[Kapitalmarkt-News vom 23. Mai 2019]
BIP Wachstum für Q1 2019: überzeugendere Dynamik als Wachstumsrate von 0,4 % andeutet
Die deutsche Wirtschaft hat im ersten Quartal saison- und kalenderbereinigt um 0,4 % zugelegt. Dieses Wachstum spiegelt die dahinterliegende Dynamik allerdings nicht ausreichend wider, denn insbesondere der Lagerabbau hat einen negativen Wachstumsbeitrag von 0,6 Prozentpunkten geliefert. Hätte es keine Lagerveränderung gegeben, wäre die Wirtschaft um 1,2 % zum Vorquartal und damit auf Jahresbasis um fast 5 % gewachsen. Der private Konsum zeigte ein robustes Wachstum von 1,2 % im Vergleich zum Vorquartal und lieferte damit einen Wachstumsbeitrag von 0,6 Prozentpunkten. Die Ausrüstungsinvestitionen legten ebenfalls um 1,2 % zu, nachdem sie bereits im vierten Quartal 2018 ein Plus von 0,7 % verzeichneten und im dritten Quartal stagnierten. Die Bauinvestitionen nahmen witterungsbegünstigt kräftig um 1,9 % zu. Insgesamt deuten die Daten eher auf eine Wachstumsbeschleunigung als auf eine -verlangsamung hin. Dies spiegelt sich ebenfalls in den Exporten wider, die mit einem Plus von 1 % zum Vorquartal ein höheres Wachstum als in allen Quartalen von 2018 erreichen konnten. Damit hat auch der Außenbeitrag im Gegensatz zu den vier vorangegangenen Quartalen einen positiven Wachstumsbeitrag von 0,2 Prozentpunkten liefern können.
Die Einschätzung der IKB:
Die deutsche Wirtschaft konnte im ersten Quartal 2019 überzeugen. Sie zeigt ein Konjunkturbild, das der getrübten Stimmung zum Teil doch sehr deutlich widerspricht. Die Zahlen bestätigen unsere Einschätzung, dass die eigentliche Konjunkturlage besser ist als die gefühlte. Sorgen über systematische Risiken wie den Brexit, unsichere globale Handelsbeziehungen oder die mögliche Instabilität des chinesischen Wachstums belasten die Stimmung. Frühindikatoren wie Auftragseingänge deuten zudem darauf hin, dass die Produktion des deutschen Verarbeitenden Gewerbes auch in den kommenden Monaten durchaus volatil bleiben könnte und dementsprechend die aktuelle Lage und die Geschäftsperspektiven dämpfen sollte. Dies dokumentiert sich im anhaltenden Rückgang des ifo Geschäftsklimas für das Verarbeitende Gewerbe. Den deutschen Konsumenten stören die Risiken hingegen weniger.
ifo Geschäftsklima – weiterhin kein Durchbruch
In diesem Umfeld hat sich das ifo Geschäftsklima für die deutsche Gesamtwirtschaft im Mai 2019 unerwartet stark eingetrübt. Der Index sank um 1,3 Zähler auf 97,2 Punkte. Dabei wurde insbesondere die aktuelle Lage weniger gut eingeschätzt. Dieser Teil-Index gab kräftig um 2,7 Punkte nach. Dagegen stabilisierten sich die Geschäftsperspektiven der Unternehmen. Hier gab es ein leichtes Plus von 0,1 Zählern auf 95,3 Punkte. Zumindest scheinen sich die Erwartungen weiter zu stabilisieren.
Der deutschen Wirtschaft fällt es weiterhin schwer, sich weniger auf systematische Risiken statt auf die eigentliche Lage zu fokussieren. Dies mag angesichts möglicher negativer Implikation auch durchaus berechtigt sein. Es kann aber auch bedeuten, dass der ifo Index die konjunkturelle Dynamik im aktuellen Umfeld womöglich nicht korrekt wiedergibt – vor allem wenn sich die Risiken nur bedingt realisieren. Dennoch deuten aktuell weder die Entwicklungen um den Brexit noch die US-Handelspolitik auf eine kurzfristige bzw. belastbare Entspannung hin. Zwar sollten die Auswirkungen höherer US-Zölle für den deutschen Export nicht überschätzt werden, jedoch könnte eine Zerrüttung der Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU weitreichende Implikationen für die deutsche Wachstumsdynamik haben. Damit bleibt der Konjunkturausblick mit erhöhten Risiken behaftet. Und trotzdem: Die BIP-Zahlen von heute Morgen unterstützen die Einschätzung, dass sich die deutsche Wirtschaft als durchaus robust erweist. Auch deuten Konjunkturdaten für wichtige Absatzmärkte wie die Euro-Zone (Anstieg des PMI auf 51,6) auf eine gewisse Erholung hin. Abb. 3 zeigt die auf dem ifo Geschäftsklima-Indexbasierte Prognosespanne für das deutsche BIP-Quartalswachstum.
Fazit:
Das ifo Geschäftsklima zeigt, dass sich die deutschen Unternehmen bei ihrer Einschätzung zur aktuellen und erwarteten Konjunkturlage weiterhin zurückhalten, aus Sicht einer Reihe globaler Risiken ein durchaus nachvollziehbares Verhalten. Die deutsche Konjunktur konnte allerdings im ersten Quartal 2019 überzeugen. Denn das BIP-Wachstum von 0,4 % wurde durch einen Lagerabbau gebremst, der damit einen deutlich negativen Wachstumsbeitrag lieferte: Die Produktion mag nur wenig zugelegt haben, nicht aber die Nachfrage. Der private Konsum, Investitionen in Bauten und Ausrüstungen sowie auch der Außenhandel konnten im ersten Quartal 2019 überzeugende Wachstumsbeiträge liefern. Somit bleibt die IKB bei der Einschätzung, dass 2019 eher mit einem deutschen BIP-Wachstum von knapp unter 1 % zu rechnen ist als mit einem Wachstum von 0,5 %.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Zudem lehrt der promovierte Volkswirtschaftler an der Nelson Mandela University in Südafrika. Zuvor arbeitete er in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen.
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