[Kapitalmarkt-News vom 22. Februar 2023]
Fazit: Das ifo Geschäftsklima hellt sich auf, doch ein überzeugender Konjunkturausblick ergibt sich dennoch nicht, insbesondere nicht für das Verarbeitende Gewerbe. Die erneute Eintrübung der Einschätzung zur aktuellen Lage bestätigt vielmehr konjunkturellen Gegenwind, der infolge der geldpolitischen Straffung weiter zunehmen sollte.
Auch ist die nun schon länger anhaltende Aufhellung der Geschäftsaussichten in der Produktionsentwicklung der meisten Branchen des Verarbeitenden Gewerbes bisher nicht angekommen. So mag zwar eine Korrektur der zunächst düsteren Aussichten zu Beginn des Ukrainekrieges stattgefunden haben; eine spürbare Stimmungsaufhellung, die zu einer konjunkturellen Erholung der meisten Branchen des Verarbeitenden Gewerbes führen sollte, ist allerdings im aktuellen Jahr nicht zu erwarten.
ifo Geschäftsklima: Trotz Verbesserung nicht überzeugend
Die Stimmung der deutschen Unternehmen hellt sich weiter auf. So hat sich das ifo-Geschäftsklima im Februar, wie erwartet, zum fünften Mal in Folge verbessert und bestätigt eine Neubewertung des kurzfristigen Konjunkturausblicks durch die Unternehmen bzw. das Abklingen von Risiken. Das ifo Geschäftsklima ist im Februar auf 91,1 Punkte gestiegen, ein Plus von einem Punkt gegenüber Januar. Insbesondere die Erwartungen hellten sich auf. Die aktuelle Lage wurde hingegen etwas weniger gut beurteilt. In den einzelnen Wirtschaftssektoren – Industrie, Dienstleistungen, Handel und Bau – zeigt sich ein ähnliches Bild: verbesserte Erwartungen, aber eine leicht schlechtere Lagebeurteilung. Die Industrieunternehmen verzeichneten zudem weniger Neuaufträge.
Die anhaltende Stimmungsverbesserung war nach dem deutlichen Einbruch des ifo Index und dem milderen Verlauf der Energiekrise zu erwarten. Hinzu kommt eine stetige Entspannung bei den Lieferketten sowie bei den Rohstoffpreisniveaus. Auch in den kommenden Monaten sollten diese Treiber die Stimmungsaufhellung unterstützen. Allerdings trübt sich bereits das zweite Mal in Folge die Einschätzung zur aktuellen Lage ein. Aktuell korrigieren zwar die Erwartungen, was angesichts des Abklingens einer möglichen Energiekrise nicht verwunderlich ist. Die Realitäten holen allerdings mehr und mehr die Stimmungsaufhellung ein. In den kommenden Monaten ist deshalb davon auszugehen, dass die Stimmung wieder kippen wird. Dies sollte jedoch zu keinem Einbruch des ifo Geschäftsklimas führen. Schließlich ist die Ursache hierfür kein Schock, sondern eine sich ausbreitende konjunkturelle Eintrübung.
