[Consumer & Retail-Information vom 23. Februar 2023]

Das Jahr 2023 kann sicher als drittes Ausnahmejahr in Folge für den deutschen Einzelhandel bezeichnet werden. Die erheblichen Belastungen durch die Corona-Pandemie wurden im Februar 2022 nahtlos abgelöst von den Auswirkungen des Ukrainekrieges, dessen Ende leider nicht absehbar ist.
Massive Preissteigerungen insbesondere bei Energie, Treibstoff und Lebensmitteln führten 2022 zu einer Teuerungsrate von 7,9 % und damit zu einem spürbaren realen Kaufkraftentzug. Der unterjährige Höchstwert lag im Oktober bei 10,4 %. Die Verbraucherstimmung trübte sich parallel deutlich ein, das GfK-Konsumklima sank ausgehend von einem Indexwert +1,0 im Dezember 2021 sukzessive auf -42,8 im Oktober 2022.

Seit diesem Tiefstwert erholt sich die Konsumstimmung Monat um Monat. Der GfK-Index liegt im Februar 2023 u.a. wegen der schlechten Werte für die Anschaffungsneigung mit -33,9 aber immer noch klar im negativen Bereich und die Inflationsrate für Januar wird mit 8,7 % ausgewiesen. Der Einzelhandel ist entsprechend mit gemischten Gefühlen und Erwartungen in das laufende Jahr gestartet. 

Das Weihnachtsgeschäft 2022 brachte nicht den erhofften Schub für ein positives Gesamtjahr

Rund 19 % seines Jahresumsatzes erzielt der Einzelhandel in den beiden letzten Kalendermonaten. Die Aufhellung der Konsumstimmung zum Jahresende 2022 brachte allerdings nicht den erhofften positiven Umsatzschub, zumindest bei realer, also inflationsbereinigter Betrachtung. Zwar stieg der Umsatz im Dezember gegenüber Vorjahr nominal um 4,2 %, real lag er allerdings um 6,4 % unter dem Vorjahresniveau.

In Summe schloss der Einzelhandel das Jahr 2022 bei einem realen Minus von 0,6 % vergleichsweise robust ab, wobei das nominale Plus von 7,8 % nochmals den starken Preisauftrieb unterstreicht. Bei Lebensmitteln lagen zwischen nominaler und realer Entwicklung sogar 10,2 %.
Ebenso wie die nominale Betrachtung zur Beurteilung der wirtschaftlichen Situation der Branche nicht zielführend ist, trifft dies auch auf die isolierte Bewertung des Jahres 2022 zu. Beim Vergleich der Umsatzveränderungen des abgelaufenen Jahres mit dem Vor-Corona-Jahr 2019 werden zum Teil erhebliche Unterschiede in der Entwicklung deutlich. Der Einzelhandel mit Textilien, Bekleidung, Schuhen hat auch mit dem beachtlichen Umsatzplus von 27 % noch erheblichen Aufholbedarf, während der Online- und Versandhandel trotz des Minus im vergangenen Jahr um fast 35 % über dem 2019er Umsatzniveau lag.

Konjunkturelle Rahmenbedingungen sollten ab dem zweiten Halbjahr leichten Rückenwind bringen

FFür das laufende Jahr geht die IKB von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung in Deutschland um -0,3 % (real) aus, für 2024 von einem Plus i.H.v. 1,4 %. Die Inflationsrate prognostizieren die IKB-Volkswirte bei 5,6 % für 2023 (Update vom 23.2.) sowie 1,8 % für das Folgejahr. Zugrunde liegt die Erwartung einer wirtschaftlichen Erholung im zweiten Halbjahr 2023, welche auch beim Einzelhandel wieder bedingt für Rückenwind sorgen sollte. Sofern sich der Arbeitsmarkt weitgehend robust zeigt, liegt die größte Unsicherheit für Konsum und Einzelhandel in der weiteren Inflations- und damit der realen Kaufkraftentwicklung. Die GfK erwartet für 2023, dass deutschen Konsumenten im Schnitt pro Kopf ca. 26.300 € zur Verfügung stehen werden. Mit einem Plus von 3,3, % gegenüber dem Vorjahr würde die von der IKB prognostizierte Teuerung damit allerdings nicht kompensiert werden. Der Erholung der Einzelhandelsumsätze sind folgerichtig enge Grenzen gesetzt.
Der Handelsverband Deutschland (HDE) geht in seiner Prognose für das Jahr 2023 von einem nominalen Umsatzplus von 2 % aus, was einem realen Minus von 3 % entspricht. Die IKB sieht die Entwicklung im laufenden Jahr in einem ähnlichen Korridor (IKB-Podcast v. 23.1.2023: Fokus Consumer & Retail – Herausforderungen 2023), wobei wir das Upside-Potenzial höher bewerten als ein mögliches Downside.      

Strukturelle Trends werden wieder bestimmend für die Branchenentwicklung

Positiv anzumerken ist, dass die Befragungsergebnisse des ifo Instituts zu Lieferproblemen im Einzelhandel trotz im Mehrjahresvergleich immer noch hoher Werte eine Entspannung signalisieren. Ebenso wird der Kostendruck auf den Einzelhandel aus dem Energiesektor aus IKB-Sicht nachlassen. Dem stehen allerdings Steigerungen des Personal- und Mietaufwands gegenüber. Es bleibt abzuwarten, ob und in welchem Umfang angekündigte Preiserhöhungen, z.B. in Möbelindustrie und -handel, umsetzbar sind.
Für den Onlinehandel sollte 2023 die Rückkehr auf den mittelfristigen Wachstumspfad möglich sein. Der HDE-prognostiziert hier nominal +8 % und real +4 %, der stationäre Handel kämpft hingegen laut HDE mit nominal +1,1 % und real -4 % weiter um den Erhalt von Marktanteilen. Bei Fashion wird sich der Aufholprozess des Branchenumsatzes fortsetzen, bei langlebigen Gütern wie Möbeln erwarten wir hingegen eine verzögerte Erholung und damit ein weiteres reales Minus. Es bleibt 2023 bei einer starken Preisorientierung der Verbraucher, wovon insbesondere bei Fast Moving Consumer Goods weiterhin die Discounter profitieren werden, und was gleichzeitig Preiserhöhungen erschwert. Mit der erwarteten Erholung im Verlauf des zweiten Halbjahres und insbesondere im Übergang zu 2024 werden wieder strukturelle Themen an Bedeutung gewinnen, die im aktuellen Umfeld von konjunkturellen teilweise überlagert wurden. Dazu gehören insbesondere Fragestellungen zur Nachhaltigkeit von Produkten und Unternehmen.

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Dr. Klaus Bauknecht                  Volkswirtschaft

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