Zwar belastet die US-Außenpolitik den Exportausblick für die Euro-Zone. Eine deutliche fiskalische Stimulierung wird jedoch ab 2026 die Nachfrage stärken, während die Geldmenge einen erhöhten Inflationsdruck im Jahr 2026 andeuten könnte. Die IKB erwartet einen EZB-Einlagenzins von 2 % bis Mitte 2025. Wie lange er da verweilen wird, bleibt angesichts der aktuellen Unsicherheiten abzuwarten. Argumente – selbst für höhere Zinsen 2026 und 2027 – sind ebenfalls zu finden.

Inflationsziel grundsätzlich erreicht…
Die Inflationsraten im März sind erneut gesunken und lagen unter den erwarteten Werten. Für die Euro-Zone und Deutschland sind die Raten auf 2,2 % gefallen. Somit bleibt es plausibel, dass im weiteren Verlauf von 2025 monatliche Inflationszahlen von unter 2 % möglich sind. Und auch die Kerninflationsrate ist im März zurückgegangen. Sie lag im März bei 2,4 % für die Euro-Zone und bei 2,5 % für Deutschland. Ohne Zweifel ist für 2025 von einer Inflationsrate, die konsistent zum 2 %-Inflationsziel ausfällt, auszugehen.
… doch eine Notenbank muss vorausschauend sein
Ein Zug sollte nicht erst im Bahnhof bremsen, sondern bereits früher. Ähnliches gilt für die Geldpolitik: Sie muss vorausschauend handeln – insbesondere wegen des langen Transmissionsmechanismus, der nach Schätzungen zwei bis vier Quartale andauern kann. Die Frage für die Geldpolitik ist also weniger, wo die aktuelle Inflation liegt, da sie den Preisverlauf der letzten 12 Monate spiegelt. Entscheidend ist vor allem die zukünftige Entwicklung. Also ab Mitte 2025 wird es für die EZB wichtig sein, wie sich die Inflationsdynamik vor allem im Verlauf von 2026 entwickeln könnte.
Unsicherheit über Konjunkturverlauf und Inflationsdruck im Jahr 2026
Erhebliche Unsicherheit besteht über den Konjunkturverlauf. Noch betont selbst die EZB ein nach unten gerichtetes Konjunkturrisiko, was für weitere Zinsschritte unter das neutrale Niveau von 2 % hindeutet. Dies gilt vor allem aufgrund der US-Außenpolitik. Während diese in den USA für eskalierende Inflationserwartungen sorgt, sollten die Implikationen für die Euro-Zone eher deflationär sein. Schließlich verzeichnet die Euro-Zone einen Handelsbilanzüberschuss, und die globale Nachfrage ist ein wichtiger Impuls für ihre konjunkturelle Erholung. Doch gerade die globale Konjunktur wird durch die US-Außenpolitik belastet – nicht zuletzt aufgrund des schwächeren US-Wachstums. Allerdings deuten Schätzungen auf einen überschaubaren Einfluss auf das deutsche BIP-Wachstum hin. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund der angekündigten fiskalischen Stimulierungsmaßnahmen. So dürfte die deutsche Exportnachfrage 2025 und 2026 insbesondere aufgrund des niedrigen globalen Wachstums weiter unter Druck bleiben (s. Zukunft des deutschen Exportmodells: Wen interessieren Zölle?). Die Binnennachfrage wird allerdings vom Staat deutlich stimuliert werden.
Fiskalpolitik deutet perspektivisch auf Inflationsdruck hin…
Europa braucht in erster Linie eine Investitionsoffensive (siehe Draghi-Report), die das Potenzialwachstum bzw. die Produktivität steigert und damit Preisdruck reduziert. Europa geht jedoch einen anderen Weg. Höhere Staatsausgaben sorgen in erster Linie nicht für höhere Produktivität, sondern vor allem für eine höhere Nachfrage. Infolge und trotz der globalen Konjunkturrisiken wurden die BIP-Prognosen deutlich nach oben revidiert. Laut Bloomberg-Konsens wird für die Euro-Zone nun ein Wachstum von 1,3 % im Jahr 2026 erwartet. Bei einem geschätzten Potenzialwachstum der Euro-Zone, das zwischen 1 % und 1,5 % liegt, signalisiert dies ein erhöhtes Inflationsrisiko. So mag zwar die Exportnachfrage durch die US-Außenpolitik belastet werden, die Binnennachfrage erhält aber Impulse und stärkt damit die Konjunktur spürbar. Doch der Inflationsdruck sollte nicht überbetont werden, da mit einem spürbaren Anstieg der Importe zu rechnen ist. Dennoch muss ohne eine Ausweitung des Angebots die Nachfrageseite zunehmend im Fokus der Geldpolitik stehen. So scheint angesichts einer expansiven Fiskalpolitik kaum Raum für eine zusätzlich expansive Geldpolitik zu bestehen.
