[Kapitalmarkt-News vom 24. September 2021]
Fazit: Für die erneute leichte Stimmungseintrübung beim ifo Geschäftsklima sind weniger die steigende Rohstoffpreise verantwortlich, denn Unternehmen können diese erfolgreich weitergeben. Grundsätzlich gehen steigende Rohstoffpreise auch eher mit einer Stimmungsaufhellung einher, da beide von einer konjunkturellen Erholung getrieben werden. Kurzfristig sind sicherlich Lieferengpässe ein Grund für den Stimmungsdämpfer. Allerdings ist auch eine nachlassende Wachstumsdynamik der globalen Industrie zu erkennen, mit der zwar die Lieferengpässe auf Sicht nachlassen sollten, die allerdings auch für eine weitere und womöglich deutlichere Stimmungseintrübung sorgen sollte.
Eine Verlangsamung der Weltkonjunktur würde nicht nur die deutsche Industrieproduktion weiter belasten, sondern auch einen Anpassungsprozess aufgrund von sinkenden Gewinnmargen erzwingen. Allerdings werden dann auch die Rohstoffpreise nachgeben. Die größere Gefahr scheint eher von möglichen Lohnforderungen im Jahr 2022 auszugehen, vor allem wenn die globale Wirtschafsdynamik ins Stocken gerät. Die IKB hat ihre BIP-Prognose für Deutschland moderat angepasst: Zuletzt wurde von einem BIP-Wachstum für 2021 von knapp unter 3 % ausgegangen; die BIP-Prognose wurde jetzt auf 2,5 % für 2021 konkretisiert. Für 2022 bleibt der Ausblick bei rd. 4 %.
Rohstoff-, Erzeuger- und Verbraucherpreise – was ist zu erwarten?
Der weltweite Industrieboom, getrieben vor allem von der kräftigen Konjunkturerholung in China, ist verantwortlich für den immensen Rohstoffpreisanstieg und die globalen Lieferengpässe. Doch die chinesische Wachstumsdynamik scheint sich abzukühlen. So liegt die chinesische Industrieproduktion im Juni 2021 zwar immer noch mit 6 % über dem Niveau von 2019, aber seit Anfang 2021 ist sie leicht rückläufig. Zudem könnte die chinesische Industrie durch die Insolvenz von Evergrande einen weiteren Dämpfer erleiden, vor allem wenn dadurch die Bauwirtschaft in China Dynamik verlieren sollte. Die Unruhen rund um Evergrande haben bereits für erste Disruptionen auf baunahen Rohstoffmärkten gesorgt.
Infolge der konjunkturellen Abkühlung in China stagniert auch die Weltproduktion von Industriegütern seit Anfang dieses Jahres. Zwar bedeutet dies noch keine Entspannung bei den Lieferengpässen. Rohstoffpreise hingegen, die nicht nur durch die reale Nachfrage, sondern auch durch Übertreibungen charakterisiert sind, sollten früher reagieren. Denn eine Stimmungsveränderung in der Realwirtschaft oder auf den Finanzmärkten reicht oftmals schon aus, um einen absoluten Rückgang der Rohstoffpreise einzuleiten und die Übertreibung zu korrigieren. So signalisieren die sich eintrübenden Stimmungsindikatoren und das sinkende Produktionswachstum, dass industrienahe Rohstoffpreise ihren Peak erreicht haben sollten und perspektivisch mit absoluten Preisrückgängen zu rechnen ist. Eine anzunehmende Ausweitung der Angebotsseite auf den Rohstoffmärkten verstärkt diese Entwicklung. Insgesamt ist von einem Rückgang der Rohstoffpreise auf 12 Monatssicht auszugehen.
Es mag zwar aktuell noch viel Inflationserhöhungsdruck bestehen, wie in der Diskrepanz zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisinflation zu erkennen ist. Erste Anzeichen einer Wende sind jedoch erkennbar. Das heißt: Die aktuelle und in den verbleibenden Monaten von 2021 weiter steigende Inflation ist kein Indiz für ein anhaltendes oder sogar zunehmendes Inflationsrisiko. Die Inflationssteigerung in den nächsten Monaten ist eher das Ergebnis von Entwicklungen, die an Relevanz zunehmend verlieren sollten.
