[Consumer & Retail-Information vom 9. Dezember 2020] Pünktlich zum Beginn der Adventszeit wurden diverse Umfragen zum Kaufverhalten in den Wochen vor Weihnachten veröffentlicht. Der Großteil der Studien kommt zu dem Ergebnis, das durchschnittliche Geschenkbudget entspreche in etwa dem Vorjahresniveau. Es werde also nicht gespart. Dazu passt das leichte Umsatzplus von 1,9 % auf circa 104 Mrd. €, das der Handelsverband Deutschland (HDE) für das diesjährige Weihnachtsgeschäft prognostiziert. Trotz zunehmender Sorge der Konsumenten um ihre persönliche wirtschaftliche Zukunft also grundsätzlich keine schlechten Aussichten für den Handel. Doch es wird sehr unterschiedliche Entwicklungen im Endspurt für das Gesamtjahresergebnis geben und Gewinner und Verlierer stehen vielfach bereits jetzt schon fest.

Eher enttäuschende letzte Wochen kommen wohl auf stationäre Einzelhändler in Innenstadtlagen zu. Besonders betroffen ist aus unserer Sicht der Fashion-Handel, der bereits seit Ende Oktober mit Einführung der verschärften Beschränkungen von Bund und Ländern wieder deutliche Umsatzrückgänge meldet. Aufrufe, die Zahl der sozialen Kontakte zu verringern sowie die wieder geschlossene Gastronomie haben direkte Auswirkungen auf die Frequenz in den Innenstädten. Der „Lockdown light“ führte im November zu einem Umsatzrückgang von durchschnittlich knapp 25 % im Vergleich zum Vorjahresmonat (TextilWirtschaft-Testclub) und aufgelaufen bis Oktober lag der Umsatzrückgang bei Fashion bei ca. -21 % (Statistisches Bundesamt – StBu). Für den Dezember muss mit ähnlichen Rückgängen gerechnet werden, auch weil am 25. November 2020 strengere Auflagen für den stationären Handel beschlossen wurden. Der aktuelle Konsumbericht des HDE spiegelt dies bereits mit einem in der Bewertung sehr schwachen Weihnachtsgeschäft in den beiden ersten Adventswochen.

Gute Zahlen hingegen melden stationäre Händler von Haushaltswaren, Do-It-Yourself sowie Einrichtungen. Und positiv blicken auch die Lebensmitteleinzelhändler auf die letzten Wochen des Jahres. Hier bestätigen sich die Entwicklungen der letzten Monate. Laut StBu verzeichnete der Handel mit Einrichtungsgegenständen, Haushaltsgeräten und Baubedarf zwischen Januar bis Oktober ein Umsatzplus von 5,6 % im Vergleich zum Vorjahresmonat, Lebensmittelhändler konnten sogar um 8,5 % zulegen.

Aktuell steigt die Unsicherheit wieder deutlich. Das Infektionsgeschehen ist trotz Teil-Lockdown zu hoch, die Rufe nach einem bundesweiten harten Lockdown werden lauter. Sachsen hat am 8. Dezember einen erneuten Lockdown ab dem 14. Dezember beschlossen, andere Bundesländer werden wahrscheinlich folgen.

In Summe sind dies sehr trübe Aussichten für die beiden umsatzstärksten Monate im deutschen Einzelhandel, in denen traditionell bis zu einem Fünftel des Jahresumsatzes erzielt wird. Umso wichtiger sind stützende staatliche Hilfen für die Einzelhändler. Die Verlängerung der Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld und insbesondere die Bereitstellung von Überbrückungshilfen an Unternehmen sind hierbei wichtige Bausteine, um durch diese angespannte Phase zu kommen. Dennoch werden wir im neuen Jahr vermehrt Insolvenzen sehen. Der HDE spricht von bis zu 50.000 Händlern, die in die Insolvenz gehen könnten. Vielen Unternehmen fehlt schlicht die Liquidität, um das operative Geschäft sicherzustellen, geschweige denn, um die Order neuer Waren zu finanzieren. Drohenden Lücken im Warenbestand stehen dann Restanten aus dem ablaufenden Jahr gegenüber. Die vermeintlich naheliegende Reaktion sind hohe Rabatte.

Grundsätzlich andere Meldungen kommen aus dem Online-Handel, der bereits sehr gut in die Weihnachtssaison gestartet ist. Nach ersten Meldungen verschiedener Online-Plattformen und -Händler wurden an „Black Friday“ und „Cyber Monday“ abermals Rekorde gebrochen. An sich nicht überraschend (siehe IKB-Blog zum Cyber-Event), die Höhe der Umsatzzuwächse für viele Marktteilnehmer hingegen schon. So berichtet OTTO, dass die Anzahl der Bestellungen im Vergleich zum Vorjahr um 35 % zugelegt hat, die Anzahl der Käufer um 33 %. Zalando meldet ein um 35 % gestiegenes Bruttowarenvolumen im Vergleich zu 2019.

Neben den Bestellzuwächsen konnten die beiden Händler in den Cyberwochen zusätzlich viele Neukunden gewinnen. Zalando meldet 1 Mio. Neukunden, OTTO konnte die Anzahl seiner aktiven Kunden um 23 % auf über 9 Mio. steigern. Auch vorher online-skeptische Konsumenten kaufen verstärkt im Netz ein, die Selbstverständlichkeit von Online-Shopping nimmt merklich zu Damit geht der E-Commerce mit ordentlichem Rückenwind in die heiße Phase des Weihnachtsgeschäfts.

Für den stationären Nonfood-Einzelhandel geht es in vielen Segmenten aktuell primär darum, irgendwie durch die Krise zu kommen. Unternehmerisch sind in dieser Situation klassische Instrumente des Kosten- und Working Capital Managements sowie der Liquiditätssteuerung notwendig. Staatliche Hilfen unterstützen hierbei und müssen bei einem harten Lockdown evtl. sogar noch einmal forciert werden, können aber keine Dauerlösung sein. Der Weg aus der Krise gelingt nur, wenn stationäre Händler über stimmige Konzepte auf der Fläche – Sortiment, Beratung/Service, Pricing, POS-Marketing, Ladengestaltung – in Kombination mit einem schlagkräftigen Online-Shop verfügen. Dazu gehört gleichzeitig ein funktionierendes und attraktives (innerstädtisches) Umfeld. Hier sind Stadtentwickler, Händlergemeinschaften und Kommunen gefragt. Auch stellt sich die Frage, ob die stellenweise erreichten Mietniveaus, insbesondere in Großstädten und 1A-Lagen, zukünftig noch haltbar sind. Für eine erfolgreiche Zukunft, so scheint es, müssen beide Vertriebskanäle parallel bespielt werden. Fakt ist bei allem Rückenwind für den E-Commerce, dass die Verbraucher Einkaufserlebnis vor Ort im direkten Kontakt mit Ware und Verkäufer wollen, was Online-Shopping nicht ersetzen kann. Das ist das Licht am Ende des Tunnels für schlagkräftige Filialkonzepte und stark verwurzelte „Local Heroes“.

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Dennis Rheinsberg
Direktor und Head des Sektorteams Energy, Utilities & Resources
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