[Kapitalmarkt-News vom 23. Mai 2022]

Fazit: Die Attraktivität des Produktions- und Investitionsstandorts Deutschland gerät mehr und mehr unter Druck; die Gewinnmargen der Unternehmen leiden unter den kräftigen Preisanstiegen und der Nachfrageabkühlung. Zudem dürfte die aktuell eher pessimistische Stimmung der Unternehmen wohl kaum Investitionen und damit die Neuausrichtung der Wirtschaft im Kontext des Klimawandels vorantreiben.

Eine Euro-Aufwertung mag helfen, da sie den Inflationsdruck durch hohe Rohstoffpreise dämpft und so die Kaufkraft der Wirtschaft stützt. Die dafür benötigten Zinsanhebungen der EZB hingegen sollten im Kontext der aktuell niedrigen Zinserwartungen und einer möglichen Übertreibung der Fed überschaubar ausfallen. Nötig wären in erster Linie ein proaktiveres Handeln und eine entsprechende Kommunikation der EZB. Die IKB erwartet im Jahr 2022 ein BIP-Wachstum in Deutschland von um die 2 %.

Margendruck in Anbetracht einer sich eintrübenden Konjunktur und eines hohen Kostendrucks

Der anhaltende Inflationsanstieg sorgt für einen spürbaren realen Einkommensverlust, was das Konsumentenvertrauen und damit die Binnennachfrage belastet. Die Abkühlung der Nachfrage drückt wiederum die Gewinnmargen der Unternehmen, da diese den Kostendruck aufgrund hoher Rohstoffpreise und steigender Löhne immer weniger weitergeben können. Beides mag aus Notenbanksicht notwendig sein, um den anhaltend hohen Preisdruck zu dämpfen und Zweitrundeneffekten durch eine Lohn-Preis-Spirale entgegenzuwirken. Doch während die Fed die Abkühlung der Konjunktur durch zügige Zinsanhebungen verstärkt, bleibt die EZB eher zurückhaltend. Die Erwartung einer durch den Krieg in der Ukraine verstärkten Abschwächung der Wirtschaft lässt die Notenbank zögern. Da sich die weltweite Konjunktur eintrübt, ist aber auch von einer Korrektur auf den Rohstoffmärkten auszugehen. So erwartet die IKB weiterhin einen spürbaren Rückgang der Inflationsrate im Jahr 2023. Allerdings wird dieser nicht nur durch Basiseffekte und sinkende Rohstoffpreise sichergestellt, sondern eben auch durch Margendruck bei den Unternehmen und daraus folgenden geringeren Lohnsteigerungen.

Aufwertung des Euro wird Inflationsdruck dämpfen

Die Margenentwicklung sollte in den Branchen des Verarbeitenden Gewerbes differenziert ausfallen. Während sie in rohstoffintensiven Branchen kurzfristig besonders unter Druck geraten, werden sich die Margen mit sinkenden Rohstoffpreisen auch wieder schnell erholen. Bei industrienahen Rohstoffen gibt es bereits erste Anzeichen eines möglichen Preisrückgangs. Diese Entwicklung sollte sich bei einer globalen konjunkturellen Eintrübung fortsetzen, während Angebotsprobleme die Energie- und Nahrungsmittelpreise womöglich länger auf einem erhöhten Niveau halten werden. Eine Euro-Aufwertung würde die Margen rohstoffnaher Branchen weiter unterstützen, da Importpreise bei einem stärkeren Euro sinken. Branchen mit einer hohen Wertschöpfung werden von sinkenden Rohstoffpreisen hingegen weniger stark profitieren. Auch eine Euro-Aufwertung würde sich negativ auf deren Exportpreise auswirken.

Grundsätzlich würde ein stärkerer Euro die Kosten der Inflationsanpassung dämpfen. Dies gilt insbesondere für offene Volkswirtschaften wie die der Euro-Zone. Deshalb müssen beide – Euro-Aufwertung und Zinsanhebungen – als geldpolitische Straffungsmaßnahmen gesehen werden. Bei einer Aufwertung würden die Kosten der daraus folgenden Inflationsanpassung vorrangig von den Ländern getragen werden, die Güter und Rohstoffe in die Euro-Zone liefern. Denn sie würden weniger Euro für ihre Ware bekommen. Für den europäischen Konsumenten wäre diese Version der Anpassung sicherlich die am wenigsten schmerzhafte, vor allem, wenn internationale preisliche Wettbewerbsverluste nicht sofort zum Stellenabbau führen. Branchen des deutschen Verarbeitenden Gewerbes mit hoher Wertschöpfung bzw. Spezialisierung am Standort Deutschland scheinen jedoch eine gewisse Resilienz gegenüber preislichen Wettbewerbsverlusten zu besitzen.

