[Energy, Utilities & Resources-Information vom 26. März 2024]
Die Pflicht zum Nachhaltigkeitsreporting wird auch an der Energiebranche nicht vorbeiführen und in den kommenden Jahren zu umfangreichen Berichtspflichten führen. Bislang werden diese „ESG-Berichtspflichten“ nur einer handvoll Unternehmen vorgeschrieben, die eine gewisse Mindestgröße überschreiten und kapitalmarktorientiert sind, also börsennotiert sind oder Kapitalmarktinstrumente auf einem regulierten Markt in der EU emittiert haben. In den kommenden Jahren wird sich diese Berichtspflicht auf über 15.000 Unternehmen ausweiten und detaillierte Veröffentlichungen über die ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit im Unternehmen erfordern.
Besonderheit Gemeindeordnung für Stadtwerke und Regionalversorger
Für ein Teil der Unternehmen aus der Energiebranche bestehen zudem Besonderheiten aufgrund der zurzeit existieren Gemeindeverordnungen in den Bundesländern. Betroffen sind daher insbesondere Regionalversorger und Stadtwerke, die unter die Gemeindeverordnung fallen: Jahresabschlüsse von Unternehmen in einer privaten Rechtsform, die eine kommunale Beteiligung sind, müssen dieselben Vorgaben erfüllen wie große Kapitalgesellschaften. Die betroffenen kommunalen Unternehmen haben also unabhängig von ihrer Größe die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Da große Kapitalgesellschaften für das Berichtsjahr 2025 zur Berichtserstattung verpflichtet werden, gilt dies dementsprechend auch für alle kommunalen Unternehmen. Ausnahmen existieren in den Gemeindeordnungen der Bundesländer Brandenburg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz.
Klimabilanzierung als Grundlage der Dekarbonisierungsstrategie
Damit die Berichterstattung gelingt, sollten sich die Unternehmen frühzeitig mit den Komponenten des Nachhaltigkeitsberichts auseinandersetzen. Neben der Erstellung der Wesentlichkeitsanalyse als zentrales Element ist die Treibhausgasbilanzierung ein wichtiger Baustein, auch als mögliche Grundlage für das Aufsetzen einer Nachhaltigkeitsstrategie im Unternehmen. So nutzen viele Unternehmen aus der Energiebranche den eigenen Carbon Footprint, um daraus ihre Dekarbonisierungsstrategie aufzubauen und die größten Hebel in der Treibhausgasreduktion abzuleiten. Zu unterscheiden ist in der Treibhausgasbilanz zwischen Scope 1-, Scope 2- und Scope 3-Emissionen. Die direkten Emissionen des Unternehmens – also Scope 1 – sind in der Energiebranche im Wesentlichen durch die Erzeugungskapazitäten zur Strom- und Wärmeversorgung geprägt. Darüber hinaus gehören der eigene Fuhrpark und die Gebäudeemissionen zu den direkten Emissionen. Die bezogene Energie für den Eigenverbrauch inklusive der Verlustenergie im Stromnetz fallen unter die indirekten Scope 2-Emissionen. Der vermutlich größte Block an Emissionen in der Treibhausgasbilanz von Energieversorgern stellen die Scope 3-Emissionen dar. Diese umfassen vor allem die Emissionen ihrer belieferten Kunden bei Strom- und Gas. Ebenfalls dazu gehören die Emissionen von Geschäftsreisen, Transport, Dienstleistern und Zulieferern sowie Abfallemissionen, die im Vergleich zu den Kundenemissionen jedoch verhältnismäßig gering ausfallen. Bei Versorgern mit großem Handels- und Energiegeschäft für Privat- und Gewerbekunden nehmen die Emissionen der belieferten Kunden einen enormen Teil der Klimabilanz des Unternehmens ein.
Hebel in der Reduktion der eigenen THG-Emissionen identifizieren
Eine Klimabilanzierung im Unternehmen ist häufig der erste Schritt, um die eigene Dekarbonisierungsstrategie anzustoßen. Dadurch ist es möglich Hebel zu identifizieren, mit denen das Unternehmen die eigenen Treibhausgas-Emissionen senken kann. Durch die Bestandsaufnahme können also die Investitionen identifiziert werden, die den größten Einfluss auf die eigene Klimabilanz haben. Idealerweise lassen sich so mit steigenden CAPEX die Treibhausgas-Emissionen durch die richtigen Projekte verringern. Die Scope 1-Emissionen lassen sich konkret durch Investitionen in die Energie- und Wärmewende reduzieren, also durch Umstellung der eigenen Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) Erzeugungsanlagen auf grüne Erzeugungsanlagen. Insbesondere bei kleineren dezentralen BHKWs bietet sich die Umrüstung auf zum Beispiel Großwärmepumpen oder Photovoltaik-Anlagen an. Gleiches gilt für die Fernwärmeerzeugung, indem bestehende Öl-Kessel oder Erdgas-Heizkessel auf grüne Erzeugungsanlagen wie E-Heizkessel oder effiziente KWK-Anlagen umgestellt werden. Die Umstellung auf CO2-arme Wärmeerzeugung oder Kraft-Wärme-Kopplung sowie Investitionen in Wärmenetze werden zudem von der KfW mit attraktiven Konditionen gefördert. Neben der Umstellung eigener Erzeugungsanlagen sind die Umrüstung des Fuhrparks und Energieeffizienzinvestitionen in die eigenen Gebäude weitere Möglichkeiten zur Reduzierung der Scope 1-Emissionen. In den meisten Fällen liegt der Hebel zur signifikanten Reduktion jedoch in der eigenen Erzeugung.
Möglichkeiten zur Reduzierung der eigenen Scope 2 Emissionen liegen darin die bezogene Energie für den Eigenverbrauch (oder bspw. betriebener Straßenbeleuchtung) nachweislich grün zu kennzeichnen. Umsetzen lässt sich dies durch den Erwerb von Herkunftsnachweisen für den eigen verbrauchten Strom.
Den größten Block in der Klimabilanz eines Versorgers zu reduzieren, also die Scope 3 Emissionen ist am herausforderndsten. Einerseits müssten die Emissionen aufgrund von Klimazielen und Energiewende im Zeitverlauf sinken, indem der Anteil an Erneuerbaren Energien im Strommix steigt und die Nachfrage nach Erdgas sinkt. Um andererseits diese Emissionen auf Basis der eigenen ambitionierteren Klimaziele zu senken, ist es erforderlich, die Herkunft des verkauften Stroms nachzuweisen und den Gasabsatz zu kompensieren (Beschaffung von Herkunftsnachweisen). Die damit einhergehenden Kosten können einerseits zu Wettbewerbsnachteilen im deutschlandweiten Energievertrieb führen, andererseits kann die Kompensation auch zu Marketingzwecken für klimabewusste Kunden verwendet werden. So oder so verlangt die Umsetzung der Energie- und Wärmewende ohnehin einen hohen Kapitalbedarf bei Unternehmen aus der Energiewirtschaft und bringt neue Herausforderungen mit sich.
Lennart Seeger ist Prokurist im Sektorteam Energy, Utilities & Resources der IKB. Er ist involviert in Projekt- und Unternehmensfinanzierungs- sowie Corporate Finance-Transaktionen der Bank. Zu den von ihm betreuten Unternehmen gehören insbesondere Energieversorger und Stadtwerke sowie Unternehmen aus der Recyclingindustrie. Nach seinem Business Administration Studium in Düsseldorf stieß er 2021 zur IKB und absolvierte berufsbegleitend den Masterstudiengang in Finance & Accounting.
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