[Kapitalmarkt-News vom 22. Februar 2022]
Fazit: Das ifo Geschäftsklima hat sich im Februar deutlich aufgehellt. Die Unternehmen haben aufgrund von Lockerungsmaßnahmen und sich langsam auflösenden Lieferengpässen wieder Vertrauen gewonnen. Jedoch ist in dieser Momentaufnahme die Zuspitzung des Ukraine-Russland-Konfliktes noch nicht berücksichtigt.
Je mehr der Konflikt eskaliert und spürbare gegenseitige wirtschaftliche Sanktionen mit sich bringt, desto wahrscheinlicher werden eine Stimmungseintrübung und wirtschaftliche Belastungen. Dabei wird der Konflikt vor allem inflationäre Risiken mit sich bringen. Der bereits bestehende Inflationsdruck birgt zusammen mit den hohen Energiepreisen und der expansiv ausgerichteten Fiskal- und Geldpolitik die Gefahr von bedeutenden Zweitrundeneffekten. Die erste und zweite Ölkrise sind Beispiele hierfür.
Die IKB erwartet 2022 ein deutsches BIP-Wachstum von 3,8 %.
Ukraine-Russland-Konflikt – vor allem Inflationsrisiken
Der Ukraine-Konflikt verunsichert und bestimmt wieder einmal die Risikoaversion der Märkte. So reagiert der DAX sehr volatil, während Bundrenditen unter Druck geraten. Doch welche Risiken für den deutschen Konjunkturausblick ergeben sich tatsächlich aus einer Eskalation des Ukraine-Konflikts? Sicherlich wird eine Ausweitung des Konfliktes weitreichende politische wie wirtschaftliche Sanktionen gegenüber Russland zur Folge haben und die Stimmung auf den Märkten und in der Realwirtschaft belasten. Zwar gehen nur rund 2 % der deutschen Exporte nach Russland. Das Risiko für den Konjunkturausblick ist jedoch um Einiges höher, als es die direkten Handelsvolumina andeuten. Denn weitereichende Sanktionen und die Sorgen vor einer erneuten Polarisierung der Weltpolitik würden die Stimmung auch global belasten. Investitionen am Standort Deutschland, aber auch die weltweite Nachfrage nach deutschen Investitionsgütern würden deshalb zunehmend unter Druck geraten. Hierfür bedarf es aber stärkerer wirtschaftlicher Sanktionen als jene, die aktuell im Raum stehen.
Auch wenn China bei der Sicherheitskonferenz in München etwas auf Distanz zu Putin gegangen ist, so wäre das Land der Mitte einer der wenigen Gewinner der Krise. Schließlich ist fraglich, ob sich China an weitreichenden Sanktionen beteiligen würde, oder ob es nicht doch eher die Gelegenheit für eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem rohstoffreichen Russland nutzen würde. Dies könnte wiederum für Verstimmung bei den westlichen Handelspartnern sorgen. Denn noch immer hält sich China nur mit Mühe an das Handelsabkommen mit den USA – die Importe von dort liegen deutlich unter den vereinbarten Mengen. All dies könnte zu erneuten Handelskonflikten bzw. weiteren Restriktionen im globalen Handel führen, was das weltweite Wirtschaftswachstum belasten könnte.
Doch eine weitere Eskalation des Ukraine-Konflikt dürfte vor allem inflationäre Folgen haben. Zum einen würde der Ölpreis in Folge der Konjunkturrisken spürbar nach oben korrigieren. Denn mit einer Ölförderung von über 10 Mio. Barrel pro Tag ist Russland nach den USA und Saudi-Arabien drittgrößter globaler Ölproduzent und nach den USA zweitgrößter Gasproduzent. So wie Konflikte im Nahen Osten die erste und zweite Ölkrise verursacht haben, wäre auch aktuell mit einem kräftigen Ölpreisanstieg zu rechnen. Zum anderen würden Sorgen über die weitere Konjunkturentwicklung zwar Aktienmärkte und Vertrauen belasten, was die Konjunktur dämpft. Die Fiskal- und Geldpolitik dürfte dann aber ihren Krisenmodus fortsetzen, dessen baldiges Ende ansonsten nach dem Abflauen der Pandemie absehbar gewesen wäre. Auch würden Disruptionen in den Lieferketten von z. B. Gaslieferungen die Angebotsseite der europäischen Wirtschaft empfindlich treffen. Die anhaltend robuste Nachfrage in Kombination mit Angebotsproblemen würde dem Inflationsdruck weiter Auftrieb geben – insbesondere, weil die globale Geldpolitik und vor allem die EZB in den letzten Jahren bereits außerordentlich expansiv ausgerichtet war. Auch die erste und zweite Ölkrise der 1970er und Anfang der 1980er Jahre haben zwar die US-Inflationsrate weiter nach oben getrieben; der unterliegende Inflationsdruck war allerdings Folge einer jahrelangen zu expansiven Geldpolitik der Fed und bestand schon früher. Es war die Kombination aus einer zu lockeren Geldpolitik und zwei Ölpreisschocks, die damals für anhaltend hohe und ansteigende Inflationsraten sorgte.