Für Branchen mit hoher Wertschöpfung wird das Produktivitätswachstum besonders wichtig sein, um Gewinnmargen zu halten. Dies gilt bei steigendem Lohndruck ebenso wie bei einer Euro-Aufwertung. Ist jedoch die gesamte Konjunkturentwicklung eher schwach, ergibt sich nur wenig Raum für spürbare Produktivitätssteigerungen – es sei denn, Investitionen bzw. Kapazitäten werden insgesamt zurückgefahren, was weder der Inflationsentwicklung noch den Umbau der deutschen Volkswirtschaft und damit den Klimazielen helfen würde. Die Frage ist jedoch, was wirkt weniger negativ auf Investitionen – eine Aufwertung des Euro oder steigende Zinsen. Im Kontext der aktuellen Inflationsbekämpfung scheint der Devisenkurs das bessere Mittel zu sein. Schließlich wird eine Aufwertung direkt zu sinkenden Importpreisen führen, was die Binnennachfrage eher stärkt als höhere Zinsen, die die Nachfrage schwächen und einen indirekten Einfluss auf den Preisbildungsprozess haben.

Da es sich um eine geldpolitische Straffung handelt, führt eine Euro-Aufwertung zu einer Stimmungseintrübung in der Wirtschaft. Aktuell sind es jedoch die Rohstoffpreise und der zunehmenden Margendruck sowie die Sorge vor spürbaren Zinsanhebungen, die die Stimmung belasten. Ein stärkerer Euro mag unter diesen Umständen sogar als wünschenswert gesehen werden – zumindest im Vergleich zu spürbaren Zinsanhebungen. Aus geldpolitischer Sicht wäre eine Aufwertung wünschenswert, weil sie die Notwendigkeit von drastischen Zinserhöhungen abschwächen würde und den Druck auf die Realeinkommen spürbar senken könnte. Allerdings wertet eine Währung oftmals nur in Verbindung mit einer strafferen Geldpolitik auf, sodass niedrige Zinsen und eine stärkere Währung nicht unbedingt vereinbar sind. So müssten die Zinserwartungen an die EZB nach oben, und die an die Fed nach unten tendieren, um eine gewisse Bewegung auf dem Devisenmarkt einzuleiten. Eine schnelle Abkühlung der US-Wirtschaft und eine damit deutliche Korrektur der Fed-Zinserwartungen wären also notwendig, vor allem wenn die EZB sich weiterhin bedeckt hält. Wünschenswert wäre deshalb ein stärkeres Handeln der EZB im Vergleich zu dem, was aktuell erwartet wird. Schließlich wären auch bei einem proaktiveren Handeln der EZB die Zinsen immer noch auf einem niedrigen Niveau; der Einfluss auf den Devisenkurs und damit den Inflationsprozess könnte hingegen aufgrund der aktuellen Erwartungen nennenswert sein. 

Stimmung belastet Investitionen und damit Neuaufstellung des Kapitalstocks

Ohne Zweifel ist die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ein wichtiger Treiber oder eine bedeutende Voraussetzung für steigende Investitionen. Das ifo Geschäftsklima von heute gibt wenig Hoffnung, dass im laufenden Jahr private Ausrüstungsinvestitionen in Deutschland spürbar ausgeweitet werden. Zwar hat sich die Stimmung der Unternehmen im Mai erneut verbessert, der Index stieg um 1,1 Zähler. Aber die für Investitionen wichtige Erwartungskomponente blieb nahezu unverändert und damit auf einem niedrigen Niveau. Die Unternehmen sind weiterhin verunsichert und blicken skeptisch in die Zukunft; mit Investitionen dürften sie also zurückhaltend umgehen. Die aktuelle Lage wird hingegen erneut besser beurteilt. Aber die starke Diskrepanz zwischen der Beurteilung der aktuellen Lage und den Geschäftserwartungen signalisiert das geringe Vertrauen der Unternehmen in die Stabilität ihrer derzeitigen Situation. Sie bleiben pessimistisch.

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges verunsichern nun schon länger die deutsche Wirtschaft. Nicht überraschend zeigen deutsche Ausrüstungsinvestitionen bereits seit einiger Zeit eine schwache Dynamik. Hinzu kommen nun Margendruck und eine geldpolitische Straffung bzw. konjunkturelle Abkühlung. Das Investitionsverhalten sollte deshalb im laufenden Jahr eher verhalten bleiben, was das Potenzialwachstum und Kapazitätsausweitungen bremst. Auch wird die notwendige Erneuerung des Kapitalstocks in Anbetracht der Klimaziele erschwert.

 

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