[Kapitalmarkt-News vom 27. Oktober 2022]

Fazit: Die EZB holt auf und hat ihre Zinsen, wie erwartet, um 75 bp angehoben. Das Zinsniveau mag zwar immer noch nicht auf einem neutralen Niveau angelangt sein; die effektive Geldpolitik wirkt allerdings schon straffer. Denn die reale Geldmenge in der Euro-Zone sinkt, vor allem aufgrund der hohen Inflation, aber auch wegen der nachlassenden Kreditnachfrage.

Auch braucht es keine weiteren spürbaren Zinsanhebungen, um diese Nachfrage weiter zu dämpfen. Dafür sorgen bereits die sich eintrübende Konjunktur und der Immobilienmarkt. Eine expansive Fiskalpolitik könnte diese Entwicklung jedoch durchkreuzen.

Die IKB erwartet eine Beendigung der EZB-Zinserhöhungen spätestens Mitte 2023, bei einem Einlagenzinsniveau von dann um oder unter 3%. 

Die Zinserhöhung der EZB um 75 bp war allgemein erwartet worden. Angesichts der anhaltend hohen Inflation und der Risiken aus Zweitrundeneffekten muss die EZB größere Schritte vollziehen, um schneller in ein neutrales Zinsumfeld zu gelangen. Noch ist sie dort sicherlich nicht angelangt, sodass auch im Dezember von einer weiteren Zinsanhebung um mindestens 50 bp auszugehen ist. Auch dies entspricht größtenteils der Konsensmeinung. Folglich sollte der Einlagenzinssatz zum Jahresende bei 2 % liegen. Weniger eindeutig ist hingegen das Zinsniveau, welches im Jahr 2023 erreicht wird, bzw. auf welchem Niveau der neutrale Zinssatz der EZB liegt. Dieser ist sicherlich keine Konstante, sondern wird durch Angebots- und Nachfragethemen bestimmt. So haben Angebotsschocks in Form von Lieferengpässen und Rohstoffpreisanstiegen zu einem höheren neutralen Zinssatz geführt – schließlich muss in einem solchen Umfeld die Nachfrage reduziert werden, um das Gleichgewicht in der Wirtschaft wieder herzustellen. Noch immer hält sich die EZB bedeckt, inwieweit sie eine Rezession als notwendig ansieht, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Stattdessen ist nach wie vor ihr vorrangiges Ziel, so schnell wie möglich zu einem neutralen Zinssatz zu gelangen bzw. die expansive Geldpolitik zu beenden. Doch die Rezession ist eigentlich schon da – und dies aufgrund der hohen Inflation, die die Kaufkraft belastet und weniger infolge von Zinsanhebungen.

Ein großer Unsicherheitsfaktor für den zukünftigen Zinsverlauf bleibt die Fiskalpolitik. Reagieren die Euro-Staaten mit einer expansiven Politik auf die Rezession, wird dies höhere bzw. länger andauernde hohe Zinsen erfordern. Denn eine expansive Fiskalpolitik verwässert die Effektivität einer geldpolitischen Straffung. Doch nicht nur die Zinsen, sondern auch der Devisenkurs bestimmt das notwendige Ausmaß der geldpolitischen Straffung. Dies gilt insbesondere für offene Volkswirtschaften wie die der Euro-Zone. So hat die Abwertung des Euro seit Anfang 2022 auch die Effektivität der Zinsanhebungen verwässert. Dass die geldpolitische Ausrichtung grundsätzlich restriktiver geworden ist, lässt sich allerdings klar an der Geldmengenentwicklung erkennen. Zwar hält sich das nominale Wachstum der Kreditvergabe im Jahresvergleich noch robust; im Quartalsvergleich ist jedoch eine spürbare Abkühlung und sogar ein absoluter Rückgang zum Beispiel bei Wohnungsbaukrediten zu erkennen. Auch die Kreditnachfrage für Investitionen stand im dritten Quartal gemäß dem Bank Lending Survey der EZB unter Druck. Zwar bleibt der Working-Capital-Bedarf infolge hoher Vorleistungskosten hoch. Mit einer sich eintrübenden Konjunktur wird sich aber auch diese Nachfrage relativieren. Für eine Einschätzung der Effektivität der Geldpolitik ist allerdings die reale und nicht die nominale Geldmenge von Bedeutung.

Die hohe Inflation hat im Jahresvergleich zu einem absoluten Rückgang der realen Geldmenge geführt. Die Geldmenge wächst also langsamer als die Verbraucherpreise in der Euro-Zone steigen. Sie wächst auch um einiges langsamer als das nominale BIP. Dies ist ein klares Indiz für eine spürbar straffere Geldpolitik. Nun ist entscheidend, dass die nominale Geldmenge nicht nachziehen wird und so Zweitrundeneffekte und ursprüngliche Inflationsimpulse weiter finanziert. Die jüngsten Entwicklungen bei der Finanzierung von Immobilien und Unternehmensinvestitionen lassen hoffen, dass dies nicht der Fall sein wird – auch weil die die Banken ihre Kreditvergabestandards bereits im dritten Quartal 2022 deutlich verschärft haben. Die Geldpolitik ist also nicht nur wegen der vollzogenen Zinsanhebungen straffer geworden, sondern vor allem aufgrund einer negativen realen Geldmengenveränderung.

Auch wenn die Beziehung zwischen Inflation und Geldmengenwachstum eher instabil ist: Die aktuellen Entwicklungen der realen Geldmenge zeigen zusammen mit den weiter zu erwartenden Zinsanstiegen und der wirtschaftlichen Schwächephase eine relativ eindeutige Entwicklung: Der Inflationsdruck wird spürbar nachlassen. Die Inflationsrate wird im Jahr 2023 nicht nur aufgrund von Basiseffekten sinken, für 2024 bleibt eine Inflationsrate unter dem Inflationsziel durchaus eine Möglichkeit. Die EZB ist deshalb gut beraten, Mitte nächsten Jahres ihre geldpolitische Straffung zu beenden. Im Schatten einer Rezession sowie bereits einer gemessen an der realen Geldmenge deutlich strafferen Geldpolitik erscheint ein Einlagenzins von über 3 % dann weniger wahrscheinlich. Raum für kurzfristige Zinssenkungen sollte es bei dem bis dahin sich entwickelnden Zinsniveau jedoch auch nicht zu geben. Eine expansive Fiskalpolitik zur Stützung der Konjunktur bleibt allerdings ein nennenswertes Risiko für das ultimative Zinsniveau in der Euro-Zone. 

Kernpunkte der Pressemeldung bzw. Konferenz:

  • Wie erwartet, hat die EZB ihre Zinsen um 75 bp angehoben. Der Einlagenzinssatz liegt nun bei 1,5 %.
  • Mindestreserven der Banken bei der EZB werden nun ebenfalls mit dem Einlagenzinssatz verzinst.
  • Alle Fälligkeiten aus den verschiedenen Ankaufprogrammen der EZB werden weiterhin reinvestiert. Im Falle des PEPP-Programms gilt dies bis mindestens Ende 2024. Weitere Details sollen in der nächsten Sitzung im Dezember bekannt gegeben werden.

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