Bis dato haben die steigenden Rohstoffpreise kaum zu einer Stimmungseintrübung in der Realwirtschaft geführt. Der Grund hierfür ist, dass Unternehmen dank der robusten Nachfrage in der Lage sind, Kosten weiterzugeben. Die höheren Kosten haben demnach zu einer höheren Inflation und weniger zu Gewinneinbrüchen bei den Unternehmen geführt. Somit ist der deutliche Anstieg der Erzeugerpreise auch ein klares Signal dafür, dass sich Margendruck trotz erheblicher Rohstoffpreiserhöhungen in Grenzen hält. Margendruck mag sich erst durch Zweitrundeneffekte, insbesondere wenn höhere Lohnforderungen durchgesetzt werden können, zeigen. Noch ist dies jedoch nicht ersichtlich. Die größten Preisanstiege verzeichnen weiterhin rohstoffnahe Industriebranchen.
Die Inflationsrate wird in den kommenden Monaten weiter zulegen und könnte durchaus für Überraschungen sorgen. Im Jahr 2022 wird jedoch die Teuerung nicht nur aufgrund von Basis- oder Sondereffekten infolge der Mehrwertsteueranhebung, sondern auch infolge eines zu erwartenden sinkenden Kostendrucks nachlassen. Allerdings besteht aktuell noch relativ viel Inflationspotenzial, das sich in den derzeit hohen Erzeugerpreisen widerspiegelt. So dürfte die deutsche Inflationsrate auch im Jahr 2022 bei 2 % liegen. Für dieses Jahr könnte die 3 % Marke erreicht werden, was das Risiko von erhöhten Lohnforderungen im Jahr 2022 zunehmen lässt. Die IKB erwartet für Deutschland eine durchschnittliche Inflationsrate von 3,0 % im Jahr 2021 und 2,2 % im Jahr 2022. Für die Euro-Zone liegen die Prognosen bei 2,4 % und 2,0 %.
Stimmung in der Wirtschaft lässt nur leicht nach
Das ifo Geschäftsklima hat sich im September nur leicht eingetrübt. Der Index sank um 0,6 Punkte. Dabei stabilisierten sich nahezu die Geschäftserwartungen nach deutlichen Verschlechterungen in den beiden Vormonaten. Der Rückgang dieses Teil-Index belief sich lediglich auf 0,2 Zähler.
Im Vergleich dazu haben die Unternehmen aber erstmals seit Januar 2021 die aktuelle Lage weniger gut eingeschätzt. Der Index sank um einen Zähler. Hier dürften sich jetzt zunehmend die Probleme mit den Lieferengpässen bemerkbar gemacht haben. Die erneute Eintrübung des ifo Geschäftsklimas – die dritte in Folge – sollte aber nicht überbewertet werden, denn grundsätzlich ist die Unternehmensstimmung weiterhin recht gut. Auch sollte das Thema Lieferengpässe nicht überbetont werden, sondern eher die Sorge rund um eine globale Abkühlung des Industriewachstums. Denn diese wird zwar den Einfluss von Lieferengpässe und Rohstoffpreisdruck relativieren. Eine Stimmungseintrübung würde aber dennoch und womöglich deutlich ausgeprägter stattfinden.
Der ifo Index für das dritte Quartal kann empirisch als Frühindikator für die BIP-Wachstumsprognose des letzten Quartals 2021 benutzt werden. Laut IKB-Modell deutet der ifo Index des zweiten und dritten Vierteljahres auf eine Wachstumsverlangsamung in beiden letzten Quartalen hin. Diese sollte aber vor allem im vierten Quartal ersichtlich werden. Nach einem Wachstum von 1,6 % im zweiten Vierteljahr signalisiert das IKB-Modell ein Quartalswachstum zwischen 1,3 und 1,5 % im dritten Vierteljahr und eines von nur noch zwischen 0,5 und 0,8 % im letzten Quartal. Diese Einschätzung passt zur aktuellen Konjunktur, Lieferengpässe belasten kurzfristig die Industrieproduktion. Dem steht allerdings eine weitere tendenzielle Erholung des Dienstleistungssektor gegenüber. Diese Einschätzung sowie ein immer noch relativ hoher und stabiler ifo Index sprechen gegen einen außerordentlich pessimistischen Ausblick für das verbleibende Jahr. So revidiert die IKB ihre BIP-Prognose nur moderat: Zuletzt ging die IKB von einem BIP-Wachstum für 2021 von knapp unter 3 % aus; jetzt wurde die BIP-Prognose auf 2,5 % für 2021 konkretisiert. Für 2022 bleibt der Ausblick bei um oder leicht über 4 %.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen. Zudem kommentiert er regelmäßig konjunkturelle Entwicklungen in renommierten Wirtschaftsmedien und ist mit seinen pointierten Präsentationen häufiger Gast bei Verbänden und Unternehmen. Zuvor arbeitete Klaus Bauknecht in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium.
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