Deutsche Industrie: Trotz Risiken stabiler Ausblick
[Kapitalmarkt-News vom 17. September 2018]
Produktionskapazitäten im Verarbeitenden Gewerbe werden nur langsam angepasst, …
Die Daten für die deutschen Industriebranchen bleiben eher gemischt. Zwar hat sich das ifo Geschäftsklima im August wieder klar aufgehellt, doch die Industrieproduktion und die Auftragseingänge zeigen weiterhin einen eher schwachen Konjunkturverlauf bzw. signalisieren keine Belebung. Die Erwartung, dass die Industrieproduktion in der zweiten Jahreshälfte anziehen sollte, hat sich bis dato noch nicht durchweg bestätigt. Für die Branchen des Verarbeitende Gewerbes ergibt sich eine relativ breite Spreizung beim Produktionswachstum in den ersten sieben Monaten dieses Jahres. Spitzenreiter ist die Chemieindustrie, die im Vergleich zum Vorjahr ein durchschnittliches Wachstum von über 5 % ausweisen kann. Die Elektroindustrie und der Maschinenbau hingegen liegen mit einem Plus von 2 % deutlich unter ihren Wachstumsraten von 2017. Ähnliches gilt für die anderen Branchen. Bis auf das Ernährungsgewerbe weisen alle Industriezweige im Juli 2018 ein niedrigeres Produktionsniveau auf als im Dezember 2017. Allerdings hatte die deutsche Industrie vor allem im letzten Quartal 2017 deutlich zulegen können. Im Vorjahresmonatsvergleich liegt das Produktionsniveau von Chemieindustrie, Metallerzeugnissen, Maschinenbau und Elektroindustrie im Juli 2018 zum Teil deutlich höher. Die Automobilbranche hat infolge der durch die neue EU-Zulassungsverordnung verursachten Engpässe bei Neuzulassungen ihre Produktion zurückgefahren und weist ein niedrigeres Produktionsniveau als vor 12 Monaten aus.
Die deutschen Industriebranchen sind derzeit dennoch gut ausgelastet und produzieren vielfach an ihrer Kapazitätsgrenze. Die aktuelle Auslastung der Produktionskapazitäten liegt bei allen deutschen Industriebranchen über die ihres langjährigen Durchschnitts. Auch ist aktuell keine Verringerung der Auslastung auszumachen. Ein Grund für die verhaltene Produktionsentwicklung ist somit auch der hohe Auslastungsgrad. Zudem scheuen sich die Unternehmen – trotz hoher Auslastung – vor Investitionen zum Ausbau ihrer Produktionskapazitäten und begrenzen damit ihr Produktionswachstum. So mag die Sorge über die US-Handelspolitik bereits erste negative Spuren zeigen.
… doch der Ausblick für den Export bleibt positiv
Die Rahmenbedingungen für eine Nachfragebelebung sind allerdings positiv. Nach einer Verschnaufpause in der ersten Jahreshälfte hat der Welthandel wieder angezogen, und Stimmungsindikatoren wichtiger Märkte wie USA, Euro-Zone und China haben sich stabilisiert bzw. weiter verbessert und signalisieren somit ein durchaus dynamisches Umfeld. Mögliche US-Handelsbarrieren und wirtschaftliche Turbulenzen in den Schwellenländern Türkei, Brasilien, Südafrika sowie Argentinien trüben das Bild. Doch die Bedeutung dieser Länder für das deutsche Exportwachstum sollte nicht überbewertet werden. Jedes Land für sich hat nur einen kleinen Anteil an den deutschen Exporten und auch die Summe der Exporte ist überschaubar. Der britische Absatzmarkt mit einem Ausfuhranteil von 6,6 % ist da schon bedeutender. Auch China wird immer wichtiger und hatte 2017 einen Anteil von 6,7 %.
Tabelle 1 zeigt die Wachstumserwartung für die deutschen Exportmärkte, deren Gewichtung am deutschen Gesamtexport sowie die IKB-Risikoeinschätzung zu diesen Märkten und den daraus folgenden risikoadjustierten Wachstumsbeitrag. Besonders kritisch ist die Entwicklung in der Türkei, wo die Wachstumsprognose mit 0,3 gewichtet wurde. Ohne explizite Berücksichtigung der Risiken läge das Wachstum der Exportmärkte in 2019 bei 2,7 %, wobei diese Prognose auf konservativen BIP-Wachstumsannahmen beruht. Unter Berücksichtigung der expliziten Konjunkturrisiken liegt die Prognose bei knapp über 2 %.
So sollte sich der Wachstumsausblick für die gesamte deutsche Wirtschaft trotz der globalen Unsicherheiten als stabil erweisen, da auch der private Konsum weiterhin eine wichtige Wachstumsstütze darstellt und eine Prognose für das deutsche Exportwachstum von rund 2 % als konservativ angesehen werden kann. Der Ausblick für den Dienstleistungssektor bleibt angesichts des soliden privaten Konsums ebenfalls positiv. Die IKB erwartet deshalb in 2018 und 2019 ein Wachstum der deutschen Wirtschaft von ca. 2 %.
Wie Tabelle 2 zeigt, sollte das Produktionswachstum in diesem Jahr in allen großen Branchen positiv verlaufen, auch wenn die Wachstumsraten von 2017 nur von der Chemieindustrie erreicht werden dürften. Allerdings gibt es auch Branchen, deren durchschnittliche Jahresproduktion abnimmt. Für 2019 ist das Bild verhalten positiv. Doch auch hier liegen die erwarteten Zahlen deutlich unter den Werten von 2017. Verantwortlich dafür ist das Risikoprofil der globalen Konjunkturlage und -entwicklung.
Fazit
Nach hohen Wachstumsraten in 2017 zeigen die deutschen Industriebranchen in diesem Jahr eine eher durchwachsene Entwicklung. Und noch gibt es keine klaren Indizien dafür, dass die Wachstumsdynamik auf breiter Front zulegen wird. Verantwortlich dafür sind in erster Linie globale Konjunkturrisiken, die aus dem Brexit, der US-Zollpolitik sowie der Wirtschaftskrisen in einigen Schwellenländern resultieren. Dennoch ist auch im Jahr 2019 von einem positiven, wenn auch niedrigeren Exportwachstum auszugehen, was den Ausblick für die deutsche Industrie stützt. Bedeutende Branchen wie Maschinenbau, Elektro- und Chemieindustrie sowie Automobilsektor sollten deshalb auch 2019 ein stabiles Produktionswachstum zeigen.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen. Zudem kommentiert er regelmäßig konjunkturelle Entwicklungen in renommierten Wirtschaftsmedien und ist mit seinen pointierten Präsentationen häufiger Gast bei Verbänden und Unternehmen. Zuvor arbeitete Klaus Bauknecht in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium.
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