Euro-Dollar-Wechselkurs: Achterbahn voraus?

[Kapitalmarkt-News vom 15. Oktober 2018]

Fed hat Fenster für weitere Zinsanhebungen …

Die Stimmung von Unternehmen und Konsumenten in den USA ist hervorragend, und das BIP-Wachstum liegt über Potenzial: Die Rahmenparameter für die US-Wirtschaft geben der Fed also viel Raum, die Zinsen anzuheben – auch weil mit tendenziell steigendem Lohndruck die Inflationsrate auf Sicht weiter steigen sollte. Und als ob dies noch nicht genug ist, erweitert Trumps Handelspolitik den Spielraum der Fed weiter. Denn höhere Zölle könnten zu steigenden Importpreisen führen, was wiederum Inflationsdruck erzeugt – vor allem angesichts der aktuellen Kaufkraft der US-Konsumenten. Die Fed agiert somit aktuell in einem außerordentlich unterstützenden Umfeld, was ihr Raum für die Normalisierung ihrer Geldpolitik verschafft. Da die USA zudem eine relativ geschlossene Volkswirtschaft darstellen, die vor allem durch den privaten Konsum getragen wird, haben globale Entwicklungen nur begrenzten Einfluss auf die US-Konjunktur.

Dieses Umfeld mag sich allerdings relativ schnell ändern, vor allem wenn die Effekte der US-Steuersenkungen nicht den erhofften nachhaltigen Wachstumseffekt mit sich bringen – wovon auszugehen ist, da die effektive Steuerlast für die US-Wirtschaft bereits vor den jüngsten Maßnahmen relativ niedrig und somit keine bedeutende Wachstumsbremse war. Die Fed sollte bis Ende 2019 die Zinsen weiter stetig anheben; eine Einschätzung, die sie gemäß jüngster Aussagen zu teilen scheint. Das sollte die Fed-Funds-Rate im Jahr 2019 auf ein Niveau von 3,0 % bis 3,5 % bringen. Doch darüber hinaus sollte die Fed relativ wenig Spielraum haben. Es bedarf keiner bedeutenden Eintrübung bei der US-Konjunktur, damit die Fed von weiteren Zinsanstiegen absieht. Eine Wachstumsdelle im Jahr 2020 wäre sicher ausreichend, während eine bedeutende Wachstumsverlangsamung Zinssenkungen der Fed für 2020 wahrscheinlich machen. Diese Risiken scheinen auch die Renditemärkte zu spiegeln.

10-jährige US-Renditen haben inzwischen ein Niveau von 3,25 % erreicht. Bei einer aktuellen Fed-Funds-Rate von 2,25 % ist die US-Zinskurve jedoch weiterhin relativ flach. Bei einer Fed-Funds-Rate von über 3 % 2019 mag sicherlich noch Luft nach oben bis auf ein Niveau zwischen 3,5 % und 4 % sein. Doch aufgrund der erwarteten Konjunkturrisiken im Jahr 2020 sollten sich solche Niveaus nicht lange halten können. Die US-Zinskurve wird also eher flach bleiben bzw. sogar flacher werden. Doch selbst kurzfristig ist kaum Platz für weitere deutliche Renditeanstiege. Die Korrektur an den Renditemärkten in den letzten Wochen zeigt eine Anpassung der Erwartungen, denen die US-Konjunktur nun erst einmal gerecht werden muss. So mögen die Konjunkturdaten weiterhin gut sein. Anhaltend positive Überraschungen, die zu erneuten Korrekturen bei den Erwartungen der Zinsmärkte führen, sollten allerdings angesichts der oftmals auf Rekordniveau stehenden Stimmungs- und Konjunkturindikatoren ausbleiben. Nur die US-Inflationsrate könnte noch nach oben überraschen, was allerdings den bereits erwarteten Weg der Fed eher bestätigen sollte, als dass eine ambitioniertere Straffung zu erwarten ist.

