[Consumer & Retail-Information vom 23. Juli 2020]

Bei der Betrachtung einzelner Wirtschaftszweige in Zeiten von Corona ist es mittlerweile üblich, die Branchen in Krisengewinner oder -verlierer zu kategorisieren. Die Einteilung der deutschen Fahrradbranche scheint klar, sie gehört zu den Gewinnern – trotz in diesem Jahr deutlichen Umsatzeinbußen in den für die Branche wichtigen Monaten März und April. Wie der Verband des Deutschen Zweiradhandels (VDZ) meldet, lagen die Umsatzeinbußen im stationären Handel aufgrund der Shutdown-Maßnahmen bei ca. 30 bis 80 %. Durch die boomende Nachfrage nach Wiedereröffnung der Geschäfte erwartet der VDZ für das laufende Jahr in Summe jedoch einen Branchenumsatz auf Vorjahresniveau.

Goldene Zeiten für E-Bikes

Zwar erstreckt sich die aktuelle Sonderkonjunktur über alle Fahrradsegmente, eine besondere Dynamik weisen jedoch E-Bikes auf. Bereits in den vergangenen Jahren zeigten die E-Bike-Verkäufe ein kontinuierliches und starkes Wachstum. Seit 2015 haben sich die Verkäufe in Deutschland von rund 535.000 Räder auf rund 1,36 Mio. nahezu verdreifacht. Allein im Jahr 2019 konnte der Absatz um 39 % zulegen, der Anteil von Elektrofahrrädern an den jährlichen Verkäufen ist auf rund 32 % gestiegen. Mit Blick auf den Gesamtbestand wird deutlich: Das Wachstumspotenzial ist noch längst nicht ausgeschöpft. Von geschätzten 75,9 Mio. Fahrrädern insgesamt sind gerade einmal 5,4 Mio. E-Bikes auf den Straßen unterwegs. Die positiven Marktperspektiven basieren auf verschiedenen Faktoren, die letztlich den zu beobachtenden gesellschaftlichen Wandel widerspiegeln. Auch die Coronakrise spielt eine Rolle, sie ist jedoch nicht Auslöser, sondern Verstärker des Trends zum E-Bike.

Vielfältige Gründe, die für ein E-Bike sprechen

Bessere Technologie und breiteres Angebot

Im Zuge des technologischen Fortschritts und verbesserten Designs haben Hersteller das Angebot deutlich ausgebaut. Neben E-City-Rädern haben sich etwa E-Falträder, E-Mountainbikes sowie E-Rennräder etablieren können. Die große Produktvielfalt und bessere und effizientere Antriebe bzw. Batterien führen dazu, dass E-Bikes gerade für Wegstrecken zwischen 5 und 10 Kilometern gut einsetzbar sind. Zudem können diese Strecken im Vergleich zu normalen Fahrrädern mit höherer Durchschnittgeschwindigkeit und gleichzeitig geringerer Anstrengung zurückgelegt werden.

Alternative zum Auto und zum öffentlichen Personennahverkehr

Gerade in Städten sind E-Bikes nicht nur häufig schneller unterwegs als PKW, sie sind auch günstiger und platzsparender. Ob für den Arbeitsweg, den Einkauf oder den Weg zur Kita: Fahrräder mit Motorunterstützung bieten eine Alternative zum Auto oder zum öffentlichen Personennahverkehr für alltägliche Wege. Auch anspruchsvolleres Gelände ist keine Hürde mehr. Befördert wird der Umstieg auf das E-Rad durch die Unterstützung von Arbeitgebern. Immer mehr Firmen bieten ihren Mitarbeitern die Möglichkeit des Dienstrad-Leasings an. Für den Arbeitnehmer ist dies zudem günstiger als eine noch immer teure Neuanschaffung. Leasingmodelle machten im letzten Kalenderjahr rund 12 % der E-Bike-Gesamtverkäufe aus.

Steigendes Nachhaltigkeitsbewusstsein und Gesundheitsaspekte

Auch wenn die Coronakrise das Thema Nachhaltigkeit in den Hintergrund gerückt hat, verschwunden ist es nicht. Gerade die Diskussion um den Klimawandel ist in den letzten Jahren in der Mitte der Gesellschaft angekommen und wird insbesondere beim Thema Mobilität weiter an Bedeutung gewinnen. Bei vielen Alltagswegen können E-Bikes einen wichtigen Beitrag zur CO²- und Feinstaubreduzierung leisten. So rechnet das Umweltbundesamt vor, dass ein E-Bike für eine Strecke von 10 km so viel Energie verbraucht wie benötigt wird, um 0,7 Liter Wasser bei Raumtemperatur zum Kochen zu bringen. Zudem sind die Treibhausgasemissionen für die Herstellung und Entsorgung der verbauten Akkus nach Aussagen des Umweltbundesamts bereits nach 165 km ausgeglichen.  

Ein zusätzlicher und nicht zu unterschätzender Aspekt ist der Trend zu einer bewussteren und gesünderen Lebensweise mit mehr sportlicher Aktivität, die im Idealfall in den Alltag integriert werden kann. Radfahren ist ein Ausdauersport, der Herz und Kreislauf fördert, Muskeln kräftigt und die Gelenke schont. Bereits kurze regelmäßige Fahrten wirken sich gesundheitsfördernd aus, außerdem trägt die Bewegung an der frischen Luft zur besseren Stimmung bei.

Infrastruktur für den Radverkehr muss nachziehen

Die Elektrifizierung des Fahrrads kann ein wichtiger Bestandteil moderner Mobilitätskonzepte sein. Das Fahrrad vereinigt viele für eine moderne Gesellschaft wichtige Aspekte wie Nutzen, Gesundheit, Klimaschutz und Unabhängigkeit. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, gilt es, die nötige Radinfrastruktur und die damit verbundene Sicherheit für Radfahrer zu schaffen. Hier gibt es dringenden Aufholbedarf bei perspektivisch steigenden Zahlen von Radfahrern.

Mittelfristige Prognose weiter positiv  

Die aktuelle Wachstumsdynamik wird zwar nachlassen, aber mittelfristig erwartet die IKB weiter zweistellige Wachstumsraten für E-Bikes in Deutschland. Um den erwarteten positiven Trend in den kommenden Jahren zu flankieren, müssen Bund, Länder und Kommunen die Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur ausbauen und in die nötige Ladeinfrastruktur sowie Abstellanlagen investieren, sodass das E-Bike sein volles Potenzial entfalten und eine echte Alternative zum Auto sein kann.

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Sven Anders, CFA
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