zögerliche EZB-Politik zunehmend Rückenwind durch die Konjunktur- und Inflationsdynamik bekommen sollte. So zeichnet sich eine Konjunktureintrübung bereits ab, und Rohstoffpreise kommen zunehmend unter Druck, was die Inflation spürbar senken wird. Die Fed hält hingegen noch an ihren ambitionierten Zinsanhebungen fest, auch weil die aktuellen Inflationsraten weiter nach oben überraschen.
Während das proaktive bzw. entschlossene Handeln der Fed dem US-Dollar kurzfristig viel Auftrieb gegeben hat, steigt nun im Schatten konjunktureller Risiken zunehmend die Gefahr einer Übertreibung der US-Notenbank, was Erwartungen hinsichtlich einer ersten US-Zinssenkung im Jahr 2023 stärken sollte. Dies wird dem Euro-Kurs Auftrieb geben. Zum einen, weil die EZB angesichts des nach wie vor niedrigen Zinsniveaus wohl kaum Zinssenkungen im kommenden Jahr in Betracht ziehen sollte und sich so das Differenzial zwischen US- und Bund-Renditen wieder einengen sollte. Zum anderen aber auch, weil die Sorge vor anhaltend steigenden Zinsen im Euro-Raum und ihre Folgen für die Schuldentragfähigkeit mancher Staaten im Schatten einer sinkenden Inflation an Bedeutung verlieren sollte.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen. Zudem kommentiert er regelmäßig konjunkturelle Entwicklungen in renommierten Wirtschaftsmedien und ist mit seinen pointierten Präsentationen häufiger Gast bei Verbänden und Unternehmen. Zuvor arbeitete Klaus Bauknecht in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium.
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