[Kapitalmarkt-News vom 28. Oktober 2021]

Fazit: Wie erwartet hält die EZB an ihrem aktuellen Kurs fest, trotz der zunehmenden Nervosität von Finanzmärkten und Realwirtschaft über den zukünftigen Inflationsverlauf. Doch die Notenbank kann steigende Renditen und Inflationserwartungen nicht ignorieren – auch wenn sie das Inflationsrisiko als eher temporär einschätzt.

Der Aussage, eine vorausschauende Notenbank hätte bereits gehandelt, begegnet die EZB, indem sie die Kurzfristigkeit der aktuellen Inflationstreiber betont sowie ihren Fokus auf die mittelfristige Inflationsentwicklung unterstreicht. Die EZB will also Zweifel an der Richtigkeit ihrer Passivität mit Argumenten ausräumen. Ob dies bei einer weiter steigenden Inflationsrate ausreicht, bleibt abzuwarten.

Fakt ist, die Inflation wird im Jahr 2022 höher ausfallen, als die Notenbank noch in den September-Prognosen erwartet hatte. Spätestens beim Dezember-Treffen scheinen deshalb erste konkrete Taten für einen Ausstieg aus der ultra-lockeren Geldpolitik unausweichlich. 

Handlungsdruck steigt – doch was muss konkret geschehen?

Inflationserwartungen steigen – auf den Finanzmärkten wie auch in der Realwirtschaft. Die deutsche Zinskurve verläuft aufgrund der höheren langfristigen Renditen steiler. Für die EZB ist dies eine weniger erfreuliche Entwicklung. Denn der Kurvenverlauf signalisiert die Gefahr, die Notenbank könne womöglich „behind the curve“ geraten. Die Märkte sind also besorgt, dass die Notenbank der Inflationsentwicklung hinterherläuft. Früher hätte eine anziehende Teuerung – wenn sie denn anhält – zu einer Reaktion bzw. Überreaktion der Notenbank geführt. Zinsen wurden erhöht, um langfristige Inflationserwartungen wieder einzufangen und so die Zinskurve wieder zu verflachen. Überreagiert die Notenbank, mag die Kurve sogar kurzfristig invers werden.

Ist es also an der Zeit, dass sich die EZB zu einer „normaleren Geldpolitik“ bekennt und zumindest die Parameter des PEPP-Programms ändert, um der zunehmenden Unsicherheit über die zukünftige Inflation entgegen zu wirken? Da PEPP ein Krisenprogramm ist, ist eine Neugestaltung sicherlich unausweichlich und im Kontext der Konjunktur- und Inflationsrisiken angebracht. Allerdings wird die EZB für solch einen Schritt die nächsten Inflationsprognosen im Dezember abwarten. Auf die aktuelle Inflation hat sie sowieso keinen Einfluss und für den mittelfristigen Pfad bleibt ihr noch relativ viel Zeit. Dies liegt zum einen an ihrem Fokus auf einen nachhaltigen Inflationsanstieg. Zum anderen an den hohen Schuldenquoten in der Euro-Zone, die den Einfluss von steigenden Zinsen auf die Realwirtschaft und die Nachfrage erhöht haben. So ist ein deutlich kleinerer Zinsanstieg notwendig, um das lange Ende der Zinskurve wieder „einzufangen“ und Inflationserwartungen zu stabilisieren als im Falle von niedrigeren Schuldenquoten (siehe IKB-Kapitalmarkt-News 7. Oktober 2021).

Unsicherheit über den zukünftigen Inflationsverlauf und steigende Inflationserwartungen kann die EZB jedoch nicht ignorieren. Dies hat weniger damit zu tun, dass diese Erwartungen den Preisbildungsprozess und damit die Lohnentwicklung beeinflussen können; es geht vielmehr um ihre Glaubwürdigkeit und damit die Effektivität ihrer Geldpolitik. Schließlich hat die EZB ein Inflationsziel von 2 %. Wenn also Unklarheit besteht, dann nur über das Niveau der Zinsen, nicht aber über den mittel- bis langfristigen Inflationsverlauf. Da die Inflationserwartungen seit Jahren immer unter dem Inflationsziel liegen, sollte der jüngste Anstieg nicht überbetont werden. 

