[Kapitalmarkt-News vom 14. August 2019]
Wie erwartet – die deutsche Wirtschaft ist leicht geschrumpft
Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im zweiten Quartal 2019 saison- und kalenderbereinigt um 0,1 % gesunken – ein nicht überraschendes Ergebnis. Auffällig waren hingegen die zum Teil deutlichen Revisionen für 2018. So wurde z. B. das Quartalswachstum für das erste Vierteljahr um 0,3 Prozentpunkte abwärts korrigiert. Insgesamt verlief das erste Halbjahr 2018 schwächer und das zweite Halbjahr etwas besser als bisher angenommen.
Zur Schwäche im zweiten Quartal haben die Bauinvestitionen beigetragen. Der Rückgang im Baubereich wurde infolge der witterungsbedingten Vorzieheffekte im ersten Quartal erwartet. Bestätigt wurde zudem die generelle Sorge über das globale Konjunkturbild und insbesondere den Welthandel. So hat der deutsche Außenbeitrag einen negativen Wachstumsbeitrag zur BIP-Entwicklung im zweiten Quartal geliefert, weil die Exporte stärker zurückgingen als die Importe. Positive Impulse kamen erneut vom privaten Konsum. Überraschen konnten zudem die Ausrüstungsinvestitionen, die trotz anhaltender Konjunktursorgen zulegten.
Deutsche Industrie mit ausgeprägter Schwächephase
Die deutsche Industrieproduktion ist bereits seit Monaten abwärtsgerichtet. Im zweiten Quartal lieferte sie ebenso wie die Ausfuhren ein Quartalsminus. Der Grund hierfür wird vor allem in der US-Handelspolitik gesehen, die den Welthandel belastet. Grundsätzlich sind die Verläufe der globalen Industrieproduktion und des Welthandels eng miteinander verbunden. Die kausalen Zusammenhänge sind allerdings nicht eindeutig: Wird weniger produziert, weil die globale Nachfrage infolge der Zollerhöhungen abnimmt, oder wird der globale Handel durch die niedrigere Produktion gebremst? Entscheidend ist aktuell, dass sich die globale Industrieproduktion zu stabilisieren scheint. So hat sich das Wachstum in den letzten Monaten – wenn auch auf einem niedrigeren Niveau – von um die 1,5 % im Jahresvergleich stabilisiert. Dabei ist die damit einhergehende Stagnation des Welthandels angesichts der noch schwachen Industriedynamik nicht ungewöhnlich.
Überraschend ist hingegen die ausgeprägte Schwächephase der deutschen Industrie – insbesondere im Vergleich zur globalen Industrie, die sich stabilisiert hat und somit keinen absoluten Rückgang wie 2002 oder 2009 bis dato erfahren hat. Hier wird eine deutliche Abweichung zwischen beiden Verläufen ersichtlich, vor allem weil die deutsche Industrieproduktion noch keine Stabilisierungstendenzen aufweist. Anders ausgedrückt: Auf Basis der sich stabilisierenden globalen Industrie ist von einer Bodenbildung bzw. Erholung der deutschen Industrieproduktion in den kommenden Monaten auszugehen. So sollte die aktuelle Produktionsdynamik nicht als Grundlage für den weiteren Verlauf im dritten und vierten Quartal 2019 dienen. Allerdings müssten sich die Auftragseingänge, die ein belastbarer Frühindikator für die industrielle Erzeugung sind, kurzfristig verbessern, wofür es noch keine Anzeichen gibt. So bleibt der Ausblick mit einer gewissen Unsicherheit behaftet, auch wenn grundsätzlich der globale Industriezyklus auf eine gewisse Erholungsdynamik der Industrieproduktion in Deutschland hindeutet.
Ausblick 2019 und 2020
Die IKB erwartet eine gewisse Stabilisierung bzw. leichte Erholung für die Industrieproduktion in den verbleibenden Monaten des Jahres 2019. Dies sollte die Exporte etwas stützen. Wichtigste Wachstumssäule bleibt allerdings der private Konsum, der zwar das BIP-Wachstumsbild stützt, aber aufgrund seiner grundsätzlich niedrigen Wachstumsdynamik keine bedeutenden Wachstumsimpulse für 2019 liefert. Die IKB hält an ihrer BIP-Wachstumsprognose von 0,6 % für 2019 fest. Das Prognoserisiko ist ausgeglichen. Für 2020 liegt die BIP-Prognose bei leicht über 1 %. Unsicherheiten vor allem über die Ausgestaltung des Brexit deuten dabei allerdings auf ein erhöhtes Prognoserisiko hin.
Fazit:
Die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal 2019 erwartungsgemäß um 0,1 % geschrumpft. Der Rückgang der Exporte war erwartet worden, da die Industrieproduktion im zweiten Vierteljahr weiter klar abwärtsgerichtet war. Der globale Industriezyklus hat sich allerdings stabilisiert, was sich positiv auf die deutsche Industrieproduktion in den kommenden Monaten auswirken sollte. Eine baldige Stabilisierung der Auftragseingänge würde diese Erwartung sicherlich stützen. Die IKB geht von einem BIP-Wachstum von 0,6 % für 2019 und knapp über 1 % für 2020 aus. Dabei ist das Prognoserisiko für 2019 ausgeglichen.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Zudem lehrt der promovierte Volkswirtschaftler an der Nelson Mandela University in Südafrika. Zuvor arbeitete er in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen.
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