[Healthcare, Pharma, Chemicals-Information vom 2. Februar 2023]
Die chemische Produktion ist in Deutschland im Jahr 2022 ohne Pharma um gut 10 % gesunken. Nach einem erfreulichen ersten Quartal kehrte sich die Dynamik bis zum Jahresende dramatisch um. Ursachen sind Energiekrise, Inflation sowie sinkende Nachfrage. Die Chemische Industrie ist also sowohl kosten- als auch nachfrageseitig unter Druck geraten. Für das Jahr 2023 erwarten wir einen weiteren Rückgang der Produktion um 4 – 5 %, wobei sich die Produktionsdaten gegenüber dem zweiten Halbjahr 2022 verbessern dürften. Die gesamtwirtschaftliche Lage zeigt sich robuster als befürchtet und auch die Energie- und Rohstoffpreise gehen langsam wieder zurück. Allerdings liegen sie oft noch beim Doppelten des aus der Vergangenheit bekannten Durchschnittspreises. Da die Erzeugerpreise bereits wieder leicht rückläufig sind, ist im Jahr 2023 auch mit sinkenden Umsätzen der Unternehmen zu rechnen.
Weltweites Wachstum von 0,4 % erwartet
Global geht der Verband der Chemischen Industrie hingegen für das Jahr 2023 von einem Produktionswachstum von 0,4 % aus. Dieses wird in erster Linie von China (+2,5 %) und den USA (+1,5 %) befeuert. Das American Chemistry Council rechnet hingegen in den USA mit einem Rückgang der Produktion von 1,2 %. Getrieben werde dies durch die hohe Inflation, steigende Zinsen und eine sinkende Nachfrage, vor allem aus der Bauindustrie. Auf den internationalen Märkten sind die USA durch weiterhin konkurrenzfähig. Ihr Rohstoffpreisvorteil resultiert aus der Gewinnung von Schiefergas. Eine weitere Herausforderung für europäische Chemieunternehmen werden die großen neuen Produktionskapazitäten aus China und Asien sein, die in diesem Jahr operativ gehen. Die Logistikkosten sind mittlerweile so stark gesunken, dass wieder Angebote aus Asien in Europa eintreffen, eine Situation, die es seit dem Jahr 2021 in diesem Ausmaß nicht mehr gegeben hat. Der Krieg in der Ukraine wird die Rohstoffkosten weiter hochhalten, allerdings ergeben sich für Produzenten bestimmter Produkte wie Düngemittel, Carbon Black auch Chancen, langfristig Marktanteile in Europe zu sichern.
Automobilbranche könnte für Nachfrage sorgen
Die Weltwirtschaft soll im Jahr 2023 wieder um 1,1 % (VCI) bis 2,6 % (IWF) wachsen. In Europa wird hingegen mit einer leichten Rezession gerechnet. Wachstum wird in erster Linie aus China und Indien erwartet. Hier könnte die Exportorientierung der deutschen Chemieindustrie eine gewisse Chance bieten. Des Weiteren scheint der große Chipmangel in der Automobilindustrie größtenteils überwunden, sodass das Angebot die aufgestaute Nachfrage abdecken kann. Dies sollte die Nachfrage nach Batteriechemikalien und Kunststoffen positiv beeinflussen. Nichtsdestotrotz wird es für die deutsche Chemische Industrie ein herausforderndes Jahr werden, in dem mit unterdurchschnittlichen Standortbedingungen und geopolitischen Herausforderungen umzugehen ist.
Sven Anders ist Abteilungsdirektor und Head des Sektorteams Industrials, Mobility & Construction der IKB. Er betreut insbesondere Unternehmen aus den Branchen Chemie und Pharma und ist hier involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank. Nach dem Master of Science in Finance an der Norwegian School of Economics (NHH) hat er seine ersten beiden Berufsjahre bei einer Unternehmensberatung absolviert, bevor er 2018 zur IKB stieß.
Hinterlasse einen Kommentar