Doch eine steilere Zinskurve aufgrund höherer langfristiger Zinsen bedeutet auch eine geldpolitische Straffung. Schließlich sind 10-jährige Bundrenditen im Vergleich zu Ende August inzwischen um 40 Basispunkte gestiegen, auch wenn am aktuellen Rand Konjunktursorgen wieder mehr ins Gewicht fallen. Angesichts der Konjunkturrisiken besteht die Lösung jedoch nicht in einer weiteren geldpolitischen Straffung. Vielmehr geht es darum, die Marktsorgen vor steigenden Zinsen und Inflation zu besänftigen. Dazu dienen die Hinweise der EZB auf Konjunkturrisiken und die temporäre Natur des aktuellen Inflationsanstiegs sowie ihre unzweifelhafte Bereitschaft zu handeln. Im Dezember und mit neuen und voraussichtlich höheren Inflationsprognosen für 2022 muss sie aber dann Taten folgen lassen, zumindest was die Zukunft des PEPP-Programms angeht.

Inflationseinschätzung

Aktuell wird viel über Stagflation gesprochen, also eine Konjunktureintrübung bei gleichzeitig steigender Inflation. Die EZB – so das Argument – könne in diesem Umfeld durch eine geldpolitische Straffung wenig erreichen, da der kurzfristige Inflationsdruck nicht durch eine überhitzte Nachfrage getrieben ist. Es geht jedoch um den mittelfristigen Inflationsanstieg und damit um die Folgen des aktuellen Preisschocks. Denn die hohe Geldmengenausweitung in der Euro-Zone könnte dafür sorgen, dass ein einmaliger Preisanstieg sehr wohl zu einer nachhaltig höheren Inflation wird. Grundsätzlich braucht es allerdings anhaltend hohes Nachfragewachstum, um die Inflation auf ein höheres Niveau zu heben. Und gerade dies ist wegen der hohen Schuldenquoten nicht zu erwarten. So mag zwar die Inflation auch im Jahr 2022 höher ausfallen. Eskalierende Inflationssorgen sind jedoch unangebracht, Sorgen über Geldentwertung dagegen schon. Die IKB erwartet eine Inflationsrate in Deutschland von 3,2 % in diesem Jahr und von 2,6 % für das Jahr 2022. Im November und Dezember 2021 sollte die Inflationsrate auf über 5 % ansteigen.

Punkte aus der Pressekonferenz

  • Die EZB betonte erneut, die Inflationsrate werde in Folge des Kostendrucks – etwa bei Energiepreisen –, aber auch aufgrund einer sich erholenden Nachfrage in den kommenden Monaten weiter steigen, bevor sie im Verlauf von 2022 nachlässt. Auch dürfte sie länger auf einem höheren Niveau bleiben, als ursprünglich erwartet. Dies bedeutet, dass die EZB ihre Inflationsprognose im Dezember 2021 zumindest für 2022 nach oben anpassen wird, eine Anpassung der PEPP-Rahmenbedingungen ist also zu erwarten. Allerdings geht die EZB weiterhin von einer Abschwächung aller aktuellen Inflationstreiber im kommenden Jahr aus. Langfristig bleibt der aktuelle Inflationsausblick demnach unter dem Inflationsziel der EZB von 2 %.
  • Das BIP der Euro-Zone sollte das Vor-Corona-Niveau Ende 2021 erreichen; doch Lieferengpässe belasten das produzierende Gewerbe. Alles in allem erwartet die EZB eine eher positive Konjunkturentwicklung. Sie betont aber, der Arbeitsmarkt habe noch einen langen Erholungsweg vor sich hat. Das Konjunkturrisiko ist ausgeglichen.
  • Die EZB teilt die Einschätzung, dass Märkte aktuell eher überreagieren. Diese Sichtweise ist nicht überraschend, alles andere hätte eine konkrete geldpolitische Reaktion mit sich bringen müssen.
  • Die EZB bestätigt, dass beim Dezember-Treffen Maßnahmen nach dem Auslaufen des PEPP-Programms im März 2022 auf der Agenda stehen.

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