[Kapitalmarkt-News vom 16. Dezember 2021]

Fazit: Während Notenbanken weltweit an der Zinsschraube drehen oder ihr Ankaufvolumen deutlich zurückfahren, tut sich die EZB mit dem Ausstieg aus ihrer ultra-lockeren Geldpolitik schwer. Sie wird zwar ihre Netto-Ankäufe im Verlauf des Jahres 2022 reduzieren, ihre Bilanz wird sie aber dennoch weiter ausweiten. Zinsanhebungen, welche die BoE bereits umsetzt und die Fed in Aussicht stellt, scheint die EZB frühestens 2023 vornehmen zu wollen.

Hohe Schuldenquoten haben die Wirkung des EZB-Zinshebels auf die Wirtschaft vergrößert, vor allem, wenn die EU-Fiskalregeln weiterhin bindend sind und auch umgesetzt werden. Die Gefahr, die EZB könne wegen ihres zögerlichen Einstiegs in den Ausstieg „hinter die Kurve fallen“ bzw. der Inflationsentwicklung hinterherlaufen, ist deshalb gering – zumindest aus aktueller Sicht. Dies gilt, obwohl die Inflationsrate im kommenden Jahr größtenteils über dem Inflationsziel liegen wird.

Notenbanken weltweit reißen das Ruder herum, …

Weltweit vollziehen Notenbanken aktuell eine geldpolitische Wende. So haben in den letzten sechs Wochen über 20 Notenbanken die Zinsen angehoben, vor allem in Schwellenländern. Dafür verantwortlich sind Inflations- sowie Konjunkturdynamiken. Denn auch wenn die vierte Corona-Welle kurzfristig das Wirtschaftswachstum bremst, ist der Einfluss der aktuellen Infektionswelle auf die Konjunktur eher überschaubar. Hohe Impfquoten und die mittlerweile vorhandene Infrastruktur für Infizierte, Impfungen und Tests verringern die Notwendigkeit eines generellen Lockdowns bei steigenden Infektionsraten. Die Pandemie hinterlässt ihre Spuren aber auch in der Inflationsrate. Denn das Angebot von Dienstleistungen ist weiterhin eingeschränkt, während die Nachfrage nach Gütern deutlich über dem Vor-Corona-Niveau liegt. Beides führt zu Preisdruck. Zudem deuten Erzeugerpreise auf beiden Seiten des Atlantiks weiterhin auf Inflationsdruck bei den Verbraucherpreisen hin, was noch ein paar Monate andauern dürfte. Die Risiken sind somit weiter und trotz der bereits hohen Inflation nach oben gerichtet.

Doch nicht nur Notenbanken von Schwellenländern vollziehen eine geldpolitische Wende. Die Fed hat in ihrer jüngsten Sitzung beschlossen, die Rückführung ihrer Anleiheaufkäufe zu beschleunigen. Sie dürfte deshalb im März 2022 ihre Anleihekäufe vollständig beenden, was den Weg frei machen würde für mehrere, wenn auch kleine Zinsschritte im Jahr 2022. Auch die Bank of England hat ihre Zinsen um 15 bp auf 0,25 % angehoben, ein Schritt der eigentlich erst für Anfang 2022 erwartet worden war. So versuchen die meisten Notenbanken aus der ultralockeren Geldpolitik zügig auszusteigen, trotz der generellen Einschätzung, der Inflationsanstieg sei nur temporär. Die Sorge, bei der aktuellen geldpolitischen Ausrichtung bestehe eine zunehmende Gefahr „hinter die Kurve zu fallen“ bzw. der Inflationsentwicklung hinterherzulaufen, ist sicherlich ein Grund für den derzeitigen Aktionismus.

… doch die EZB nimmt sich die Zeit, nur in kleinen Schritten vorzugehen  

Die Argumente gelten auch für die EZB, die im aktuellen Zyklus der globalen geldpolitischen Wende ein klarer Nachzügler ist. Denn die Inflationsrate in der Euro-Zone hat ebenso überrascht wie in den USA; und auch in der Euro-Zone herrscht noch Preisdruck. Doch sollte die aktuelle Inflationsrate die Geldpolitik zum Handeln nötigen? Schließlich können Notenbanken Rohstoffpreis- oder Lohnerhöhungen nur begrenzt beeinflussen. Doch darum geht es nicht. Vielmehr ist entscheidend, die Zweitrundeneffekte und damit einen anhaltenden Anstieg der Inflationsrate zu verhindern. Und dies kann die EZB durch eine Straffung erreichen, die das Geldmengenwachstum reduziert bzw. die Nachfrage in der Wirtschaft abkühlt. Denn ohne eine robuste Nachfrage sind Inflationsspiralen nicht möglich. Der aktuelle Konjunkturausblick sowie die Fiskalpolitik in der Euro-Zone deuten auch im kommenden Jahr – in dem die EU-Fiskalregeln weiterhin ausgesetzt sind – auf ein anhaltend robustes Nachfragewachstum, was Zweitrundeneffekte wahrscheinlicher macht.

