[Healthcare, Pharma, Chemicals-Information vom 30. Juli 2020] Laut dem europäischen Branchenverband Cefic finden in der EU lediglich 15 % der Kunststoffabfälle ihren Weg zurück in den Gebrauch. Mechanisches Recycling stößt aufgrund fehlender Sortierung oder untrennbar gemischter Kunststoffe an seine Grenzen. Die Wirtschaftlichkeit von Rezyklaten sinkt angesichts niedriger Ölpreise und eines absehbaren Überangebots in einigen Kunststoffmärkten. Aufgrund der lauter werdenden Forderung nach Kreislaufwirtschaft und CO2-Neutralität treiben nun in erster Linie europäische Chemieunternehmen Forschung und Entwicklung im Chemischen Recycling voran.

Es gibt mehrere Technologien, die unter dem Sammelbegriff „Chemisches Recycling“ zusammengefasst werden. Dabei handelt es sich um lösungsmittelbasierte Reinigung, Depolymerisation, Pyrolyse und Vergasung. Während Reinigung und Depolymerisation den Kunststoff, ähnlich wie beim mechanischen Recycling, in eine wiederverwertbare Form versetzen, kreieren Pyrolyse und Vergasung einen synthetischen Rohstoff, aus dem wiederum verschiedene Materialien produziert werden können.

BASF und CE Delft veröffentlichen verheißungsvolle Studien

Im Januar 2020 hat CE Delft im Auftrag der niederländischen Regierung eine Studie veröffentlicht, in der das Chemische Recycling für drei verschiedene Kunststoffabfallströme evaluiert wurde. Hierbei ist der Ansatz des Life Cycle Assessment zum Einsatz gekommen, der die Emissionen im Vergleich zu alternativen Verarbeitungsmöglichkeiten über den gesamten Produktlebenszyklus bewertet. Den gleichen Ansatz hat BASF in einer im Juli veröffentlichten Studie angewandt. Beide Veröffentlichungen kommen zu vergleichbaren Resultaten. Hierbei liegt das Hauptaugenmerk auf der Pyrolyse-Technologie, welche erlaubt, gemischten Plastikmüll in wiederverwertbares Pyrolyseöl umzuwandeln. Die Pyrolyse von gemischten Plastikabfällen erzeugt ca. 50 % weniger CO2 als die Verbrennung zur Energiegewinnung. Trotzdem werden bei der Pyrolyse pro Tonne Plastikmüll ca. 900 kg CO2 in die Atmosphäre gebracht. Im Vergleich zur Plastikproduktion aus Naphtha ist die Kunststoffproduktion aus Pyrolyseöl jedoch deutlich effizienter. Dies liegt in erster Linie an der CO2-Einsparung durch die fehlende Verbrennung des Plastikmülls. Im Vergleich zum mechanischen Recycling liegt das Chemische Recycling durch Pyrolyse bei den CO2-Emissionen je nach Berechnungs- und Abfallart fast gleichauf. Dies liegt in erster Linie an der besseren Qualität von Kunststoff aus Pyrolyseöl im Vergleich zu mechanisch rezykliertem Kunststoff.

Kritiker befürchten Vernachlässigung von wirklich grünen Lösungen

Während die Technologie des Chemischen Recyclings auf Seiten der Industrie viele Fürsprecher findet, gibt es einige Kritik aus verschiedenen Umweltorganisationen. So hat im Juni 2020 GAIA (Global Alliance for Incinerator Alternatives) eine Studie veröffentlicht, welche die Effektivität und Effizienz von Chemischem Recycling in Frage stellt. Die Studie unterstellt der Kunststoffindustrie „Green Washing“ zu betreiben und die Nachteile der Technologien zu verschweigen. Laut GAIA sollte die Lösung der Kunststoffabfallproblematik die Herstellung und Verwendung von weniger Kunststoff beinhalten und nicht eine höhere Kunststoffproduktion mit höheren Recyclingquoten rechtfertigen. Zudem könne auch Chemisches Recycling stark vermischte Kunststoffe nicht hochwertig verarbeiten und bei der Pyrolyse blieben viele Schadstoffe und VOCs (Volatile Organic Compounds) zurück.

Während also Einige im Chemischen Recycling den fehlenden Baustein zu einer zirkulären Wirtschaft sehen, wird diese Technologie von anderer Seite in Frage gestellt. Die IKB ist der Auffassung, dass Chemisches Recycling seine Daseinsberechtigung hat und zukünftig ein entscheidender Baustein im Recyclingmix sein kann. Es wird allerdings mechanisches Recycling nicht ersetzen und auch das Problem des Plastikmülls nicht im Alleingang lösen können. Eine technologieoffene Herangehensweise ist jedoch vielversprechend, um am Ende Ökonomie und Ökologie sinnvoll zu verbinden.

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Sven Anders, CFA
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