[Kapitalmarkt-News vom 22. Februar 2019]
Deutsche Wirtschaft schrammt knapp an der Rezession vorbei
Die heute vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Detaildaten zum gesamtwirtschaftlichen Verlauf im vierten Quartal 2018 bestätigten die Vorabschätzung. Die deutsche Wirtschaft stagnierte im Abschlussquartal und erzielte im Gesamtjahr 2018 ein kalenderbereinigtes Wachstum von 1,5 %. Zum Ende des Jahres kamen die Impulse vor allem aus dem Inland. Es wurde erheblich mehr in Bauten investiert (+1,3 % zum Vorquartal), und auch die Ausrüstungsinvestitionen (+0,7 %) wurden erfreulicherweise ausgeweitet. Der Staat konsumierte deutlich mehr (+1,6 %), der private Verbrauch (+0,2 %) legte hingegen nur leicht zu. Vom Außenhandel kamen keine Wachstumsimpulse, weil Exporte und Importe in etwa in der gleichen Größenordnung (+0,7 %) zulegten. Wie vermutet, hatte der Lagerabbau im vierten Quartal die Wirtschaftsleistung mit einem negativen Wachstumsbeitrag von 0,6 %-Punkten gedrosselt. Dies ist eine Gegenbewegung im Vergleich zum vorangegangenen Quartal als es einen starken Lageraufbau gab.
Nach einem Rückgang um 0,2 % im dritten Quartal ist Deutschland mit der weiteren Stagnation der Wirtschaftsleistung im Schlussquartal im zweiten Halbjahr 2018 knapp an einer Rezession vorbeigeschrammt. Auch im ersten Halbjahr 2019 rechnet die IKB noch nicht mit einer durchgreifenden Besserung.
ifo Geschäftsklima – Eintrübung hält an
Hierauf deutet auch das aktuelle ifo Geschäftsklima hin, das sich im Februar erneut recht klar um 0,8 Punkte auf 98,5 Zähler eingetrübt hat. Das ist der schlechteste Wert seit Dezember 2014. Nachdem der Index bereits zum Jahresauftakt deutlich abgerutscht war, hatte man eher mit einer Stabilisierung gerechnet. Die Unternehmen haben sowohl ihre aktuelle Lage als auch ihre Geschäftsperspektiven schlechter beurteilt als einen Monat zuvor. Der Index der Geschäftserwartungen fiel um 0,5 Punkte auf 93,8 Zähler. Erstmals seit Monaten wurde auch die aktuelle Lage deutlich weniger gut beurteilt, dieser Index sank klar um 1,1 Zähler auf 103,4 Punkte.
Trüber Ausblick für das erste Halbjahr 2019, aber kein Einbruch
Der ifo Index ist einer der aussagekräftigsten Frühindikatoren für den deutschen BIP-Wachstumsverlauf und liefert den besten Erklärungsbeitrag für das Folge-Quartal. Was zeigt der Durchschnittswert des ifo Geschäftsklimas des ersten Quartals 2019, der ein Frühindikator für das BIP-Wachstum im zweiten Quartal 2019 ist? Auch wenn der ifo-Wert für März noch nicht vorliegt und die IKB perspektivisch mit einer Stimmungsstabilisierung rechnet, ist die Tendenz deutlich: Im aktuellen Umfeld der Diskussion um US-Importzölle auf Automobile und Automobilteile aus der EU sowie der anhaltenden Brexit-Unklarheiten (Austrittsdatum 29. März) gibt es kaum Anzeichen für eine deutliche Erholung des ifo Geschäftsklimas im März. So bleibt das Risiko hoch, dass im ersten Vierteljahr nur eine moderate Dynamik zu erwarten ist und dass sich das BIP-Wachstum im zweiten Quartal erneut enttäuschend entwickeln könnte. Die aus dem ifo Index abgeleitete Prognosespanne deutet zudem darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit einer BIP-Schrumpfung im zweiten Quartal nicht ausgeschlossen werden kann. Einen drastischen Einbruch der Wirtschaftsleistung in Deutschland oder weltweit sieht die IKB nach wie vor nicht. Hierfür gibt es keine Anzeichen (s. Kapitalmarkt-News 14. Februar 2019): Im Vorfeld der aktuellen Eintrübung gab es keine euphorisch positive Stimmung, die zu einem überzogenen Investitionsverhalten geführt hat und nun eine Korrektur erfordert. Ein globaler Handelskrieg in Verbindung mit einem deutlichen Rückgang des globalen Offenheitsgrades würde die deutsche Wirtschaft sicherlich treffen, aber davon ist nicht auszugehen, selbst wenn die USA zu dem Schluss kommen sollten, dass europäische Kraftfahrzeuge eine Gefahr für die nationale Sicherheit der USA darstellen und Importzölle auf EU-Fahrzeuge erhoben werden sollten. Der deutsche Automobilstandort würde sicherlich belastet (9 % der deutschen Pkw-Produktion werden in die USA exportiert), und die deutsche Wirtschaft könnte kurzfristig etwas an Dynamik einbüßen (Kfz-Exporte in die USA machen 0,8 % der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung aus), aber ein Wirtschaftseinbruch wie in den Jahren 2008 und 2009 ist nicht absehbar.
Abb. 2 zeigt die auf dem ifo Index basierte IKB-Prognose der BIP-Wachstumsspanne für das aktuelle und das zweite Quartal 2019. Für den weiteren Verlauf von 2019 geht die IKB nach wie vor davon aus, dass sich die globale und damit die deutsche Konjunktur beleben und auf einen moderaten Wachstumspfad einschwenken wird; so sollten sich bis dahin zumindest die Brexit-Unklarheiten aufgelöst haben. Die IKB bleibt bei ihrer BIP-Wachstumsprognose für Deutschland von knapp unter 1 %. Das Prognoserisiko ist dabei nach unten gerichtet, aber ein Wirtschaftseinbruch ist – wie beschrieben – nicht zu erwarten.
Fazit:
Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im Februar 2019 weiter eingetrübt, dabei könnte der Streit um mögliche US-Importzölle auf europäische Automobile zu weiterer Verunsicherung führen. Eine deutliche Stimmungsaufhellung ist in den nächsten Monaten erst mit der nachhaltigen Auflösung der Unsicherheiten über die Handelsstreitigkeiten oder den Brexit zu erwarten. Von daher bleiben die Aussichten für die deutsche Wirtschaft für die erste Jahreshälfte 2019 eher trübe. Ein deutlicher Einbruch ist allerdings nicht zu erwarten. Erst im zweiten Halbjahr ist von einer moderaten Erholung auszugehen. Die IKB bleibt für Deutschland bei ihrer BIP-Wachstumsprognose für 2019 von knapp unter 1 %.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen. Zudem kommentiert er regelmäßig konjunkturelle Entwicklungen in renommierten Wirtschaftsmedien und ist mit seinen pointierten Präsentationen häufiger Gast bei Verbänden und Unternehmen. Zuvor arbeitete Klaus Bauknecht in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium.
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