[Kapitalmarkt-News vom 11. April 2024]
Fazit: Die Gefahr von Zweitrundeneffekten lässt sich angesichts einer abzeichnenden Konjunkturerholung und anhaltend hoher Lohnforderungen nur schwer greifen. Aktuell liegt der Einlagenzinssatz jedoch mindestens 100 bp über dem neutralen Zinssatz. Anders als in den USA ergibt sich für die EZB deshalb ein klares Fenster für Zinssenkungen – zumindest in der zweiten Jahreshälfte 2024. Wie tief der Einlagenzinssatz im Jahr 2025 fallen könnte, ist schwer zu sagen. So könnte er auf einem Niveau von um die 3 % verweilen, sollte die zyklische Konjunkturerholung positiv überraschen. Die IKB erwartet mindestens drei Zinsschritte ab Juni von je 25 bp.
Die EZB wird die Zinsen im Juni senken. Das ist inzwischen Konsens. Für den Einlagenzinssatz wird eine Senkung bis zum Frühjahr 2025 auf ein Niveau von 3 % erwartet. Zinsschritte von 25 bp sind angemessen, da es sich um eine Normalisierung der Geldpolitik handelt und es kein kurzfristiger Versuch der EZB sein wird, die geldpolitische Ausrichtung spürbar zu ändern. Bei der überschaubaren Gefahr von Zweitrundeneffekten durch Lohndruck besteht also kein Handlungsdruck, die Geldpolitik schnell in einen expansiven Modus zu bringen und ambitionierte Zinssenkungen einzuleiten. Graduelle Zinsschritte sind aufgrund zunehmender Anzeichen einer globalen zyklischen Erholung aber auch anhaltend hoher Lohnforderungen notwendig. Denn gerade mit einer zyklischen Erholung könnten sich Zweitrundeneffekte verstärken – in Abhängigkeit der Erholungsdynamik der europäischen Wirtschaft.
Jüngste Inflationszahlen aus den USA bestätigen, dass ohne eine Abkühlung der Wirtschaft die geldpolitischen Ziele nicht zu erreichen sind. Beides – niedrige Inflation und hohes Wachstum – ist aktuell nicht möglich, weil das Potenzial für Zweitrundeneffekte aus der Zeit hoher Inflation immer noch besteht. Es braucht eine straffe Geldpolitik, um die Wirtschaft abzukühlen und die zunehmende unterliegende Inflationsdynamik zu bremsen. Dies gilt gerade in den USA, wo der Arbeitsmarkt weiterhin angespannt ist. So muss sich die US-Wirtschaft abkühlen, bevor die Fed überzeugend agieren kann. In der Euro-Zone ist das Bild etwas klarer, obgleich auch hier der Arbeitsmarkt und Fachkräftemangel die Sorge vor hohen Lohnanstiegen durchaus rechtfertigen. Die Wirtschaft stagniert allerdings schon länger, die Geldmenge auch. Das jüngste Bank Lending Survey der EZB bestätigt eine maue Kreditnachfrage im ersten Quartal 2024 vor allem bei Unternehmen. Somit sollte sich die realwirtschaftliche Lage mehr und mehr in einer schwächeren Lohnentwicklung zeigen. Dennoch besteht in der Euro-Zone und gerade in Deutschland nach wie vor die Gefahr, dass der Lohndruck vor allem aus dem Dienstleistungssektor für eine erhöhte unterliegende Inflation sorgen wird. Dies wiederum deutet auf einen höheren Gleichgewichtszinssatz hin – selbst mittelfristig. Die EZB kann dennoch im Jahr 2024 den Fuß etwas von der Bremse nehmen. Denn ein Einlagenzinssatz von um die 3 % signalisiert alles andere als eine expansive Geldpolitik. Je nachdem, wo der Gleichgewichtszinssatz in der Euro-Zone liegt, sind also bis zu 100 bp Zinssenkungen möglich.
Weiterhin wird allgemein von einer mittelfristigen Inflation von über 2 % ausgegangen. Zinssenkungen bei einer Inflationsrate über 2 % mögen diese Einschätzung bestätigen und damit Zweifel an der Handlungsbereitschaft der EZB bzw. ihrer Bereitschaft das Mandat der Preisstabilität zu erfüllen, festigen. Die genannten Sorgen rund um Zweitrundeneffekte könnten dies noch verstärken, vor allem bei einer sich aufhellenden Konjunktur. Die Inflationsrate in der Euro-Zone dürfte im dritten Quartal 2024 sogar kurz unter die 2 %-Marke fallen. Für die EZB gibt es also ab Juni und insbesondere im dritten Quartal ein Fenster für Zinssenkungen von insgesamt zwischen 75 und 100 bp. Wieviel der Einlagenzinssatz im Jahr 2025 weiter fallen könnte, ist angesichts der Unsicherheiten schwer zu sagen. So könnte er auch für längere Zeit auf einem Niveau von um die 3 % verweilen, sollte die zyklische Konjunkturerholung positiv überraschen.
Punkte aus der Pressekonferenz und Einschätzungen der EZB:
- Der Inflationsdruck aus dem Dienstleistungssektor bleibt hoch, während Erzeugerpreise weiter zurückgehen. Der Lohndruck sollte ebenfalls nachlassen.
- EZB-Präsidentin Lagarde bestätigte, dass sich ohne negative Überraschungen Raum für eine Veränderung der geldpolitischen Ausrichtung der EZB anbahnt. Wie gewohnt, betonte sie auch das uneingeschränkte Bekenntnis zum Inflationsziel. Bestätigen die Juni-Makro-Prognosen die aktuellen Einschätzungen der EZB, wäre eine erste Zinssenkung angebracht.
- Noch immer sind nach Meinung der EZB die Wachstumsrisiken abwärtsgerichtet. Geopolitische Spannungen sind hingegen eine Gefahr für höhere Inflation.
- Die jüngsten US-Inflationszahlen haben keinen direkten Einfluss auf die EZB-Politik. Aber US-Inflationsprognosen beeinflussen die EZB-Prognosen für Wachstum und Inflation.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen. Zudem kommentiert er regelmäßig konjunkturelle Entwicklungen in renommierten Wirtschaftsmedien und ist mit seinen pointierten Präsentationen häufiger Gast bei Verbänden und Unternehmen. Zuvor arbeitete Klaus Bauknecht in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium.
Genauso ist es dann auch gekommen. Es gab eine Senkung um 25 Basispunkte. Wir hoffen mal, dass die EZB jetzt erst einmal eine Pause macht. Mit um die 3,00% könnte man noch geradeso leben. Trotzdem hoffe ich, dass die IKB mit dieser Prognose nicht recht hat.
Die IKB bietet immerhin noch über 3,00% für Festgeld, hat allerdings nur noch 2 kurze Laufzeiten mit 3 und 6 Monaten (Ich beziehe mich auf das Angebot bei WeltSparen)