[Consumer & Retail-Information vom 8. Januar 2021] Das Jahr 2020 liegt hinter uns, die Sondersituation durch Corona aber lange noch nicht. Für die Möbelbranche startet das Jahr mit der Verlängerung des harten Lockdowns bis mindestens 31. Januar 2021 und ohne die wichtige jährliche internationale Leitmesse imm Cologne.
Beim Rückblick auf die vergangenen 12 Monate zeichnet der Verlauf des Ifo-Geschäftsklimas für die Möbelindustrie sehr gut das Wechselbad der Gefühle nach, durch das die Branche gegangen ist. Nach der imm Cologne 2020 mit Aufwind in das Jahr gestartet, traf die Coronapandemie Möbelindustrie und Einrichtungshandel im März mit voller Wucht. Nach einem absoluten Tiefpunkt bei der Einschätzung von Geschäftslage und -erwartungen im April inmitten des ersten Lockdowns hat sich die Stimmung der deutschen Möbelindustrie dann jedoch vergleichsweise schnell wieder erholt. Die Geschäftslage verbesserte sich ab Juni zeitversetzt ebenfalls deutlich. Im April und Mai 2020 machte sich die Möbelindustrie noch Sorgen um die internationalen Warenströme, beispielsweise bei der Beschaffung aus Italien, und in wichtigen europäischen Auslandsmärkten waren noch Wochen später zum Teil deutliche Absatzrückgänge zu verzeichnen. Deutsche Verbraucher begannen dann aber, Budgets zunehmend in Küchen, Kinderzimmer, Homeoffice und „das grüne Wohnzimmer“, sprich Gartenmöbel, zu investieren. Schlagworte wie „Cocooning“ und „Hygge“ als Ausdruck des Interesses an Einrichtungsthemen machten die Runde.
Der Handel mit Einrichtungsgegenständen, Do It Yourself/Baubedarf und Haushaltswaren konnte 2020 seinen Umsatz gegenüber dem Vorjahr um rund 15 % steigern, getragen insbesondere von starken Zuwächsen der Bau- und Heimwerkermärkte. Aber auch die Möbel- und Einrichtungshäuser, hier u. a. Küchenspezialisten, verzeichneten nach dem ersten Lockdown einen deutlichen Nachfrageschub und konnten im weiteren Jahresverlauf Ausfälle aus dem Frühjahr zumindest teilweise kompensieren, in Einzelfällen sogar komplett. Nach Zahlen des IfH Köln sind die Online-Umsätze im Marktfeld Möbel und Einrichten im vergangenen Jahr deutlich von ca. 6,5 auf 7,8 Mrd. € gestiegen (+20 %).
Ab Spätherbst haben sich die Geschäftserwartungen der Möbelindustrie wieder sukzessive eingetrübt, während die Werte für die Beurteilung der aktuellen Geschäftslage bis in den Dezember hinein positiv notierten. Mit dem erneuten harten Lockdown für den Nonfood-Einzelhandel ab Mitte Dezember erwarten wir für beide Indikatoren eine Verschlechterung sowohl im Januar als auch im Februar 2021.
Produktions- und Segmententwicklung 2020
Die tatsächliche Produktionsentwicklung spiegelt nahezu deckungsgleich den Verlauf der Einschätzung der Geschäftslage im Ifo-Geschäftsklimaindex. Für November und Dezember 2020 ist insgesamt von positiven Produktionszahlen auszugehen. Die Kapazitätsauslastung ist nach dem Tiefpunkt im April mit ca. 70 % zum Jahresende hin wieder auf über 85 % angestiegen, in Teilsegmenten sogar noch höher.
Die deutsche Möbelindustrie sollte das abgelaufene Jahr mit einem Umsatzminus von ca. 5 % über alle Segmente abgeschlossen haben, mit stärkeren Rückgängen im Ausland. Mit Blick auf die Segmente sind Büromöbel (-12 bis -14 %) und Küchen (+3 bis +4 %) die Pole der Entwicklung. Während die Möbelproduktion insgesamt auch zum Jahresende 2020 unter Vorjahresniveau lag, war die Situation bei Küchenmöbeln mit einem deutlich gestiegenen Produktionsniveau gegenüber dem Jahresende 2019 gänzlich anders.
Unternehmenssteuerung auf Sicht in mehreren denkbaren Szenarien
Mit dem aktuell verlängerten Lockdown aufgrund der Pandemie, die auch im europäischen Ausland weiterhin nicht unter Kontrolle ist, sind die Unsicherheiten für die Branche und die Prognose 2021 wieder gestiegen. Für Januar und Februar erwartet die IKB einen Rückgang bei Auftragseingang und Produktion. Je nach Einschätzung des weiteren Pandemieverlaufs liegen die Einwertungen für die Möbelindustrie 2021 zwischen nachhaltiger Erholung ab dem zweiten Quartal und Umsatzrückgang auf breiter Front. Die Küchenmöbelindustrie dürfte zudem die ausgesprochen positive Entwicklung des zweiten Halbjahres 2020 nicht fortsetzen können, sodass aus IKB-Sicht per se eine Beruhigung zu erwarten ist. Folgende drei Szenarien erachten wir für das laufende Jahr als realistisch:
- Szenario A – Verlauf in Anlehnung an die erste Pandemiewelle im Frühjahr 2020: Erholung ab März, aber weiterhin eingeschränkte Reisetätigkeit, Baukonjunktur stabil, Impulse durch Cocooning-Effekt und Homeoffice
⇒ Produktionsentwicklung in etwa auf dem Niveau des zweiten Halbjahres 2020 - Szenario B – Deutliche Erholung ab März/April im Zuge erfolgreicher Impfungen: Reisemöglichkeiten nehmen zu und der Konsum konzentriert sich wieder auf Segmente, die Baukonjunktur bleibt weiter stabil ⇒ Möbelproduktion mit leichtem Rückgang, Homeoffice-Lösungen sind gefragt
- Szenario C – Infektionsgeschehen über März hinaus auf hohem Niveau: steigende Arbeitslosigkeit und abnehmende Konsumneigung, abflachende Baukonjunktur, weiterhin Trend zum Homeoffice ⇒ Produktionsrückgang auf breiter Front, Ausnahme Homeoffice-Lösungen
Gefordert ist 2021 ein ausgesprochen flexibles „Management auf Sicht“ im Spannungsfeld von strikter Kostenkontrolle und der Nutzung entstehender Opportunitäten, insb. mit Blick auf Digitalisierung und E-Commerce. Die Unsicherheiten zur weiteren Entwicklung der Pandemie, der Konjunktur und der Branche sind enorm.
Johannes Sausen ist Direktor und Leiter des Sektorvertriebs der IKB sowie Head of Consumer, Retail, Logistics & TMT. Sein persönlicher Branchenschwerpunkt liegt in den Bereichen Consumer Food, ausgewählten Consumer Nonfood-Segmenten sowie im Einzelhandel. Er ist involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank in den genannten Branchen. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität zu Köln hat er seine ersten fünf Berufsjahre bei einer Unternehmensberatung absolviert, bevor er 1999 zur IKB stieß.
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