[Kapitalmarkt-News vom 17. Januar 2019]
Unsicherheiten belasten zunehmend den Ausblick, …
Die deutsche Wirtschaft ist 2018 um 1,5 % gewachsen. Dies deutet auf ein geringes, aber positives BIP-Wachstum im vierten Quartal hin. Die Sorge vor einer technischen Rezession – also einem BIP-Rückgang im dritten (-0,3 % zum Vorquartal) und vierten Quartal – sollte sich demnach nicht bewahrheiten. Doch die Weltwirtschaft scheint ähnlich wie im Jahr 2015 mehr und mehr in einen konjunkturellen Abschwung zu schlittern. Indikatoren wie die Einkaufsmanager-Indizes und die weltweite Industrieproduktion deuten auf eine klare Verlangsamung der Wachstumsdynamik wichtiger Märkte hin. Dies gilt auch für China, wo strukturelle Probleme wie die hohe private Verschuldung, ein abkühlender Häusermarkt und negative Konsequenzen des Handelsstreits mit den USA die Konjunkturdaten belasten. Zudem sorgen, anders als noch 2015, der Brexit und die US-Handelspolitik für zusätzliche konjunkturelle Unsicherheiten. Ist in solch einem Umfeld eine belastbare Einschätzung zum deutschen BIP-Wachstumsverlauf für 2019 überhaupt möglich?
… auch wenn der private Konsum als stabile Säule gesehen wird, …
Es wird immer wieder betont, dass der private Konsum eine wichtige Säule der Wachstumsstabilität Deutschlands darstellt. Ein weltweiter Rückgang des globalen Industriewachstums mag zwar die Exporte belasten, aber hohe reale Lohnsteigerungen und ein solider Arbeitsmarkt sorgen für einen stabilen privaten Konsum, der mit einem Anteil von rund 70 % am BIP ein bedeutendes Gewicht in der Gesamtwirtschaft darstellt. Im vergangenen Jahr hat sich der Wachstumsbeitrag des privaten Konsums allerdings reduziert. Der Dienstleistungssektor hingegen spielt für die Binnennachfrage eine immer bedeutendere Rolle und ist bei Weitem nicht so volatil wie die Nachfrage nach Gütern.
… bleibt das deutsche BIP-Wachstum dennoch ein Spiegelbild der Weltwirtschaft
Deutschland ist mit seinem hohen Offenheitsgrad ein integraler Bestandteil des internationalen Handels und damit auch der globalen Volkswirtschaft. IKB-Studien haben gezeigt, dass eine Reduzierung des globalen Offenheitsgrads zum Beispiel infolge von weltweiten protektionistischen Tendenzen das Verarbeitende Gewerbe in Deutschland erheblich belasten könnte (s. IKB-Kapitalmark-News 24. Juli 2019). Doch wie steht es um das gesamte BIP-Wachstum? Ist davon auszugehen, dass die deutsche Wirtschaft dank eines stabilen Arbeitsmarktes und des privaten Konsums aktuell weniger abhängig von der globalen Konjunkturentwicklung ist, und somit der Einfluss globaler Risiken nachgelassen hat?
Der solide Arbeitsmarkt hat dafür gesorgt, dass sich vor allem die Wachstumsvolatilität des privaten Konsums seit der Finanzkrise deutlich reduziert hat: Der private Konsum wächst im Schnitt nicht viel stärker als vor der Finanzkrise, aber um einiges stabiler. Der private Konsum stellt also für das BIP eine gewisse Säule der Stabilität dar. Im Jahr 2018 ist der private Konsum um 1 % gestiegen, die Wachstumsprognose der IKB für 2019 liegt mit 1,2 % nur leicht darüber. Mit diesem nur moderaten Wachstum, der BIP-Gewichtung von 70 % und einer nicht zu vernachlässigenden Importneigung wird der Konsum das deutsche BIP-Wachstum 2019 nur bedingt und sicherlich nicht stärker als im vergangenen Jahr stützen können. Der private Konsum ist demnach eine stabile, aber überschaubare Größe für das gesamte deutsche BIP-Wachstum. Folglich sollte sich die Abhängigkeit des deutschen Wirtschaftswachstum von der globalen Konjunktur durch die Konsumdynamik der letzten Jahre nicht erkennbar verändert haben. Empirische Analysen bestätigen diese Einschätzung; und sie signalisieren sogar, dass sich die Bedeutung des globalen Wachstums für den deutschen Konjunkturverlauf seit der Finanzkrise sogar erhöht hat.