… doch für die EZB kommt das zu früh

Für die EZB sind die US-Entwicklungen nur teilweise positiv. Zwar stützt die US-Wirtschaft die globale Konjunktur und somit auch die Exporte aus der Euro-Zone. Gleichzeitig stärkt die geldpolitische Straffung der Fed den US-Dollar. Auf der anderen Seite mag die Fed spätestens Ende 2019 ihre Zinsanstiege stoppen – vor allem, wenn sich Trumps Stimulierungspolitik als von eher kurzfristiger Wirkung erweist. So besteht durchaus die Möglichkeit, dass die Fed ihr angestrebtes oder finales Zinsniveau erreicht hat, bevor die EZB überhaupt eine erste Zinsanhebung ins Auge fassen kann. Eine erwartete Wachstumsverlangsamung in den USA im Jahr 2020 könnte das Fenster für eine europäische geldpolitische Wende deutlich einengen. Denn wenn die Fed die Zinsen nicht weiter anheben wird oder sie gar senkt, kann auch die EZB ihre Zinsen, wenn überhaupt, nur sehr begrenzt anheben, da dies zu einer deutlichen Aufwertung des Euro führen würde. Das wiederum würde gegen die Wachstums- wie auch Inflationsprognosen der EZB wirken und eine geldpolitische Straffung nach sich ziehen.

Neben der EZB-Geldpolitik und Inflationserwartungen bleiben US-Renditen wichtiger Bestimmungsfaktor für Bundrenditen. Schätzungen gehen davon aus, dass ein Anstieg von 10 bp bei US-Renditen deutsche Renditen um etwa 5 bis 7 bp ansteigen lässt. So hat auch der jüngste, deutliche Anstieg der US-Zinsen zur Korrektur bei Bund-Renditen geführt, obwohl der europäische Konjunkturverlauf aktuell größere Risiko aufweist. Ausweitende Risikoprämien haben diese Entwicklung für Italien noch verschärft. Aktuell hat sich eine effektive Straffung der europäischen Zinspolitik ergeben, die sicherlich nicht von der EZB gewünscht ist. Sie will durch verbale Kommunikation und angestrebte Re-Investition eher eine relativ flache Zinskurve sicherstellen. Die Kombination von steigenden Renditen und sinkenden Wachstumserwartungen bzw. steigenden Konjunkturrisiken für Deutschland und die Euro-Zone hat zudem die Bewertungen im DAX unter Druck gesetzt.

Ausblick Euro-Dollar-Wechselkurs: Kurzfristige Abwertungsrisiken resultieren aus der EZB-Geldpolitik und Italiens Wirtschaftspolitik, …

Devisenkurse sind generell kaum zu modellieren und zu prognostizieren. Theorien wie die der Kaufkraftparität sind nur als langfristiger Anker von Bedeutung (siehe IKB-Kapitalmarkt-News Kaufkraftparität: Kein guter Indikator für Devisenkursentwicklungen), während die Geldpolitik der letzten Jahre die als robust angenommenen Beziehungen von Variablen wie Zinsen und Devisenkurse oftmals deutlich verändert hat. Das Zinsdifferenzial aber auch die italienischen Risikoprämien bleiben dennoch entscheidende Treiber des Euro-Dollar-Wechselkurses.

Die italienischen Risikoprämien spiegeln, wie die Märkte den Zusammenhalt der Euro-Zone bzw. die zukünftige EZB-Politik einschätzen. Die Entwicklungen in Italien haben gezeigt, dass sich die Märkte nicht davor scheuen, Risiken einzelner Euro-Länder länderspezifisch zu beurteilen. Die Ausweitung der italienischen Risikoprämien hat das verdeutlicht. Das zeigt: die Euro-Zone wird nach Jahren konjunktureller Erholung und EZB-Niedrigzinspolitik immer noch als Baustelle wahrgenommen. Eine konjunkturelle Abschwächung, ausweitende Defizite und erneut steigende Schuldenquoten würden die Schuldentragfähigkeit vieler Euro-Länder in Frage stellen und ein hohes Konfliktpotenzial innerhalb der Euro-Zone offenbaren.

