[Healthcare, Pharma, Chemicals-Information vom 6. April 2023]

Die Transformation der Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität ist so notwendig wie teuer. Die KfW rechnet mit Kosten von ca. 5 Billionen € bis zum Jahr 2045. Die Unternehmensberatung Boston Consulting Group hat in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie errechnet, dass allein in Deutschland Mehrinvestitionen von 860 Mrd. € getätigt werden müssen, damit die Zwischenziele des Jahres 2030 erreicht werden können. Obwohl der Staat und die Europäische Union die Transformation auch monetär unterstützen, wird der Großteil der Kosten von privatwirtschaftlichen Unternehmen getragen werden müssen. Die Chemieindustrie besetzt mit ihrer umfassenden Wertschöpfungskette und ihrem großen Einfluss auf Scope-3-Emissionen ihrer Kunden eine Schlüsselstelle im Streben nach Klimaneutralität. Sind die Unternehmen gewappnet, um diesen Herausforderungen auch finanziell begegnen zu können?

Verschuldungsgrade steigen leicht an

Eine der wichtigen Kennzahlen für Finanzinvestoren ist der Netto-Verschuldungsgrad. Dieser setzt sich zusammen aus den Finanzverbindlichkeiten abzüglich der liquiden Mittel und teilt diesen Wert durch das operative Ergebnis vor Abschreibungen, Zinsen und Steuern (EBITDA). Die Kennzahl gibt somit an, in wie vielen Jahren das Unternehmen seine Finanzverbindlichkeiten unter Berücksichtigung der liquiden Mittel und des operativen Ergebnisses zurückzahlen könnte. Der Netto-Verschuldungsgrad ist nicht die einzige Kennzahl, um die mögliche Finanzkraft eines Unternehmens zu bewerten, aber sie verschafft einen ersten Überblick. Rating-Agenturen beziehen den Netto-Verschuldungsgrad in ihre Bewertungen von Unternehmen ein. Je nach Agentur hat die Kennzahl ein Gewicht von ca. 10 % in der finalen Scorecard. Aus den Finanzdaten der börsengelisteten deutschen Chemieunternehmen aus DAX, MDAX und SDAX ergibt sich für den Zeitraum von 2010 bis 2022 im Median ein Nettoverschuldungsgrad von 1,3 x. Für das Jahr 2022 liegt der Median der betrachteten Unternehmen bei 1,6 x, also über dem Schnitt der letzten12 Jahre Jahre. Die höchsten Werte haben wir im Mittel in den Jahren 2018 (1,9 x), 2019 (2,0 x) und 2020 (2,1 x) beobachtet, hier jedoch in erster Linie aufgrund eines Rückgangs des operativen Ertrags. Laut den jeweils neusten Abschlüssen der betrachteten Unternehmen liegt der höchste Netto-Verschuldungsgrad bei 2,4 x (Bayer AG) und der niedrigste im nicht-messbaren Bereich, da viele große und kleine Mittelständler mit sehr starker Bilanz eine negative Netto-Verschuldung aufweisen. Nichtsdestotrotz liegen die beobachteten Verschuldungsgrade in Deutschland deutlich unter den Werten, die vor allem im angelsächsischen Ausland beobachtet werden können. Somit zeigen viele deutsche Chemieunternehmen eine eher konservative Finanzierungsstruktur.

Herausforderungen im operativen Geschäft seit 2018

Sprunginvestitionen, Unternehmenskäufe und operative Herausforderungen können den Netto-Verschuldungsgrad erhöhen. Dies sieht man an den ansteigenden Kennzahlen für 2018 und 2019, in denen die deutsche Chemieindustrie schrumpfende EBITDAs zu verzeichnen hatte. Die Akquisition von Monsanto durch Bayer wurde etwa zu einem Großteil über Fremdkapital finanziert. Der Anstieg im operativen Ergebnis konnte die neue Verschuldung nicht ausgleichen, sodass seit 2017 ein deutlich höherer Netto-Verschuldungsgrad zu verzeichnen ist. Dies kann Unternehmen in der Neuaufnahme von Fremdkapital negativ beeinflussen und die Investitionsfähigkeit beeinträchtigen. Eine Auswertung von durch Moody’s bewertete Unternehmen hat ergeben, dass sie mit dem Rating ‚A‘ im Schnitt einen Netto-Verschuldungsgrad von 1,2 x aufweisen, Unternehmen mit dem Rating ‚Baa‘ einen Grad von 2,1 x. Demnach befinden sich die deutschen Chemieunternehmen im Mittel bei dieser Kennzahl im guten Investment-Grade-Bereich und haben somit noch Finanzierungskapazität, um die Transformation aktiv angehen zu können.

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Dennis Rheinsberg
Direktor und Head des Sektorteams Energy, Utilities & Resources
E-Mail: dennis.rheinsberg@ikb.de