Für konjunkturellen Gegenwind sorgt vor allem die geldpolitische Straffung – auch, weil der Zinshöhepunkt der EZB voraussichtlich erst Mitte 2023 erreicht sein sollte. Lag der Einlagenzinssatz im Juni 2022 noch bei -0,5 %, so sollte er ein Jahr später bei über 3 % liegen. Diese deutliche geldpolitische Straffung zeigt sich bereits in der Kreditvergabe. Ebenso schrumpft die preisbereinigte Geldmenge in der Euro-Zone deutlich, und das nominale Wachstum lässt spürbar nach. Zudem sind in Deutschland bereits rückläufige Volumina bei Immobilien- sowie Unternehmenskrediten erkennbar; eine Entwicklung, die in den kommenden Monaten weiter an Fahrt aufnehmen wird. Grundsätzlich braucht die Geldpolitik Zeit, bis sich ihre Maßnahmen in realwirtschaftlichen Größen wie Nachfrage, Kapazitätsauslastung und Inflation zeigen. Es ist allerdings davon auszugehen, dass sich die Auswirkungen der Straffung noch im Jahr 2023 zeigen werden. Und auch in den USA wird die Fed für eine spürbare Abkühlung der US-Wirtschaft sorgen. Deshalb wird China für die deutsche Konjunkturerholung im Jahr 2023 eine Schlüsselrolle spielen. Grundsätzlich ist aber in diesem Jahr von einem eher flachen BIP-Verlauf in Deutschland auszugehen. Auch die Stimmung wird sich in den kommenden Monaten infolge der geldpolitischen Straffung eher stabilisieren als weiter verbessern. Kurzfristig ist von einer weiteren Eintrübung der Lageeinschätzung auszugehen. Die IKB erwartet deshalb in den kommenden Monaten eine Stabilisierung des ifo Geschäftsklimaindex oder sogar einen erneuten Rückgang.
Branchen: Stimmungsaufhellung nicht stark genug, um Produktion entscheidend zu drehen
In den kommenden Monaten wird eine Nachfrageschwäche Angebotsprobleme und Lieferengpässe mehr und mehr verdrängen. Zwar erfreuen sich Branchen wie Automobilindustrie und Maschinenbau noch immer eines hohen Auftragsbestandes; insgesamt sollte das Auftragspolster jedoch mit abnehmenden Neuaufträgen infolge der Nachfrageschwäche mehr und mehr abnehmen. Zudem haben die Automobilunternehmen in Deutschland zum Jahresende von vorgezogenen Elektro-Pkw-Käufen profitiert, weil Förderungen gekürzt oder abgeschafft (Plug-in-Hybride) wurden. Bis auf Automobilindustrie, die aktuell von Sondereffekten profitiert, und Pharma- bzw. Elektroindustrie, die weniger konjunktursensitiv sind, haben alle Industriebranchen bereits seit Januar 2022 einen Produktionsrückgang zu verzeichnen. Rohstoffnahe Branchen zeigen im Jahresverglich hohe zweistellige Produktionsverluste. Dazu zählen Chemie-, Holz- und Papierindustrie. Gerade in der Chemieindustrie scheint die Energiekrise alles andere als abgearbeitet zu sein.
Der Gedanke, die allgemeine Stimmungsaufhellung beruhe auf einer breiten Erholung des Verarbeitenden Gewerbes, ist folglich unangebracht. Denn noch im Dezember 2022 verzeichneten alle Branchen bis auf die Automobilindustrie einen saisonbereinigten Produktionsrückgang im Vergleich zum Vormonat. Zwar mag sich die Stimmung in der Produktion in den kommenden Monaten aufhellen. Es bleibt jedoch fraglich, wie anhaltend dies sein wird – auch, weil sich die Auftragslage nun schon länger verschlechtert. Zudem ist die Industrieproduktion am Standort Deutschland schon länger unter Druck und ist nicht nur von der Energiekrise bzw. einer Konjunktureintrübung betroffen. Denn bis auf die Elektroindustrie sind alle Branchen von ihrem Produktionsniveau des Jahres 2015 entfernt. Deshalb sollte die sich abschwächende Nachfrage in den kommenden Monaten die Produktion weiter bzw. erneut belasten. Allerdings gilt auch hier: Eine allgemeine Aussage zur Entwicklung einzelner Branchen bleibt angesichts der multidimensionalen Herausforderungen eher schwer, wenn gar unmöglich. Eine konjunkturelle Flut, die alle Boote anheben wird, ist im Jahr 2023 nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Der Gegenwind wird zunehmen, vor allem für konjunktursensitive Branchen.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen. Zudem kommentiert er regelmäßig konjunkturelle Entwicklungen in renommierten Wirtschaftsmedien und ist mit seinen pointierten Präsentationen häufiger Gast bei Verbänden und Unternehmen. Zuvor arbeitete Klaus Bauknecht in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium.
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