Ähnliche Dynamiken sind gegenwärtig zu erkennen: Angesichts der weiterhin außerordentlich expansiven Geldpolitik steigt das Risiko von Zweitrundeneffekten. So werden deutliche Lohnerhöhungen in den Jahren 2022 und 2023 in Deutschland immer wahrscheinlicher. Dies gilt nicht nur aufgrund der hohen Inflation und des damit verbundenen Einkommensverlustes. Nach Jahren niedriger und damit zu vernachlässigender Teuerungsraten haben diese in den letzten Monaten so stark nach oben überrascht, dass die Inflation wieder Teil der Lohndynamik zu werden scheint. Weitere Preisschocks in einem derartigen Umfeld, haben das Potenzial für bedeutende Zweitrundeneffekte, wenn Geld- und Fiskalpolitik nicht gegensteuern, und bergen auch ein hohes Risiko für Unternehmen. Denn wenn die EZB die Notbremse ziehen muss, um mit einer scharfen geldpolitischen Straffung die Nachfrage zu schwächen, würde dies nicht nur zu Verwerfungen auf den Finanzmärkten führen, sondern auch zu Margendruck bei den Unternehmen. Eine Stimmungseintrübung infolge einer eskalierenden Ukraine-Krise ergäbe sich deshalb nicht nur aufgrund der Unsicherheiten für den globalen Handel und die Absatzmärkte, sondern vor allem infolge der Sorge vor einer eskalierenden Inflation und der damit einhergehenden geldpolitischen Straffung. Dies gilt gerade für die Euro-Zone, wo die EZB bis dato eher zögerlich agierte und weit von einer neutralen geschweige denn straffen geldpolitischen Ausrichtung entfernt ist.
Konjunktur: geopolitische Sorgen noch kein Thema
Noch haben Sorgen vor weitreichenden gegenseitigen Sanktionen infolge des Ukraine-Konflikts die deutschen Unternehmen nicht erreicht. Denn die Stimmung im Dienstleistungssektor hellt sich weiter auf, und auch die Stimmung im Verarbeitenden Gewerbe bekommt Auftrieb. Zunehmende Lockerungsmaßnahmen in vielen Ländern, sich langsam auflösende Lieferengpässe sowie eine konjunkturelle Belebung stärken das Vertrauen. So hat sich das ifo Geschäftsklima im Februar erneut deutlich verbessert, wobei sich die Zuspitzung des Ukraine-Russland-Konflikts in dieser Befragung noch nicht niedergeschlagen hat. Der ifo Index hat sich mit einem Plus von 2,9 Zählern überraschend deutlich aufgehellt. Der zunehmende Optimismus beruht auf einer verbesserten Lage (+2,5 Punkte) und vor allem auf einer positiven Einschätzung der Konjunkturperspektiven (+4,0 Punkte).
Doch je mehr der Ukraine-Konflikt eskaliert bzw. spürbare wirtschaftliche Sanktionen mit sich bringen wird, desto wahrscheinlicher wird eine Stimmungseintrübung infolge sich aufbauender Risiken. Am DAX-Verlauf ist dies bereits aktuell zu erkennen. Zwar ist immer noch von einem kräftigen BIP-Wachstum im zweiten Quartal auszugehen. Doch damit das so bleibt, müsste sich das ifo Geschäftsklima auch im März 2022 verbessern. Schließlich sind Veränderungen des ifo Index ein bedeutender Frühindikator für die BIP-Entwicklung des darauffolgenden Quartals. Auch mit den gestern angekündigten Sanktionen ist diese Einschätzung weiterhin gültig. Eine Ausweitung der Sanktionen würde hingegen die Stimmung empfindlich treffen und die Konjunkturentwicklung zumindest kurzfristig belasten.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen. Zudem kommentiert er regelmäßig konjunkturelle Entwicklungen in renommierten Wirtschaftsmedien und ist mit seinen pointierten Präsentationen häufiger Gast bei Verbänden und Unternehmen. Zuvor arbeitete Klaus Bauknecht in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium.
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