[Kapitalmarkt-News vom 14. Juni 2018] Wie erwartet, hat die EZB in ihrer jüngsten Sitzung die Beendigung ihres Aufkaufprogramms bekanntgegeben. So wird die EZB ihr Aufkaufvolumen ab September von aktuell 30 Mrd. € pro Monat auf 15 Mrd. € reduzieren und Ende 2018 vollständig beenden. Die EZB wird auch das aktuelle Zinsniveau der Hauptrefinanzierungsgeschäfte, für die Spitzenrefinanzierungsfazilität und die Einlagefazilität unverändert bei 0,00 %, 0,25 % bzw. -0,40 % belassen und zwar noch bis mindestens Sommer 2019. Dies ist das erste Mal, dass die EZB ein konkretes Datum für eine mögliche Zinsänderung nennt bzw. sich über den zukünftigen Verlauf der Zinspolitik zeitlich festlegt. Die europäische Notenbank wird zudem alle Fälligkeiten ihres Anleihebestands wieder reinvestieren, sodass sich die EZB-Bilanz in Folge der heutigen Ankündigung zwar nicht weiter ausweitet, allerdings auch nicht schrumpfen sollte. Sie will diese Reinvestitionen noch für einen ausgeweiteten Zeitraum umsetzen. Draghi betonte, dass die Geldpolitik immer noch und weiterhin außerordentlich unterstützend ist und bleiben wird.
Mit der heutigen Ankündigung hat die EZB eine sicherlich noch lange andauernde Wende in der Geldpolitik eingeleitet. Doch um zu verhindern, dass die Renditemärkte zu stark reagieren, relativiert die EZB diese Entscheidung durch ihre Kommentierung. Dies ist nicht unüblich. Wann immer die EZB in jüngster Zeit eine geldpolitische Straffung in Aussicht gestellt hat, wurde diese Entscheidung durch Kommentare Draghis „entschärft“, vor allem in der Pressekonferenz, – zumindest was ihren Einfluss auf die Erwartungen und damit die Renditemärkte angeht. Somit verhindert die EZB eine unerwünschte bzw. überzogene Straffung ihrer Geldpolitik. Auch in der heutigen Pressenveröffentlichung wurde mehrere Male betont, dass die eingeleitete Wende immer in Abhängigkeit zu wirtschaftlichen Entwicklung zu sehen ist.
Der Fokus der Pressekonferenz lag unter anderem auf den schwächeren Konjunkturdaten und was diese womöglich für die geldpolitische Wende bedeuten könnten. Gerade die Auswirkungen viel diskutierter Themen wie die Abkühlung der Konjunktur im Währungsraum in den letzten drei Monaten dieses Jahres, der verschärfte Handelskonflikte zwischen den USA, der Europäischen Union sowie anderen Ländern und die für Konflikte sorgende europakritische Koalition aus Fünf-Sterne-Bewegung und rechtspopulistischer Lega in Italien waren immer wieder Punkte, die Draghi mit Blick auf die EZB-Geldpolitik zu erklären hatte. Der grundsätzliche Tenor Draghis ist, dass die EZB trotz dieser Gefahren das Prognoserisiko für die Inflation und die Konjunktur als ausgeglichen ansieht.
Die Konjunkturindikatoren sind relativ schwach, deuten aber weiterhin auf Wachstum. Zudem betonte Draghi die Sorge vor steigender finanzieller Volatilität sowie einem möglichen Handelsstreit, was die Risiken für den Konjunkturverlauf hat steigen lassen. Erneut plädierte Draghi für Strukturreformen, den Aufbau eines fiskalischen Puffers sowie eine Bankenunion. Dennoch sieht die EZB die Wachstumsdynamik der europäischen Wirtschaft trotz der aktuellen Eintrübung und der gestiegenen Risiken weiter auf Kurs. Der Arbeitsmarkt stützt den privaten Konsum, die Investitionen der Unternehmen und der Immobilienmarkt bleiben robust. Deshalb erwartet die EZB ein BIP-Wachstum von 2,1 % in 2018 (zuvor 2,4 %) und 1,9 % in 2019 (zuvor 1,9 %). Was die Inflation in der Euro-Zone angeht, so erwartet die EZB nun eine Inflationsrate von 1,7 % in 2018 (zuvor 1,4 %) und 1,7 % in 2019 (zuvor 1,4 %). Die höheren Preissteigerungen 2018 und 2019 sind vor allem auf den gestiegenen Ölpreis zurückzuführen.
Ein weiteres Thema in der Pressenkonferenz war – nicht überraschend – die Möglichkeit eines Zinsanstiegs in der zweiten Hälfte von 2019 und hier besonders die Frage, was denn genau mit Sommer 2019 gemeint sei. Auch hier verwies die EZB auf die verfügbaren Daten zur gegebenen Zeit, die die mittelfristigen Konjunktur- und Inflationsentwicklung des EZB-Rats bestätigen müssten und lies sich zu keiner konkreten Aussage hinreißen. Dennoch kann von einem ersten Schritt hin zu einer Zinswende mit der heutigen Pressekonferenz ausgegangen werden.
Fazit
Die EZB hat nicht nur wie erwartet die Beendigung ihres Aufkaufprogramms Ende 2018 in Aussicht gestellt. Sie hat auch die Möglichkeit von steigenden Zinsen in der zweiten Jahreshälfte von 2019 betont und dabei den Stein bzgl. einer möglichen Zinswende ins Rollen gebracht. Entscheidend bleibt allerdings wie immer die Konjunkturlage. Diese zeigt im Moment jedoch eine sich abschwächende Dynamik. Die IKB geht weiterhin von einem Ende negativer Zinsen in 2019 aus.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Zudem lehrt der promovierte Volkswirtschaftler an der Nelson Mandela University in Südafrika. Zuvor arbeitete er in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen.
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