[Kapitalmarkt-News vom 24. November 2022]
Fazit: Das Jahr 2023 wird durch viele Anpassungsprozesse geprägt sein. Der Weg zu einer niedrigeren Inflation ist einer davon. Hier gehen viele Treiber, wie Rohstoffpreise, Devisenkurse und die Konjunktur bereits in die richtige Richtung, unterstützt durch eine zunehmend restriktive Geldpolitik. Auch die Unternehmensstimmung wird sich verändern: Lieferengpässe sollten an Bedeutung verlieren, dafür sollte die Nachfrage zunehmend schwächer werden. Dies wird kurzfristig notwendige Investitionen am Standort Deutschland hinauszögern, vor allem, weil nicht von einer schnellen V-förmigen konjunkturellen Erholung auszugehen ist. Die Anpassungen im Verlauf des Jahres 2023 legen das Fundament für eine konjunkturelle Erholung im Jahr 2024.
Inflationsausblick: Das Blatt wird sich im Jahr 2023 zunehmend wenden
Die Inflation fällt nachhaltig höher aus, als die EZB lange erwartet hatte. Erwartungen, die von einmaligen Schocks und minimalen Zweitrundeneffekten ausgingen, sind hinfällig geworden. Somit scheint es keine Zweifel zu geben, dass der Weg zu einer niedrigeren Inflation nur über eine schwächere Nachfrage bzw. eine Rezession geht. Das Jahr 2023 wird deshalb von den Auswirkungen einer straffen Geldpolitik gezeichnet sein. Dies gilt vor allem für die USA, aber auch die Euro-Zone. Einiges läuft bereits, oder wird im Jahr 2023 in die richtige Richtung gehen:
- Lieferengpässe lösen sich infolge einer schwachen Nachfrage und von Kapazitätsausweitungen weiter auf
- Zunehmend schwache Nachfrage belastet Margen
- Moderation der Rohstoffpreise erkennbar
- Euro-Aufwertung dämpft weiter Importpreisdruck
- Reale Geldmenge in der Euro-Zone ist bereits rückläufig, was eine effektive geldpolitische Straffung signalisiert.
Gegenbewegungen gibt es allerdings durch die expansive Fiskalpolitik, die die geldpolitische Straffung verwässern könnte. Auch bleibt der Lohndruck im Jahr 2023 ein Risikofaktor. Dennoch: Anpassungsmechanismen sind eingeleitet und werden durch die geldpolitische Straffung verstärkt. Somit ist im Verlauf von 2023 von einer Wende der Inflationsdynamik auszugehen – nicht nur aufgrund von Basiseffekten. Deshalb ist entscheidend, durch die aktuellen Dynamiken hindurchzuschauen. Die IKB erwartet nächstes Jahr eine durchschnittliche Inflationsrate in Deutschland von 5,7 %.
Konjunkturausblick: kräftiger Gegenwind im Jahr 2023
Die deutsche Wirtschaft erhält aktuell viel Gegenwind. Infolge der spürbaren Zinsanhebungen in den USA wird sich der größte Exportmarkt im nächsten Jahr abkühlen, während die Corona-Politik in China die Konjunktur in diesem Winter belasten wird – trotz aktueller Lockerungen. Zudem werden die Zinsanhebungen der EZB sowie die hohe Inflation die Binnennachfrage im Euro-Raum beeinträchtigen. Somit wird 2023 ein herausforderndes Jahr für Deutschland, auch angesichts nachhaltig höherer Energiepreise, die nicht nur die Haushalte belasten, sondern auch den Industriestandort Deutschland. Ein Rückgang der Wirtschaftsleistung und damit eine Rezession ist unausweichlich. Mit einer Erholung der Wirtschaft ist frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2023 zu rechnen. Allerdings wird diese weniger dynamisch sein, von einer V-Erholung ist nicht auszugehen. Die IKB erwartet im Jahr 2023 für Deutschland eine Schrumpfung des BIP um 0,8 %.
Der Anpassungsbedarf der deutschen Industrie bleibt besonders hoch. Während die Unternehmen ihre Margen im Jahr 2022 aufgrund der robusten Nachfrage und trotz eskalierender Kosten halten konnten, dreht sich das Blatt im Jahr 2023. Eine sinkende Nachfrage belastet in Kombination mit aller Voraussicht nach hoch bleibenden Energiekosten sowie anhaltendem Lohndruck die Margen und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland. Hinzu kommt eine hoher Investitionsbedarf im Schatten der Klimaziele.
Aktuelle Aufhellung des ifo Geschäftsklimas von wenig Bedeutung
Das ifo Geschäftsklima hat sich im Dezember weiter deutlich verbessert. Wie im letzten Monat, sind es vor allem die Erwartungen, die sich erholt haben. Aber auch der Index für die aktuelle Lage konnte leicht zulegen. Doch der Anstieg des ifo Geschäftslimas sollte nicht überbewertet werden. Es ist eine Normalisierung der extrem pessimistischen Einschätzung zur deutschen Wirtschaft, die sich im Schatten des Ukrainekriegs und der Angst um die Gasversorgung ergab. Die leichte Verbesserung der aktuellen Lage-Bewertung mag auch auf die Entspannung bei den Rohstoffmärkten und bei den Lieferengpässen zurückzuführen sein. Allerdings ist in den kommenden Monaten vor dem Hintergrund der gelpolitischen Straffung von einer Nachfrageeintrübung auszugehen, was aktuelle Lageeinschätzung und Erwartungen belasten sollte. So mögen der Ukrainekrieg und Rohstoffpreisdruck verarbeitet sein; die geldpolitische Straffung und ihre Auswirkung im Jahr 2023 dürften dagegen erst noch zur Stimmungsbelastung der Unternehmen werden.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen. Zudem kommentiert er regelmäßig konjunkturelle Entwicklungen in renommierten Wirtschaftsmedien und ist mit seinen pointierten Präsentationen häufiger Gast bei Verbänden und Unternehmen. Zuvor arbeitete Klaus Bauknecht in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium.
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