… ebenso wie die Geldmengenentwicklung
Grundsätzlich besteht erhebliche Unsicherheit. Die Kreditvergabe und Geldmenge im Euro-Raum zeigen jedoch eine klare Wende. Und auch wenn die aktuellen Wachstumsraten noch eher überschaubar sind und bisher kein überschüssiges Wachstum andeuten, gilt hier ebenfalls die Frage, wie das Geldmengenwachstum im Jahr 2026 verlaufen wird, und ob eine monetäre Stimulation dann noch notwendig ist.
Auch wenn es keine direkte Verbindung zwischen Geldmengenwachstum und Inflation gibt, bestätigt Abb. 2 dennoch die Einschätzung, dass der Raum für eine expansive Geldpolitik im Jahr 2026 eher überschaubar bzw. unnötig ist. Schließlich ist die effektive monetäre Ausrichtung gemessen am Geldmengenwachstum bereits zunehmend expansiv.
Neutrale geldpolitische Ausrichtung ab Mitte 2025
Die aktuellen Zahlen stärken die Erwartung weiterer Zinssenkungen der EZB, da das aktuelle Niveau des EZB-Einlagenzinses auf eine eher restriktive Geldpolitik hindeutet. Bei einer Inflation von 2 % und einem BIP-Wachstum unter Potenzial ist eine expansive Ausrichtung nicht gerechtfertigt.
Weitere Zinssenkungen auf 2 % bis Mitte 2025 werden die Inflationsentwicklung in diesem Jahr kaum beeinflussen. Die Motivation ist, die Geldpolitik neutral auszurichten. Damit würde die EZB den erheblichen Unsicherheiten und Risiken für den Ausblick 2026 und 2027 gerecht werden. Eine Notenbank sollte in unsicheren Zeiten eher eine neutrale Ausrichtung verfolgen, um das Risiko einer Destabilisierung durch die Geldpolitik zu reduzieren. Auch wenn sich Notenbanken oft und auch trotz des langen Transmissionsmechanismus gegen den Wind stellen, müssen sie gerade in unsicheren Zeiten einen Anker der Stabilität darstellen. Dies bezieht sich nicht nur auf die Inflationsentwicklung, sondern auch auf Zinsänderungen.
Der neutrale Zinssatz liegt nach EZB-Schätzung aktuell real bei 0,0 % bzw. nominal bei 2 %. Abb. 3 zeigt auf dieser Basis den mit der Taylor-Regel und IKB-Prognosen für Inflation sowie BIP-Wachstum berechneten EZB-Zinssatz. Dieser fluktuiert 2025 und 2026 um die 2 %. Im IKB-Basisszenario würde sich also kein Raum für EZB-Zinssenkungen unter das neutrale Niveau ergeben. Sicherlich besteht viel Unsicherheit über den Inflations- und vor allem Wachstumsverlauf. Auch mag der Zinssatz vor allem in Krisenzeiten von den geschätzten Werten deutlich abweichen ebenso wie sich die Schätzung für den neutralen Zinssatz anpasst. Gerade dieser sollte sich in den kommenden Jahren jedoch weiter nach oben bewegen (siehe Veränderte Megatrends und US-Außenpolitik – vieles spricht für höhere Zinsen).
Einschätzung und Zinsausblick
Die IKB erwartet zwei weitere EZB-Zinssenkungen um 25 bp bis Mitte 2025 und danach angesichts vieler Unsicherheiten eine Pause. Bewahrheiten sich die Inflationsrisiken aufgrund der expansiven Fiskalpolitik, besteht Auftriebspotenzial für die Zinsen ab der zweiten Hälfte 2026. Unterstützt wird diese Einschätzung von der Gefahr eines ansteigenden neutralen Gleichgewichtszinssatzes.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen. Zudem kommentiert er regelmäßig konjunkturelle Entwicklungen in renommierten Wirtschaftsmedien und ist mit seinen pointierten Präsentationen häufiger Gast bei Verbänden und Unternehmen. Zuvor arbeitete Klaus Bauknecht in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium.
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