[Consumer & Retail-Information vom 7. August 2020]
Die Art und Weise, wie wir arbeiten, lernen und unsere Freizeit verbringen, hat sich während der Coronakrise massiv verändert: Arbeiten am heimischen Küchen- oder Schreibtisch statt jeden Morgen ins Büro zu fahren. Kinder lernen zu Hause über Tablet und Laptop und nicht in der Schule an der Tafel oder dem Overhead-Projektor. Ein Profiteur dieser Entwicklung ist die Consumer-Electronics-Branche, die von Tablets über Smartphones und TV-Geräten auch IT-Produkte für die Heimanwendung umfasst. Besonders bei IT-Produkten führte die vermehrte Nutzung des Homeoffice und des Homeschooling im ersten Halbjahr 2020 zu deutlich gestiegenen Umsätzen. Darüber hinaus profitiert auch die klassische Unterhaltungselektronik, die etwa Fernseher oder Spielekonsolen umfasst, von den Corona-bedingten Einschränkungen in der Freizeitgestaltung.
Wachstumsimpulse in einem insgesamt gesättigten Markt
Der Branchenverband gfu Consumer & Home Electronics hat kürzlich eine Prognose für das Jahr 2020 veröffentlicht, die ein Umsatzplus von rd. 4 % auf knapp 29 Mrd. € schätzt. Wachstumsmotoren sind die bereits erwähnten IT-Produkte für die heimische Anwendung sowie das Geschäft mit TV-Geräten innerhalb der klassischen Unterhaltungselektronik. Bereits im ersten Halbjahr 2020 wurden 3,2 Millionen Fernseher und damit 5 % mehr als im Vorjahreszeitraum verkauft. Bei PC, Laptop und Co. wird ein deutliches Umsatzwachstum von mehr als 10 % prognostiziert. Das durch die Krise veränderte Kaufverhalten sorgt in der Branche wieder für Optimismus, nachdem sie im vergangenen Jahr einen Umsatzrückgang von
1,5 % hinnehmen musste und seit 2010 im Durchschnitt jährlich nur ein Wachstum in Höhe von 0,8 % verzeichnen konnte.
Kurzfristig ist die Branche ein Gewinner der Coronakrise
Ob dieser Optimismus auch dauerhaft berechtigt ist, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Kurzfristig zählt die Branche auf jeden Fall zu den Gewinnern der Coronakrise. Neben Homeoffice und Homeschooling wirkt vor allem das sogenannte Social Cocooning als Wachstumstreiber. Der zwischenzeitlich nahezu vollständige Rückzug in die eigenen vier Wände hat dafür gesorgt, dass Konsumenten ihr Kaufverhalten angepasst haben, um die Freizeitgestaltung innerhalb der eigenen Wohnung so angenehm und interessant wie möglich zu gestalten. Ein Trend, der auch anderweitig, zum Beispiel in der DIY-Branche, zu beobachten ist. Im Bereich Consumer Electronics führt er dazu, dass größere Anschaffungen wie etwa TV-Geräte vorgezogen werden. Die IKB erwartet, dass sich dieser Trend auch vor dem Hintergrund der temporär gesenkten Mehrwertsteuer im Laufe dieses Jahres fortsetzen und das Weihnachtsgeschäft beleben wird. Vor diesem Hintergrund erscheint aus IKB-Sicht ein Umsatzplus für 2020 oberhalb der Prognose des Branchenverbandes gfu möglich.
Nachhaltiger Wachstumsschub durch eine zunehmend digitalisierte Gesellschaft
Schaut man über die kurzfristigen Auswirkungen der Krise hinaus, zeigt sich ein durchwachsenes Bild für die Branche. Die zögerliche Erholung der Wirtschaft schränkt die Konsumausgaben vieler Menschen ein. Größere Anschaffungen von Elektronikprodukten wie Spielekonsolen, Smartphones oder TV-Geräten sind ein Luxuskauf, der hinter den Ausgaben des täglichen Bedarfs ansteht. Diejenigen, die nicht von Einkommenseinschränkungen betroffen sind, sorgen zwar jetzt für steigende Umsätze, fallen aufgrund des relativ langen Lebenszyklus der Produkte jedoch mittelfristig als Konsumenten im Markt aus. Profiteure sind nach Ansicht der IKB daher jene Segmente, die nicht nur von kurzfristigen Nachfragetrends abhängig sind, sondern einen Mehrwert in einer Gesellschaft bieten, die durch die Pandemie einen deutlichen Digitalisierungsschub erlebt. Mobiles Arbeiten und Lernen werden feste Bestandteile des Alltags und die Nachfrage nach effektiven digitalen Lösungen ankurbeln. So erwarten wir, dass der Nachfrageschub für IT-Produkte für die private Anwendung nachhaltig sein und auch über die Krise hinaus anhalten wird.
Neben technischen Innovationen werden branchenübergreifende Trends die Nachfrage bestimmen
Technische Innovationen und Markteinführungen sind wesentliche Impulsgeber für die Nachfrage nach Consumer Electronics und führen zu entsprechenden Umsatzschüben. Dies wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Die Branche braucht regelmäßige Innovationen und technische Upgrades und wird diese auch liefern. Ein Stichwort ist hier Virtual Reality. Dennoch wird sich der Konsument von morgen bei seinen Kaufentscheidungen zunehmend von Nachhaltigkeits- und Qualitätsaspekten leiten lassen, beispielweise von einer ressourcenschonenden Produktion oder recycelbaren Materialien. Das Thema Nachhaltigkeit wird nach der Coronakrise wieder an Bedeutung und öffentlicher Aufmerksamkeit gewinnen. Marktteilnehmer, die diesen Trend produktseitig aufgreifen und sich in der Produkt- und Markenkommunikation entsprechend positionieren, werden von diesem Wachstumspotenzial profitieren.
Dennis Rauen ist Analyst in der Industriegruppe Consumer & Retail der IKB. Er ist involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank in den Branchen Konsumgüter und Handel. Nach dem Master of Science in Economics an der Universität zu Köln stieß er 2019 zur IKB. Während seines Studiums sammelte er Erfahrungen in der Wirtschaftsforschung und im Banking.
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