[IKB-Kapitalmarkt-News – 9. November 2018] 

Steigende US- Renditen trotz erhöhter globaler Unsicherheit

Die gute globale Konjunkturentwicklung im Jahr 2017 hat strukturelle Probleme vieler Länder überdeckt und den Devisenkursen der Schwellenländer Stabilität verliehen – gerade im Vergleich zu den vorangegangen Jahren. 2018 scheint sich das Blatt jedoch gedreht zu haben. Eine weniger überzeugende Konjunkturdynamik und eine Zunahme der globalen Risiken, die unter anderem aus der US-Handelspolitik resultieren, haben die Devisenkurse der Schwellenländern erneut unter Druck kommen lassen. Einige Länder wie die Türkei, Südafrika oder Argentinien weisen zudem erhebliche innenpolitische Probleme auf.

10-jährige US-Renditen haben sich bei einem Niveau von über 3 % eingependelt. Ursachen sind zum einen die weiterhin guten US-Konjunkturdaten und zum anderen die Möglichkeit, dass die Fed ihren Leitzins über das neutrale Niveau hinaus anheben könnte. Bei einem Leitzins zwischen 3,0 % und 3,5 % Ende 2019 ist davon auszugehen, dass das lange Ende der US-Zinskurve weiter nach oben tendieren könnte. Allerdings bleibt die Kurve relativ flach, was andeutet, dass die Renditemärkte keinen nachhaltigen, bedeutenden Anstieg der Fed Funds Rate über dieses Niveau hinaus erwarten. Auch die jüngste Volatilität auf den Zins- und vor allem Aktienmärkten zeigt, wie hoch die Unsicherheit bei Anlegern ist – insbesondere, wenn die Effekte der US-Steuersenkungen auslaufen bzw. womöglich eine übertriebene Verlangsamung der Wachstumsdynamik mit sich bringen könnten. Prozyklische Fiskalpolitik hat im Auf- und Abschwung größere Ausschläge zur Folge, vor allem, wenn die Steuerreform zu keinem nachhaltig höheren Wirtschaftswachstum führt. So sollte angesichts der anhaltenden Risiken nicht nur die Volatilität hoch bleiben, der Peak der US-Renditen kann bereits in 2019 erreicht sein.

Im Zusammenhang mit steigenden US-Renditen wird oftmals auf den daraus resultierenden Abwertungsdruck bei Währungen von Schwellenländern verwiesen. In diesem Zusammenhang fällt häufig der Begriff „Ansteckungseffekte“. Steigende, also attraktiver werdende US-Renditen verstärken demnach den Druck auf Devisenkurse der Schwellenländer, was zu einem Abfluss von Kapital aus den Schwellenländern und im Anschluss zu Abwertungen ihrer Währungen führt. Doch aktuell gibt es noch einen weiteren möglichen globalen Einflussfaktor auf einen möglichen Abwertungsgleichlauf der Devisenkurse von Schwellenländern, – nämlich die Eintrübung der Konjunkturaussichten bzw. die zunehmende globale Risikoaversion der Finanzmärkte, die ebenfalls Druck auf Devisenkurse von Schwellenländern ausüben könnten. Hieraus ergibt sich nicht nur die Frage, ob tatsächlich ein Gleichlauf der Devisenkurse von Schwellenländern zu erkennen ist und dieser zu einem erhöhten systematischen Risiko führt. Es stellt sich ebenfalls die Frage, was der Grund für einen Gleichlauf sein könnte, – der Einfluss der US-Zinsen oder die globale Risikoaversion in Folge einer sich eintrübenden Konjunktur?

Besteht ein „Gleichlauf“ der Schwellenländer?

Ein erster und einfacher Vergleich der in Tabelle 1 aufgeführten Devisenkurse zeigt, dass die durchschnittliche Korrelation 2018 aufgrund der genannten Risiken und Faktoren relativ hoch war. Dieser aktuelle Gleichlauf sollte aber nicht lange anhalten, denn die Korrelation über den gesamten betrachteten Zeitraum 2012 bis 2018 liegt deutlich niedriger. Korrelationen sind in der Regel zeitabhängig und nicht durchweg stabil: Einflüsse wie eine geldpolitische Wende oder eine erhöhte Risikoaversion können kurzfristig Volatilität verursachen. Doch ein Gleichlauf scheint weniger wahrscheinlich. Die Korrelation der Devisenkurse von Schwellenländern zum US-Dollar unterscheidet sich nicht deutlich von den Korrelationen, die Industrieländer gegenüber dem US-Dollar aufweisen. Das gilt für Euro-Zone, Schweiz, Japan, Großbritannien, Kanada, Australien und Südkorea ebenfalls für den gesamten Zeitraum 2012 bis 2018 und insbesondere auch für das turbulente aktuelle Jahr. Temporäre Ansteckungseffekte scheinen demnach nicht nur ein Phänomen bei Entwicklungsländern zu sein. Die Frage ist also, was die Gründe für einen Gleichlauf von Devisenkurse sind bei Schwellen- und Industrieländern. Spielen tatsächlich die US-Zinsen eine tragende Rolle, oder sind es andere und vor allem unterschiedliche Gründe?

