[Kapitalmarkt-News vom 13. Dezember 2018]
Steigende Unsicherheit und zunehmende Risiken für den Konjunkturausblick 2019 scheinen die EZB nicht von ihrem Kurs abzubringen. So hat sie in der heutigen Sitzung beschlossen, das Ankaufprogramm – wie im Verlauf von 2018 oftmals betont – auslaufen zu lassen. Auch die Aussage zur Zinsentwicklung hat sich nicht geändert: Die Leitzinsen bleiben mindestens über den Sommer 2019 und in jedem Fall so lange wie erforderlich auf ihrem aktuellen Niveau. So bestätigt sich die Erwartung, dass mit einer Beendigung der negativen Zinspolitik in der zweiten Hälfte von 2019 durchaus gerechnet werden kann.
Die EZB betonte, dass sie jegliche Fälligkeiten ihres Anleiheportfolios noch für eine lange Zeit und über den Zeitpunkt hinaus reinvestieren wird, wenn sie mit der Erhöhung des Leitzinses beginnt. Diese Entscheidung war einstimmig. Die EZB wird bei den Reinvestitionen die Gewichtung der Kapitaleinlagen der nationalen Staaten berücksichtigen, um sicherzustellen, dass das Portfolio konsistent zu den gültigen Kapitalschlüsseln sein wird. Im Allgemeinen werden deshalb die Fälligkeiten der Anleihen einzelner Länder durch Reinvestition in diese Länder ersetzt. Im Falle von privaten Anleihen ist die Marktkapitalisierung entscheidend. Draghi betonte, dass die Liquiditätsbereitstellung durch langfristige Refinanzierungen (TLTRO) ein weiteres Werkzeug der EZB darstellt; er hat sich allerdings nicht zu einer Aussage über Details bewegen lassen. Allerdings bekräftige er, dass das Ankaufprogramm auch in Zukunft ein integraler Teil des Instrumentenkastens der EZB darstellt.
Mit dem heute angekündigten Kurs wurde allgemein gerechnet. Denn auch wenn die Wachstums- und Inflationsprognosen für 2019 mit höherem Risiko verbunden sind, war es doch eher unwahrscheinlich, dass die EZB zu einer offiziellen Veränderung ihrer Einschätzung und Betonung kommen wird. In der Pressekonferenz wurde allerdings deutlich, dass die aktuelle Stimmungseintrübung der Wirtschaft und den Prognosen durchaus ein Thema für die EZB war. Grundsätzlich erachtet die EZB das Prognoserisiko zwar weiter als ausgeglichen, bekräftigte jedoch die Gefahr steigenden Konjunkturrisiken. Somit ist ein hohes Maß an geldpolitische Stimulierung weiter nötig. Aktuelle realwirtschaftliche Daten scheinen auch etwas schwächer auszufallen als erwartet. Allerdings haben sektorspezifische temporäre Themen (der Automobilsektor in Deutschland) ebenfalls eine Rolle gespielt. Dennoch kann gemäß Draghi von einem höheren allgemeinen Risiko bzw. einem hohen Maß an Unsicherheit ausgegangen werden. In diesem Zusammenhang betonte er, dass die EZB durchaus handlungsfähig sei, sollte sich die wirtschaftliche Entwicklung deutlich verschlechtern. Wie gewohnt bekräftigte Draghi die Notwendigkeit struktureller Reformen in der Euro-Zone, die Entwicklung von fiskalischen Puffern und die Umsetzung der Bankenunion.
Wie von der IKB erwartet, hat die EZB ihre Inflationsprognose für 2019 nach unten revidiert. Sie erwartet nun eine Inflationsrate von 1,6 % (vorher 1,7 %). Für die Geldpolitik und die erwartete Beendigung der Negativzinspolitik in 2019 ändert dies wenig, da es die Inflationsrate von 2020 sein wird, die für geldpolitische Entscheidungen im nächsten Jahr von Relevanz sein sollte. Für 2020 erwartet die EZB eine unveränderte Inflationsrate von 1,7 % und für 2021 von 1,8 %. Grundsätzlich bleibt das globale Wachstum in Takt und stützt das europäische Exportwachstum. Die EZB geht von einem BIP-Wachstum in 2019 von 1,7 % für die Euro-Zone aus (vorher 1,8 %). Sie hat damit ihre vorherige Prognose marginal nach unten angepasst. Für 2020 erwartet die EZB unverändert ein BIP-Wachstum von 1,7 % und für 2021 von 1,5 %.
Fazit: Auch wenn die EZB an ihrem geldpolitischen Kurs und ihren Wachstumsprognosen grundsätzlich festhält, ist in den aktuellen Aussagen Draghis zunehmende Unsicherheit über den zukünftigen Konjunkturverlauf der Euro-Zone zu erkennen. Die IKB bleibt bei ihrer Einschätzung, dass in den nächsten Jahren abgesehen von der Beendigung der Negativzinspolitik in 2019 wenig Raum für deutliche Leitzinsanhebungen ist. Mit einer Reduzierung des Anleiheportfolios der EZB ist auf Sicht nicht zu rechnen.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Zudem lehrt der promovierte Volkswirtschaftler an der Nelson Mandela University in Südafrika. Zuvor arbeitete er in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen.
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