[Healthcare, Pharma, Chemicals-Information vom 25. Juli 2024]

Am 24. Juni 2024 hat Covestro bekannt gegeben, dass Vorstand und Aufsichtsrat in konkrete Verhandlungen mit der Abu Dhabi National Oil Company (‚Adnoc‘) eintreten und somit einen möglichen Verkauf ernsthaft prüfen. Im Vorlauf der ersten Übernahmegerüchte Mitte des Jahres 2023 ist die Marktkapitalisierung von Covestro gegenüber dem Höchststand von Anfang des Jahres 2021 um über 30 % gefallen. Diese Entwicklung ist in Deutschland kein Einzelfall.

Die IKB Deutsche Industriebank („IKB“) hat sich die quartärlichen Entwicklungen der Marktkapitalisierung von 29 integrierten Chemieunternehmen aus sieben Ländern angeschaut. Die Werte wurden auf das erste Quartal des Jahres 2019 indexiert, um sie vergleichbarer zu machen und um eine Basis zu schaffen, die vor den zwei großen Krisen COVID-19 und Krieg in der Ukraine liegt. Innerhalb der Länderindizes sind die Unternehmen mit ihrer jeweiligen Marktkapitalisierung gewichtet. Im ersten Quartal 2024 haben die deutschen Unternehmen ca. 30 % ihrer Marktkapitalisierung im Vergleich zum ersten Quartal 2019 verloren. Schwächer schneidet nur das südafrikanische Energie- und Chemieunternehmen Sasol ab. Die positivste Entwicklung zeigt Japan, hier jedoch hauptsächlich getrieben durch die gute Entwicklung von Shin-Etsu, einem PVC- und Polysiliziumhersteller. US-amerikanische Unternehmen haben ihre Marktkapitalisierung im Vergleichszeitraum um ca. 3,5 % steigern können.

Bayer zieht deutschen Index seit Q2 2023 nach unten

Der deutsche Index wird maßgeblich durch die beiden Börsenschwergewichte BASF und Bayer beeinflusst. Während die Marktkapitalisierung von BASF seit dem ersten Quartal 2019 um fast 22% gefallen ist, sind es bei Bayer ca. 48 %. Schwächer ist nur Lanxess mit einem Minus von knapp 51 %. Spitzenreiter im deutschen Vergleich ist Wacker Chemie mit einem Plus von ca. 36 %. Covestro zeigt ebenfalls eine positive Entwicklung mit einer um fast 7 % höheren Marktkapitalisierung als im ersten Quartal des Jahres 2019. Dies liegt jedoch in erster Linie in den aktuellen Übernahmeverhandlungen und dem erwarteten Kaufpreispremium begründet. Der Wertverfall seit dem zweiten Quartal 2023 liegt hauptsächlich in der schwachen Börsenperformance von Bayer (ca. -52 %) im Zuge der internen Restrukturierungen sowie in Teilen von Lanxess (ca. -34 %) begründet. Während BASF und Covestro seit dem zweiten Quartal 2023 die Medianentwicklung der betrachteten Unternehmen signifikant übertreffen konnten, haben sich die Bewertungen der sonstigen deutschen Unternehmen auf niedrigem Niveau stabilisiert. Den Rückgang der Marktkapitalisierung schreibt die IKB niedriger Profitabilität am Standort Deutschland und der EU insgesamt zu. Eine schwache Nachfrage trifft auf eine hohe Kostenbasis, die sich im Zuge steigenden Regulierungsdrucks noch weiter erhöht hat.

Krisen haben Deutschland zurückgeworfen

Die Daten zeigen, dass die Mehrheit der Eigenkapitalgeber die deutsche Chemieindustrie von den aktuellen Krisen stark betroffen sieht und ihre Erholungsfähigkeit im Vergleich zu anderen Chemiemärkten als schwächer einschätzt. Sowohl die Erholung nach den Wehen der Corona-Pandemie als auch die Entwicklung nach teilweiser Normalisierung der Energie- und Rohstoffkosten nach der ersten Phase des Krieges in der Ukraine sind schwächer ausgefallen als in den verglichenen Regionen. Die aktuell niedrigen Bewertungen könnten heimische Chemieunternehmen zu guten Übernahmekandidaten machen. Es gibt jedoch einige fundamentale Gründe, die dieses Szenario unwahrscheinlich erscheinen lassen. Zum einen haben sich die deutschen Chemiekonzerne in der Vergangenheit immer weiter spezialisiert. Dies macht die Lücke in den Wertschöpfungsketten zu den finanzstarken Erdöl- und Chemieunternehmen, z. B. aus dem Mittleren Osten, sehr groß. Covestro mag als Kunststoffproduzent hier eher die Ausnahme als die Regel in Deutschland sein. Zum anderen stagnieren auch die Bewertungen in ähnlich entwickelten Chemiemärkten wie den USA oder Ostasien. Dies beschränkt die Finanzkraft der potenziell übernehmenden Unternehmen, die zudem den europäischen Markt zusehends kritischer sehen. Demnach erwartet die IKB keinen Ausverkauf deutscher Chemieunternehmen an ausländische Investoren.

Diese Unterlage und die darin enthaltenen Informationen begründen weder einen Vertrag noch irgendeine Verpflichtung und sind von der IKB Deutsche Industriebank AG ausschließlich für (potenzielle) Kunden mit Sitz und Aufenthaltsort in Deutschland bestimmt. Außerhalb Deutschlands ist eine Verbreitung untersagt und kann gesetzlich eingeschränkt oder verboten sein. Die Inhalte dieser Unterlage stellen weder eine (i) Anlageberatung (ii) noch eine individuelle Anlageempfehlung oder (iii) eine Einladung zur Zeichnung oder (iv) ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder sonstigen Finanzinstrumenten dar.

Sven Anders, CFA
Abteilungsdirektor
Head of Industrials, Mobility & Construction

Telefon: +49 211 8221-4529
E-Mail: Sven.Anders@ikb.de