Empirische Analysen zeigen, dass die Devisenkurse der Schwellenländer sehr wohl einen systematischen Gleichlauf aufweisen. Sprich: Es gibt globale Faktoren, die in der Tat alle Devisenkurse beeinflussen. Dieser Gleichlauf ist allerdings nicht so dominant, wie oftmals angenommen wird, und vor allem nicht ausgeprägter als bei industrialisierten Ländern. Im Gegenteil: IKB-Berechnungen deuten sogar an, dass die Devisenkurse von Schwellenländern weniger anfällig für globale Entwicklungen sind. Der systematische Gleichlauf ist also bei den Schwellenländern nicht ausgeprägter, sondern eher geringer als bei industrialisierten Ländern. Da die Volkswirtschaften von Schwellenländern grundsätzlich volatiler sind als die von industrialisierten Ländern, ist dies naheliegend. Ansteckungseffekte gibt es somit bei Devisenkursen von Schwellen- also auch von Industrieländern; allerdings sind die Treiber andere.

Was sind die makroökonomischen Risikotreiber?

Ein gewisser Gleichlauf der Währungen ist nicht überraschend. Schließlich sind alle Währungen zum US-Dollar quotiert. Der offensichtliche Treiber des Gleichlaufs wären demnach die Stärke oder Schwäche des US-Dollars. Veränderungen des US-Dollar-Kurses erklären allerdings nur 15 % des systematischen Gleichlaufs bei Schwellenländern. Werden US-Renditen hinzugezogen, steigt der Erklärungsbeitrag nur leicht auf 18 %, wobei die statistische Signifikanz der US-Renditen nicht überzeugend ist. Steigende US-Zinsen haben somit alleine nur einen sehr begrenzten Einfluss auf das systematische Risiko der Devisenkurse von Schwellenländern. Die Behauptung, Devisenkurse von Schwellenländer würden alleine aufgrund der US-Geldpolitik gemeinsam auf- oder abwerten, lässt sich demnach nur sehr begrenzt bestätigen.

Bei Devisenkursen von Schwellenländern geht es eher um die spezifische Entwicklung in den jeweiligen Ländern und damit vor allem um die Risikoeinschätzung der Märkte. So ist die globale Risikoaversion, gemessen durch die Spreads eines in US-Dollar-demontierten Portfolios von High-Yield-Unternehmensanleihen ein viel bedeutender Treiber als die Entwicklung der US-Zinsen. Die allgemeine Risikoaversion alleine erklärt rund 30 % der Devisenkurskorrelation und ist somit der bedeutendste Bestimmungsfaktor für den systematischen Gleichlauf der Schwellenländer. Erhöht sich demnach die globale Risikoaversion und steigen infolgedessen die Risikoprämien an, ergibt sich für alle Devisenkurse ein Abwertungsdruck gegenüber dem US-Dollar-Kurs. Da jedoch eine höhere Risikoaversion zu sinkenden US-Renditen und zu einer US-Dollar-Stärke führt, sollten auch eher sinkende und keine steigenden US-Renditen mit einem erhöhten Gleichlauf bzw. Ansteckungseffekten der Schwellenländer einhergehen.

Für die Industrieländer ergibt sich hingegen ein anderes Bild. Der durch globale makroökonomische Treiber bestimmte Gleichlauf ist deutlich höher und erklärt rund 60 % der Devisenkursvolatilität. Dies ist nicht überraschend, da diese Länder eine homogenere bzw. bonitätsstärkere Gruppe darstellen als die Schwellenländer, bei denen länderspezifische Themen eine größere Rolle spielen. Es bedeutet jedoch auch, dass die Devisenkurse von Schwellenländern eine höhere Diversifikation aufweisen als die von Industrieländern.

Für Devisenkurse von Industrieländern erklärt der US-Dollar-Kurs fast die Hälfte des systematischen Gleichlaufs. Eine US-Dollar-Stärke bzw. -Schwäche ist somit für Industrieländer von deutlich größerer Bedeutung als für Schwellenländer. Die Risikoaversion ist ebenfalls von Bedeutung, allerdings bei weitem nicht so stark wie bei den Schwellenländern. Sie erklärt nur 5 % des durch makroökonomische Treiber bestimmten Gleichlaufs der Devisenkurse von Industrieländern und ist somit eher zu vernachlässigen. US-Renditen sind hingegen von größerer Bedeutung als bei den Schwellenländern. Doch hier bleibt der Erklärungsgrad ebenfalls eher überschaubar, auch wenn die Stärke oder Schwäche des US-Dollar sicherlich mit der Zinspolitik zu tun hat.

Fazit

Es sind nicht die steigenden US-Zinsen, sondern es ist die Risikoaversion der Märkte, die bei den Devisenkursen von Schwellenländern aktuell für einen Gleichlauf und erhöhte Volatilität sorgt. Die Währungen reagieren also vor allem auf die zunehmenden Risiken der globalen Konjunkturentwicklung, die US-Geldpolitik spielt eine geringere Rolle. Insgesamt weisen die Devisenkurse von Schwellenländern untereinander kein höheres systematisches Risiko auf als die Devisenkurse von Industrieländern. Deshalb beschränken sich Ansteckungseffekte nicht nur auf Schwellenländer, sondern betreffen auch industrialisierte Länder. Denn dort ist die Stärke bzw. Schwäche des US-Dollars entscheidender für den Gleichlauf der Währungen als die Risikobereitschaft der Märkte.

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