Sinkt das weltwirtschaftliche Wachstum um einen Prozentpunkt, könnte das deutsche BIP-Wachstum um 1,5 bis 2 Prozentpunkte nachgeben. Solch eine Verlangsamung der globalen Dynamik ist allerdings für 2019 unwahrscheinlich: Auch wenn große Volkswirtschaften wie die USA, die Euro-Zone oder China 2019 ein niedrigeres Wachstum aufweisen sollten, ergäbe sich dank des zunehmenden Gewichts der chinesischen Wirtschaft für die Weltwirtschaft und der immer noch hohen chinesischen Dynamik ein stabiles globales Wachstum. Tabelle 1 zeigt auf Basis der IKB-Länderprognosen für 2019 einen Wachstumsrückgang der Weltwirtschaft im Vergleich zu 2018 um 0,2 Prozentpunkte. Für Deutschland ergäbe sich damit ein negativer Wachstumsbeitrag von 0,3 und 0,4 Prozentpunkten. Auf Grundlage des deutschen Potenzialwachstums von rd. 1,5 % würde die Verlangsamung der globalen Konjunktur auf eine Abkühlung des deutschen BIP-Wachstums auf 1,1 % und 1,2 % in diesem Jahr hindeuten. Bei einer grundsätzlich auch weiterhin unterstützenden Binnennachfrage sowie auslaufenden negativen Sondereffekten in der Automobilindustrie kann demnach eine BIP-Prognose von 1,3 % für 2019 als durchaus risikoneutral angesehen werden. Doch was ist mit dem Brexit?
IKB-Schätzungen deuten darauf hin, dass ein Rückgang des britischen BIP-Wachstums um einen Prozentpunkt infolge des Brexit das deutsche BIP-Wachstum im ersten Jahr um knapp 0,2 Prozentpunkte belasten könnte. Die britische Wirtschaft ist 2018 voraussichtlich um 1,3 % gewachsen. Eine stagnierende britische Wirtschaft infolge des Brexit würde demnach eine Belastung für Deutschland von rund 0,2 Prozentpunkten im Jahr 2019 bedeuten. Diese Schätzungen für die deutsche Wirtschaft sind allerdings im Vergleich mit anderen Studien als eher hoch angesetzt zu sehen. Auch dürften die Implikationen bereits in der Annahme eines Rückgangs des Weltwachstums zumindest teilweise berücksichtigt sein. Auf der anderen Seite hätte ein deutlicher Einbruch der britischen Wirtschaft als Folge einer Zerrüttung der EU-/UK-Beziehungen weitreichendere Implikationen als es die Handelsbeziehungen alleine spiegeln.
Fazit
Globale Konjunkturrisiken wie das Chaos vor dem Brexit und die Konjunkturabkühlung in China belasten den Ausblick für die deutsche Gesamtwirtschaft trotz des stabilen Konsumverlaufs. IKB-Schätzungen deuten darauf hin, dass die globale Konjunktureintrübung in Deutschland in diesem Jahr zu einem BIP-Wachstumsverlust von bis zu 0,4 Prozentpunkten führen könnte.
Die IKB erwartet für 2019 ein deutsches BIP-Wachstum von 1,3 %, allerdings nur, wenn die Implikationen des Brexit bereits in der prognostizierten globalen Konjunktureintrübung berücksichtigt sind. Ein deutsches Wirtschaftswachstum in diesem Jahr von deutlich unter 1 % erscheint jedoch selbst bei konservativen Annahmen über die Auswirkungen des Brexit unwahrscheinlich.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Zudem lehrt der promovierte Volkswirtschaftler an der Nelson Mandela University in Südafrika. Zuvor arbeitete er in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen.
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