[Healthcare, Pharma, Chemicals-Information vom 9. März 2022]

Die Deutsche Gesundheitsversorgung bietet erhebliches Digitalisierungspotenzial. Digitale Gesundheitsanwendungen ergänzen die konventionellen Behandlungsmöglichkeiten seit gut einem Jahr. Bisher zugelassene Anwendungen umfassen beispielsweise Übungen und Techniken der kognitiven Verhaltenstherapie, vermitteln Informationen für einen gesunden Lebensstil und unterstützen bei dessen Umsetzung. Angeboten werden virtuelle Dialoge, Online-Tagebücher, Symptom-Checks, Zugang zu täglichen Übungen oder ärztliche Betreuung über eine Nachrichtenfunktion.

DiGAs erweitern das Angebot der gesetzlichen Krankenversicherung um digitale Lösungen

Das am 7. November 2019 beschlossene Digitale Versorgungs-Gesetz (DVG) ermöglicht Ärzten, Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) zu verschreiben. Erste Verordnungen erfolgten im Oktober 2020.

Die Anwendungen werden vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geprüft und nach Erfolg in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen. Die Prüfung erfolgt im Fast-Track-Verfahren und dauert ca. drei Monate.  Sicherheit und Funktionstauglichkeit sind ebenso nachzuweisen wie ein positiver Effekt auf die Patientenversorgung. Produkte, die die Anforderungen erfüllen, aber den positiven Versorgungseffekt noch nicht nachgewiesen haben, durchlaufen eine 12 bis 24-monatige Erprobungsphase und werden vorläufig aufgenommen. Deutschland ist mit diesem Vorgehen Vorreiter in Europa.

Bis September 2021 wurden lediglich 23 % der eingereichten Anträge für eine DiGA positiv entschieden. Ablehnungsgründe des BfArMs waren vor allem der fehlende Nachweis einer ausreichenden Evidenz sowie nicht adäquates Studiendesign. Zusätzlich zogen einige Hersteller Anträge wegen hoher Anforderungen bei Fristen,  Datenschutz sowie Evidenz und damit verbundenen hohen Kosten zurück. Einige Anträge wurden jedoch zu einem späteren Zeitpunkt erneut eingereicht.

Behandlung Psychischer Erkrankungen wird eine durch Vielzahl von DiGAs unterstützt

Aktuell befinden sich 30 DiGAs im Verzeichnis des BfArM, davon 10 dauerhaft aufgenommene und 20 vorläufig gelistete. Die meisten Anwendungen (43,3 %) existieren aktuell für psychischen Erkrankungen. Bestehende  Versorgungslücken werden durch digitale Angebote überbrückt und Behandlungen ergänzt. Die geprüften DiGAs entfallen vor allem auf häufige Erkrankungen. Von den 30 gelisteten DiGAs stammen elf Anwendungen von drei Herstellern.

Im ersten Jahr wurden 50.112 DiGas verordnet, von denen 78,5 % eingelöst wurden. Dies entspricht Leistungsausgaben der GKV in Höhe von 13 Mio. €. 89 % der Verordnungen erfolgten durch Ärzte oder Psychotherapeuten, 11 % direkt von der Krankenversicherung. Damit wird der Großteil der Anwendungen von Ärzten begleitet.

Kosten unterscheiden sich stark nach DiGA

Im ersten Jahr legen Hersteller die Kosten der Anwendung fest. Danach erfolgt eine Verhandlung mit dem GKV-Spitzenverband über Erstattungsbeträge. Schlagen diese fehl, wird eine Schiedsstelle eingebunden. Die Kosten der bis September 2021 gelisteten Anwendungen liegen zwischen 119 € für eine Einmallizenz und 744 € pro Quartal. Der Durchschnittspreis liegt bei 411 € im Quartal. Ärzte und Psychotherapeuten erhalten bei Verordnung 2 €. Die Preise liegen damit weit über dem Niveau des Selbstzahlermarktes und konventioneller Therapiemöglichkeiten. Laut Aussage eines Herstellers führen DiGAs zu 3,5 Mio. € Mehrkosten im Vergleich zu nicht-zertifizierten Anwendungen. Die hohen Kosten und das mangelnde Evidenzniveau sind Hauptkritikpunkte an DiGAs.

DiGAs auch für etablierte Gesundheitsunternehmen interessant

Nach der Zulassung liegt die wesentliche Herausforderung der Hersteller in der Vermarktung der Produkte. Diese erfordert erhebliche Investitionen in Vertriebsaktivitäten. Oft nutzen Hersteller (insb. Start-ups) Entwicklungs- oder Vertriebskooperationen mit Pharma- und MedTech-Unternehmen. Ärzte sind im Großen und Ganzen noch nicht gut über die Voraussetzungen der Verordnung und Mehrwerte der Anwendungen informiert. Hersteller versuchen deshalb durch Testzugänge von ihren Produkten zu überzeugen.

Mit ca. 50.000 Verordnungen sind DiGAs bisher nicht in der Regelversorgung angekommen. Im Gesundheitswesen benötigen Veränderungen erfahrungsgemäß einige Jahre. Die tatsächliche Qualität des Zusatznutzens der zugelassenen DiGas muss noch weiter untersucht werden. Mit steigender Evidenz ist eine höhere Akzeptanz zu erwarten, sodass die Zahl der Verordnungen wachsen wird. Mit zunehmender Etablierung der Produkte wird sich der Kreis der Hersteller erweitern, sowohl um Start-ups als auch um große Unternehmen der Gesundheitsbranche, die hohe regulatorische Anforderungen bereits kennen. Sicherlich haben die DiGAs noch deutliches Verbesserungspotenzial. Sie ergänzen die Gesundheitsversorgung der Patienten zunehmend und bieten für etablierte Pharma- und MedTech-Unternehmen Möglichkeiten der Kundenbindung durch Portfolioerweiterung.

 

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