[Kapitalmarkt-News vom 12. September 2024]
Fazit: Die EZB hat wie erwartet ihren Einlagenzins um 25 bp gesenkt und hält Markterwartungen von weiteren Zinssenkungen aufrecht. Trotz einer graduellen Konjunkturerholung in der Euro-Zone besteht nach wie vor Raum für die EZB, den Einlagenzinse im laufenden und nächsten Jahr weiter zu senken auf ein geldpolitisch neutrales Niveau zwischen 2,0 und 2,5 % – allerdings jeweils nur um 25 bp-Schritte. Das lange Ende der Zinskurve wird hiervon wenig profitierten. Im Gegenteil: Ein Zögern der EZB könnte 10-jährigen Bundrenditen Auftrieb geben.
Zwei weitere Zinssenkungen in diesem Jahr zu erwarten
Wie erwartet hat die EZB ihren Einlagenzinssatz um 25 bp auf 3,5 % gesenkt; zwei weitere Zinsschritte um jeweils 25 bp sind im Jahr 2024 sehr wahrscheinlich. Wie bereits im März angekündigt, wird ab dem 18. September der Zinssatz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte so angepasst, dass der Abstand zum Einlagensatz auf 15 bp verringert wird. Der Abstand zwischen dem Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte und dem für die Spitzenrefinanzierungsfazilität bleibt unverändert bei 25 bp. Damit liegen diese Zinssätze nun bei 3,65 % bzw. 3,9 %. Für die Restriktivität der Geldpolitik ist aufgrund der Überschussliquidität im Bankensystem der Einlagensatz entscheidend. Die stärkere Senkung der beiden anderen Sätze sollte also keine nennenswerte geldpolitische Wirkung haben.
Langes Ende der Zinskurve unbeeindruckt
Die Erwartung für weitere Zinssenkungen sind robust, da das Einlagenzinsniveau doch deutlich über dem neutralen Zinsniveau liegt und somit eine spürbare geldpolitische Straffung darstellt. Denn aktuelle Schätzungen der EZB deuten auf einen neutralen realen Zinssatz von 0,0 % hin. Ein nominaler Einlagenzins von 2 % würde demnach ein neutrales Zinsniveau spiegeln. Somit hat die EZB auch im Jahr 2025 Raum für Zinssenkungen. Das lange Ende der Zinskurve befindet sich allerdings bereits seit Längerem im neutralen Territorium und eine weitere Korrektur ist nicht zu erwarten. Ein langfristiger Leitzins von um die 2 % würde bei dem aktuellen Niveau der 10-jährigen Bundrenditen von 2,2 % eher für etwas Auftrieb am langen Ende sorgen. Dennoch ist von einer Normalisierung der Zinskurve vor allem durch das kurze Ende im Verlauf von 2025 auszugehen. Kurzfristig bleibt entscheidend, dass die EZB keine Zweifel über weitere Zinssenkungen aufkommen lässt. So besteht trotz der erwarteten Zinssenkungen eher ein Aufwärtsrisiko für das lange Ende. 10-jährige Bundrenditen von unter 2 % wären nur im Falle von einer sich deutlich eintrübenden Konjunktur fundamental nachvollziehbar.
Zinsschritte von 50 bp unwahrscheinlich
Während in den USA Zinsschritte von 50 bp durchaus möglich sind, bleibt dies für die Euro-Zone eher unwahrscheinlich. Denn anders als bei der Fed, die die US-Wirtschaft durchaus stützen muss, besteht für die EZB hierfür kein Handlungsdruck. Im Gegenteil: Die Erholung der europäischen Wirtschaft darf nicht zu schnell an Fahrt gewinnen, damit das Risiko von Zweitrundeneffekten überschaubar bleibt. Auch die deutsche Wirtschaft sollte sich im Jahr 2025 leicht beleben und damit den allgemeinen europäischen Erholungskurs weniger stark abbremsen. So hat die EZB im Gegensatz zur Fed nur Raum für eine Normalisierung der Geldpolitik, nicht aber für eine Stimulierung der Wirtschaft.
Inflation im Jahr 2025 über 2 % unkritisch
Die volkswirtschaftlichen Prognosen der EZB entsprechen größtenteils der Konsensmeinung. Die EZB erwartet ein BIP-Wachstum von 0,8 % im Jahr 2024 und 1,3 % im Jahr 2025. Beides dürfte immer noch unter dem Potenzialwachstum der Euro-Zone liegen und so den Normalisierungsprozess der Geldpolitik nicht ausbremsen. Was die Inflation angeht, erwartet die EZB weiter eine durchschnittliche Rate im kommenden Jahr von leicht über 2 %. Dies wird als weniger kritisch gesehen, da laut einer EZB-Studie das Risiko von zunehmenden Inflationserwartungen begrenzt ist; denn laut EZB sind Inflationserwartungen fest bei 2 % verankert. Die Inflationsprognose ist allerdings mit Risiken behaftet – nach oben wie unten. Auf der einen Seite herrscht Unsicherheit über die weitere Lohnentwicklung und damit das Ausmaß von Zweitrundeneffekten. Zum anderen mag eine schwache globale Entwicklung die Rohstoffpreise und Gewinnmargen von Unternehmen unter Druck setzen. Somit wäre auch eine durchschnittliche Inflationsrate von unter 2 % für das kommende Jahr denkbar.
Einlagenzinssatz zwischen 2,0 % und 2,5 % Ende 2025
Die Bedeutung einer Inflationsrate von knapp über oder unter 2 % sollte für die Geldpolitik nicht überbetont werden. Die Inflationsrate wird im Jahr 2025 konsistent mit dem Inflationsziel von 2 % sein – davon kann mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden. Der Raum für eine Normalisierung der Geldpolitik besteht demnach, auch wenn die Inflationsrate leicht über dem Ziel liegen sollte. Die IKB erwartet eine Inflationsrate von 2,5 % im Jahr 2024 und 2,3 % im kommenden Jahr. Für den Einlagenzins geht die IKB von 3 % Ende 2024 und zwischen 2,0 % und 2,5 % Ende 2025 aus. Das lange Ende der Zinskurve sollte über 2,2 % liegen.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen. Zudem kommentiert er regelmäßig konjunkturelle Entwicklungen in renommierten Wirtschaftsmedien und ist mit seinen pointierten Präsentationen häufiger Gast bei Verbänden und Unternehmen. Zuvor arbeitete Klaus Bauknecht in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium.
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