[Kapitalmarkt-News vom 26. April 2019]
Makro-Umfeld: Stabilisierungstendenzen ersichtlich, alles weitere sind Erwartungen
Die deutsche Industrie wurde im zweiten Halbjahr 2018 durch Sondereffekte (WLTP-Umstellung, Niedrigwasser) und eine sich abschwächende weltweite Nachfrage belastet. Für das Gesamtjahr 2018 ergab sich aufgrund der starken ersten Hälfte noch ein Produktionsplus von 1,2 %. Die Aussichten für 2019 sind dagegen weniger günstig, schon allein deswegen, weil die deutsche Industrie mit einem niedrigen Produktionsniveau in das Jahr gestartet ist. Die IKB erwartet für 2019 einen Rückgang der industriellen Fertigung um 1 % (s. IKB-Kapitalmarkt-News 17. April 2019). Voraussetzung für diese Prognose ist keine eskalierende Krise; vielmehr geht sie von einer Stabilisierung bzw. leichten Erholung im Verlauf des Jahres 2019 aus – im Einklang mit einer Belebung der Weltwirtschaft. Dabei signalisieren die Auftragseingänge durchaus die Möglichkeit weiterer vorübergehender Produktionseinbußen. Auch das ifo Geschäftsklima für das Verarbeitende Gewerbe befindet sich nach wie vor im Abwärtstrend. Für die Gesamtwirtschaft zeichnen sich dagegen erste Stabilisierungstendenzen ab (s. IKB-Kapitalmarkt-News 24. April 2019). In diesem Umfeld erwartet die IKB ein BIP-Wachstum von 0,6 % für 2019. Diese deutliche Verlangsamung der Dynamik im Vergleich zu 2018 (1,5 % BIP-Wachstum) belastet vor allem den Ausblick für konjunktursensitive Branchen, insbesondere aus dem Verarbeitenden Gewerbe. Auf Grundlage der Stabilisierung bzw. erwarteten Erholung im Verlauf dieses Jahres geht die IKB von einem BIP-Wachstum im Jahr 2020 von 1,4 % aus.
Branchen des Verarbeitenden Gewerbes – aktueller Stand und Einfluss der globalen Konjunktur
Die aktuellen Produktionszahlen bedeutender deutscher Branchen lagen im Februar 2019 deutlich unter dem Vorjahresniveau. Dennoch sind erste Stabilisierungstendenzen in einigen Industrien zu erkennen. Hierzu zählt sicherlich die Automobilindustrie, die durch Sondereffekte im Juli und August des vergangenen Jahres bedeutende Wachstumseinbußen hinnehmen musste und sich tendenziell – wenn auch moderat – erholt. Auch für die Chemieindustrie (ohne Pharma), die im Herbst 2018 u. a. infolge des Niedrigwassers ihre Produktion deutlich drosselte, sind erste Erholungstendenzen zu beobachten. Andere Branchen wie der Maschinenbau, der in den letzten Monaten weniger stark belastet worden ist, zeigen noch keine Stabilisierung. Ähnliches gilt für die Elektroindustrie.
Die deutsche Produktion einzelner Branchen des Verarbeitenden Gewerbes wird maßgeblich durch die globale Konjunktur und damit vor allem durch die Nachfrageseite bestimmt. Angebotsseitige Themen wie Überkapazitäten scheinen trotz der zurückhaltenden Investitionsdynamik in den letzten Jahren eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben. Dies ist aus dem hohen Erklärungsbeitrag der Konjunktur für die Branchenentwicklung zu erkennen. Für alle bedeutenden Industrien des Verarbeitenden Gewerbes, insbesondere Automobilindustrie, Maschinenbau, sowie Elektro- und Metallindustrie, erklären makroökonomische Entwicklungen über 80 % der Produktionsveränderung. Für die Chemieindustrie liegt der Beitrag bei rund 70 %, was andeutet, dass die deutsche Chemieindustrie mehr als andere Branchen von Angebotsthemen beeinflusst ist. Tabelle 1 zeigt die zu erwartende Produktionsentwicklung ausgewählter Industriebranchen auf der Grundlage des Konjunkturverlaufs. Auch wenn für das Jahr 2019 für viele Branchen ein Rückgang im Vergleich zum Vorjahr zu erwarten ist, deutet der unterliegende Monatsverlauf auf eine Erholung hin, was zum Teil zu deutlichen Wachstumsraten für das Gesamtjahr 2020 führt (siehe auch IKB-Kapitalmarkt-News 17. April 2019).