Doch die hohen Schuldenquoten haben den Hebel der EZB-Geldpolitik vergrößert. Anders ausgedrückt: Zinsen werden niedrig bleiben müssen, und dies erfordert nicht unbedingt eine expansive Geldpolitik. Bereits eine moderate Zinsanhebung wird die Fiskalpolitik nötigen, auf Konsolidierungskurs einzuschwenken. So sollte die Sorge, die EZB laufe der Inflationsentwicklung hinterher, nicht überbetont werden. Denn zum einen bedarf es nur moderater Zinsanhebungen, um die Nachfrage zu beeinflussen; und zum anderen hat sich der geldpolitische Transmissionsmechanismus reduziert. Das Argument, ein langer und ineffizienter Transmissionsmechanismus erfordere ein frühes Agieren der Notenbank, ist angesichts des aktuellen Zusammenspiels von Geld- und Fiskalpolitik zu vernachlässigen.

So wirkt der aktuelle Transmissionsmechanismus nicht nur relativ kurzfristig, sondern auch besonders effizient, da steigende Zinsen die Staaten der Euro-Zone schnell auf Konsolidierungskurs bringen sollten. Die eigentliche Frage in der Euro-Zone ist allerdings, ob die Fiskalpolitik auf eine straffere Geldpolitik tatsächlich entsprechend reagieren wird. Würde sie dies nicht tun, weil sie erwartet, dass die EZB die Finanzierung der Staaten sicherstellt, könnte die Euro-Zone ein Inflationsproblem bekommen, vor allem, wenn der fiskalische Spielraum durch Änderungen der EU-Haushaltsregeln erhöht wird. Dieses Risiko ist jedoch zu relativieren. Schließlich ist eine expansive Geldpolitik vor allem dann nötig, wenn die Nachfrage nicht ausreicht, was wiederum für eine niedrige Inflation spricht. Allerdings mag das Jahr 2022 eine Ausnahme sein, weil viele Staaten weiterhin versuchen werden, eine Fiskalpolitik zu betreiben, die sich am Krisenmodus orientiert. Auch das ist ein Grund, warum die Inflationsrate im Jahr 2022 weiter nach oben überraschen könnte.

Einschätzung: Angesichts der hohen staatlichen Schuldenquoten kann die EZB selbst bei einer moderaten geldpolitischen Wende einen spürbaren Einfluss auf die Realwirtschaft ausüben. Deshalb ist Vorsicht geboten – im Timing wie beim Ausmaß. Voraussetzung für eine geldpolitischen Wende sollte allerdings sein, dass die Staaten mit Konsolidierung auf Zinsanstiege reagieren. Dies wird im Jahr 2022 weniger der Fall sein. Deshalb ist die EZB gut beraten, eine Beendigung der außerordentlich unterstützenden Maßnahmen in Aussicht zu stellen. Eine vollständige Beendigung der Ankäufe bereits Anfang nächsten Jahres – wie es die Fed anvisiert – ist in Europa jedoch noch nicht notwendig. Denn bereits eine spürbare Reduzierung würde dem langen Ende der Zinskurve ausreichend Auftrieb geben.

Heutige EZB Sitzung

Die EZB ist zumindest ansatzweise dem globalen Trend gefolgt und hat eine Neuausrichtung ihrer Geldpolitik in Aussicht gestellt. Mehr war allerdings auch nicht erwartet worden. Sie hat heute angekündigt:

  • Die PEPP-Ankäufe werden im ersten Quartal 2022 reduziert und Ende März 2022 auslaufen. Reinvestitionen von Fälligkeiten des PEPP-Programms werden allerdings bis mindestens Ende 2024 – und damit ein Jahr länger als vorher geplant – vollständig reinvestiert. Diese Ankäufe werden auch genutzt, um Fragmentierungen im Markt entgegenzuwirken.
  • Das APP-Ankaufvolumen wird mit dem Auslaufen von PEPP kurzfristig aufgestockt. Anstatt 20 Mrd. € pro Monat werden im zweiten Quartal 2022 40 Mrd. € und im dritten Quartal 2022 30 Mrd. € angekauft. Ab dem vierten Quartal 2022 beträgt das Ankaufvolumen wieder 20 Mrd. € pro Monat. Die EZB bestätigt demnach, dass auch im gesamten Jahr 2022 Anleihen gekauft werden. Zusammen mit der vollständigen Reinvestition von Tilgungen entspricht dies auch im Jahr 2022 einer weiteren graduellen Bilanzausweitung der EZB.
  • Die Zinsen bleiben unverändert. Allerdings hat die EZB eine Überprüfung/Neukalibrierung der Verzinsung von überschüssigen Reserven angekündigt. Ziel ist es zu verhindern, dass die Kosten aus der negativen Verzinsung von immer größeren überschüssigen Reserven die intermediäre Rolle von Banken belasten.
  • Die EZB erwartet eine Auflösung der Lieferprobleme im kommenden Jahr und eine Normalisierung des Konsums sowie der Energiekosten. Dennoch wird die durchschnittliche Inflationsrate im Jahr 2022 höher ausfallen und für den größten Teil des Jahres über dem Inflationsziel liegen. Wie erwartet, hat die EZB ihre Inflationsprognosen vor allem für 2022 nach oben angepasst. So geht die Notenbank nun von einer Inflationsrate in der Euro-Zone von 2,6 % im Jahr 2021 und von 3,2 % im Jahr 2022 aus. Für 2023 und 2024 erwartet sie eine Inflationsrate von 1,8 %, was nur marginal unter dem Inflationsziel von 2 % liegt. Frühere Prognosen gingen von einer Inflationsrate deutlich unter dem Inflationsziel aus.

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