Aktuell haben steigende US-Renditen zur weiteren Ausweitung des Zinsdifferenzials zwischen US- und Bundrenditen geführt, was für einen stärkeren US-Dollar sprechen würde. Die ausweitenden Risikoprämien Italiens verstärken diesen Trend. Da weder die US-Renditen kurzfristig nach unten korrigieren sollten, noch die abzusehende Herabstufung Italiens durch die Ratingagenturen Ende Oktober bewirken wird, dass sich die aktuelle italienische Wirtschaftspolitik ändert, wird der Druck auf den Euro-Dollar-Wechselkurs zunehmen. Eine hohe Schuldenquote, schwaches Wachstum, ein hoher Refinanzierungsbedarf von rund 270 Mrd. € im Jahr 2019, die Herabstufung der Bonität, steigende Renditen und eine uneinsichtige Politik sind perfekte Voraussetzungen für eine eskalierende italienische Staatsschuldenkrise. So ist selbst das Risiko einer deutlichen Abwertung des Euro während der nächsten zwölf Monate nicht zu unterschätzen.

… weichen aber mittelfristig dem Risiko einer Euro-Aufwertung

Doch es besteht nicht nur ein kurzfristiges Abwertungsrisiko für den Euro, mittelfristig ist ein Aufwertungsrisiko nicht unwahrscheinlich. Denn wenn die Entwicklung des US-Leistungsbilanzdefizits Trumps Maßstab für den Erfolg der US-Handelspolitik bleibt, wird die amerikanische Regierung früher oder später den Druck auf den US-Dollar erhöhen. Die angekündigten Zölle werden weiterhin nicht ausreichen, um eine angemessen große Preisveränderung von importieren Gütern sicherzustellen. Um die US-Leistungsbilanz zu verbessern, ist – wie in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre unter Trumps Vorbild Reagan – eine bedeutende Abwertung des US-Dollar erforderlich. Will Trump folglich das primäre Ziel seiner Handelspolitik erreichen, wird er über kurz oder lang vom Erfolg seiner aktuellen Maßnahmen enttäuscht werden. Dann wird sich sein Fokus zwangsläufig auf den US-Dollar richten. Steigt also im Jahr 2020 angesichts einer nachlassenden Konjunktur sowie einer bevorstehenden US-Präsidentschaftswahl der Druck auf Trump, Erfolge bei der Entwicklung der Leistungsbilanz vorweisen zu müssen, könnte sich dies vor allem in einer US-Politik niederschlagen, die mit Nachdruck eine Abwertung des US-Dollar betreibt. Die Geldpolitik der Fed, die zu diesem Zeitpunkt ihre Straffung bereits beendet haben sollte bzw. eine Zinssenkung möglicherweise ins Auge fasst, würde diese Politik zusätzlich stützen.

Fazit

Kurzfristig spricht viel für eine relative Stärke des US-Dollar gegenüber dem Euro. Die Fed wird weiterhin die graduelle, aber kontinuierliche Straffung ihrer Zinspolitik fortsetzen, während die EZB noch mindestens bis Mitte Sommer 2019 Zinserhöhungen vermeiden wird. Denn die aktuellen Konjunkturdaten der Euro-Zone sind alles andere als überzeugend. Vor allem zunehmende Zweifel an der italienischen Schuldentragfähigkeit werden das Abwertungsrisiko des Euro im nächsten Jahr steigen lassen.

Mittelfristig nimmt hingegen die Wahrscheinlichkeit einer US-Abwertungspolitik zu. Denn US-Präsident Trump wird sein Ziel einer deutlichen Verbesserung der US-Leistungsbilanz mit der aktuellen US-Handelspolitik nicht erreichen. Dadurch könnte sich die US-Regierung im Jahr 2020 im Falle einer nachlassenden Konjunktur und angesichts anstehender Präsidentschaftswahlen genötigt sehen, eine Abwertung des US-Dollar zu forcieren. Nicht nur Devisenkurse von Schwellenländern, sondern auch der Euro könnte deshalb in den kommenden beiden Jahren einer erhöhten Volatilität ausgesetzt sein.

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