Einschätzungen zu einzelnen Branchen
Stark exportabhängige Investitionsgüterbranchen – wie Maschinenbau und Teile der Elektroindustrie –, die 2018 insgesamt ein noch solides Produktionsplus erzielten, bekamen aufgrund ihrer starken Konjunkturabhängigkeit gegen Ende des Jahres 2018 den schwächeren Welthandel bzw. die lahmende Weltkonjunktur zu spüren. Diese Branchen sind mit einem niedrigen Produktionsniveau 2019 gestartet und dürften daher trotz erwarteter Belebung ab Mitte diesen Jahres in der Summe ein deutlich niedrigeres Produktionslevel im Vergleich zu 2018 aufweisen. Zusammen mit der Automobilindustrie sind diese Branchen wichtige Abnehmer für die Metallbearbeitung, die damit besonders stark durch die Nachfrageschwäche belastet worden ist. Auch diese Industrie dürfte damit trotz erwarteter Belebung ein deutliches Minus bei der Jahresproduktion 2019 generieren.
Die Chemiebranche (ohne Pharma) spürte ebenfalls die weltweite Nachfrageschwäche, zudem erforderte das Niedrigwasser eine Drosselung der Fertigung; für 2018 ergab sich ein Produktionsminus von 2,1 %. Seit Dezember 2018 zeichnet sich allerdings eine Stabilisierung ab. Die Pharmaindustrie erlebte bis zum Herbst 2018 einen Nachfrageboom, der zu einem Jahresproduktionswachstum von 17 % führte. Zum Jahreswechsel gab es dann allerdings einen deutlichen Rückgang, sodass auch die Pharmahersteller mit einem erheblichen statistischen Unterhang (-15 %) ins neue Jahr gestartet sind. Die Branche, die in letzten Jahren das Wachstum der gesamten Chemieindustrie gestützt hat, könnte deshalb in diesem Gesamtjahr schwächeln.
Vor allem baunahe Industrien, insbesondere Glas/Keramik und Holz, zeigten 2018 eine relativ stabile Entwicklung, die sich auch 2019 fortsetzen sollte. Die konjunkturunabhängige Nahrungsmittelindustrie dürfte ihre stabile Entwicklung ebenfalls weiterführen. Die Produktion der Branchen Textil/Bekleidung, Papier und Möbelherstellung unterliegt strukturellen Effekten und ist in der Tendenz nach wie vor eher abwärts bzw. seitwärts gerichtet.
Fazit:
Die deutschen Industriebranchen verzeichneten ab Mitte 2018 infolge der weltweiten Konjunktureintrübung zum Teil deutliche Produktionseinbußen. Insgesamt signalisiert die globale Konjunktur zwar erste Stabilisierungstendenzen; dennoch ist für viele Industrien von einem Produktionsrückgang für das Gesamtjahr 2019 auszugehen. Dies gilt vor allem für konjunktursensitive Branchen wie Metallindustrie und Maschinenbau. Diese Entwicklung sollte allerdings nicht überbewertet werden, da sich viele Branchen im Jahresverlauf stabilisieren bzw. erholen sollten. Die IKB erwartet in diesem Jahr für das gesamte Verarbeitende Gewerbe einen Produktionsrückgang von ca. 1 % und im Jahr 2020 infolge der Belebung ein Produktionsplus von 1,8 %.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Zudem lehrt der promovierte Volkswirtschaftler an der Nelson Mandela University in Südafrika. Zuvor arbeitete er in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen.
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