[Kapitalmarkt-News vom 25. Januar 2024]
Fazit: Die erneute Eintrübung des ifo-Geschäftsklimas signalisiert ein weiterhin schwaches Wirtschaftsumfeld und bestätigt die Erwartung einer stagnierenden bzw. erneut schrumpfenden deutschen Wirtschaft im ersten Quartal 2024.
Noch bedeutender sind die Implikationen für die Transformation der deutschen Wirtschaft. Ohne eine spürbare und nachhaltige Stimmungsbelebung in der deutschen Wirtschaft sind die notwendigen Investitionen nicht erreichbar.
Leider trübt sich die Stimmung in der Wirtschaft im Trend schon länger ein. Deshalb ist nicht nur eine zyklische Stimmungsaufhellung aufgrund einer Konjunkturbelebung nötig, es ist vor allem eine grundsätzlich positivere Sicht auf den Standort Deutschland erforderlich. Die IKB erwartet für 2024 ein BIP-Wachstum von 0,1 %.
Wachstumsausblick 2024: Was ist konjunkturell, was ist strukturell?
Die monatliche Veröffentlichung des ifo Geschäftsklimas erhält immer viel Aufmerksamkeit. Schließlich ist der Stimmungsindikator der aussagekräftigste Frühindikator für die deutsche Wirtschaft. Und es ist die Veränderung des Index, die einen deutlichen Hinweis auf die BIP-Entwicklung des kommenden Quartals gibt. Doch das ifo Geschäftsklima ist nicht nur am aktuellen Rand von Interesse – auch der Verlauf gibt Hinweise für eine Standortbestimmung der deutschen Wirtschaft. So zeigt der Indikator bereits seit Jahren einen negativen Trend. Die Stimmung der Wirtschaft hat sich also in den letzten Jahren tendenziell verschlechtert. Viele Gründe mögen eine Rolle spielen: geopolitische Krisen, Energiekosten sowie die konjunkturelle Schwäche. Bei aller Volatilität scheint es zudem an einem soliden Anker zu fehlen, der Vertrauen bringt und stabilisiert. So ist das ifo Geschäftsklima nicht nur ein guter Konjunkturindikator, er spiegelt auch seit längerem strukturelle Veränderungen der Wirtschaft.
Deutschland braucht eine spürbare Investitionsoffensive, um die die gewünschte Transformation des Kapitalstocks und damit der Produktion zu ermöglichen. Aktuelle Dynamiken reichen nicht aus bzw. deuten darauf hin, dass sich weder die Kapazitäten deutlich ausweiten, noch die Industrie sich erneuert. So hat sich das ifo Geschäftsklima zu Jahresbeginn weiter verschlechtert. Der Index ist im Januar auf 85,2 Punkte gefallen, nach 86,3 Punkten im Dezember. Die Unternehmen beurteilen ihre aktuelle Lage schlechter. Auch die Erwartungen für die kommenden Monate fallen erneut pessimistischer aus.
Für eine wirksame Investitionsoffensive braucht es eine spürbare Stimmungsverbesserung, die über mehrere Quartale anhalten sollte. Erforderlich sind mehr als sinkende Zinsen oder Subventionierungen von Krediten. All dies mag notwendig sein, doch für ein nachhaltigen Vertrauensschub reicht es nicht. Nötig ist eine strukturelle Stimmungsaufhellung, die sich dann im ifo Geschäftsklima spiegelt.
Der Ausblick für 2024 bleibt konjunkturell wie strukturell herausfordernd. Die IKB erwartet für 2024 nur ein leichtes BIP-Wachstums von 0,1 %, 2025 sollte sich die Wirtschaft dann stärker beleben und um 2 % wachsen. Diese relativ kräftige Dynamik sollte jedoch nicht als Beginn einer länger anhaltenden Wachstumsphase gesehen werden. Im Gegenteil: Das vom Sachverständigenrat geschätzte Wachstumspotenzial für die deutsche Wirtschaft liegt bei lediglich 0,4 % p.a. für die nächsten zehn Jahre. Der strukturelle negative Trend des ifo Geschäftsklimas dürfte also anhalten, vor allem wenn sich die strukturellen Rahmenbedingungen nicht verändern. Dann wird sich das Wirtschaftswachstum eher der demografischen Entwicklung anpassen als andersherum.
Branchenausblick – Produktionsrückgang im Jahr 2024 zu erwarten
Die vier bedeutendsten Branchen des Verarbeitenden Gewerbe zeigen am aktuellen Rand eine erneute Schwäche. Die Chemiebranche – gebeutelt durch hohe Energiekosten – scheint zumindest nach deutliche Produktionseinbußen den Wendepunkt erreicht zu haben und stabilisiert sich auf niedrigem Niveau. Der bisherige Rückgang hat auch maßgeblich zur Erreichung der CO2-Ziele im Jahr 2023 beigetragen (Kapitalmarkt News 17. Januar 2024).
Grundsätzlich erhält die deutsche Industrie 2024 viel Gegenwind. Hohe Energiekosten und steigende Löhne belasten die Ertragslage. Sorgen vor einer Rezession in den USA und eine globale Konjunktur ohne Schwung schwächen die Nachfrage. Für den Ausblick sind nach wie vor strukturelle Aspekte von konjunkturellen Treibern zu unterscheiden: Eine Konjunkturerholung im Verlauf von 2024 sollte für eine Stabilisierung der Industrieproduktion sorgen; für 2025 ist dann eine spürbare Belebung möglich. Aber die grundsätzlich strukturellen Probleme bleiben, so ist auch die Entkopplung der deutschen Industrieproduktion vom globalen Industriewachstum ein weiteres Indiz für eine nachhaltig schwächere Dynamik.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen. Zudem kommentiert er regelmäßig konjunkturelle Entwicklungen in renommierten Wirtschaftsmedien und ist mit seinen pointierten Präsentationen häufiger Gast bei Verbänden und Unternehmen. Zuvor arbeitete Klaus Bauknecht in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium.
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