[Industrials & Automotive-Information vom 21. Juli 2021]
Neben der Elektrifizierung und dem autonomen Fahren ist Carsharing einer der wichtigsten Zukunftstrends im Automobilsektor. Bereits vor 10 Jahren starteten BMW (damals noch mit Sixt zusammen) und Daimler ihr neues Mobilitätsangebot in Deutschlands Großstädten; Volkswagen und weitere Flottenbetreiber folgten. Aktuell gibt es in Deutschland fünf Anbieter für Free-Floating basiertes Carsharing – die Fahrzeuge können hierbei innerhalb eines festgelegten Gebietes an einem beliebigen Ort abgestellt werden – und 223 stationsgebundene Carsharing-Anbieter.
Das Jahr 2020 bescherte den Carsharing-Anbietern eine gegenläufige Entwicklung. Einerseits ging aufgrund der Lockdowns die Mobilität im Generellen deutlich zurück, andererseits konnten die Carsharing-Anbieter Kunden hinzugewinnen, die öffentliche Verkehrsmittel wie Bus und Bahn mieden, um die persönlichen Kontakte zu verringern. So stieg die Zahl der angemeldeten fahrberechtigten Personen im vergangenen Jahr über 25 % auf fast 3 Millionen. Mit einer Zunahme von rund 36 % verzeichneten die Free-Floating-Betreiber den größten Zuwachs. Das Konzept, bei dem der Nutzer das Fahrzeug innerhalb eines Geschäftsgebiets beliebig wieder abstellen kann, wird insbesondere in den Großstädten angeboten und stützt die These, dass Carsharing in der Pandemie verstärkt als Substitut für andere öffentlichen Verkehrsmittel genutzt wird.
Carsharing ist derzeit noch nicht profitabel
In dem stark umkämpften Markt für Free-Floating Carsharing arbeitet bisher keiner der fünf deutschen Anbieter profitabel. Daran änderte auch die Fusion der beiden Dienstleister von BMW und Daimler wenig. Das Geschäft ist durch die hohen Anschaffungskosten der PKW, die überdurchschnittliche Wartungsintensität und Pflege sehr kostenintensiv. Demgegenüber stehen geringe Erlöse durch den starken Wettbewerb innerhalb der Metropolen. So bietet Sixt nun auf einer eigenen Plattform Fahrzeuge bereits für unter 10 Cent pro Minute an – günstiger als ein E-Scooter. Hat Carsharing dann überhaupt eine langfristige Perspektive? Auch als Zuschussgeschäft bleibt Carsharing eine wichtige strategische Komponente für die OEM. Spätestens mit autonom fahrenden Fahrzeugen lässt sich die Effizienz der Free-Floating-Betreiber erheblich steigern – ein Trend, den man ungern den Konkurrenten aus dem Silicon Valley wie Lyft und Uber überlassen möchte.
Dennoch wurden weitere Expansionspläne vorläufig auf Eis gelegt. Stattdessen suchen die Anbieter die Kombination mit anderen Geschäftsmodellen bis hin zu Lieferdiensten. Sixt entschied sich bereits 2019 mit Launch der App „Sixt One“ alle angebotenen Mobilitätsservices auf einer Plattform zu bündeln. Nun kündigt auch Europas größte stationsunabhängige Carsharing-Plattform einen strategischen Schritt an, den viele Branchenexperten erwartet hatten. Der gemeinsame Mobilitätsdienstleister von BMW und Daimler „Share Now“ kooperiert mit dem Fahrdienstvermittler Free Now. Dessen Kunden können ab Ende Juli auf einer App entscheiden, welches Mobilitätsangebot sie nutzen möchten, um ihre gewünschte Strecke zurückzulegen: Taxi, Mietwagen oder E-Roller.
Wie geht es nach der Pandemie weiter?
Carsharing bleibt ein wichtiger Baustein der Mobilitätswende. Der langfristige Trend geht hin zur Befriedigung von Mobilitätsbedürfnissen anstelle einer teuren PKW-Anschaffung. Potenzial hat der Markt noch ausreichend, wenn man bedenkt, dass bei rund 48 Mio. PKW in Deutschland gerade einmal 26.000 auf Carsharing-Anbieter zugelassen sind. Zudem testet die Branche bereits autonom fahrende Lösungen in der Breite, was ihr schon zeitnah einen zusätzlichen Schub durch erhebliche Effizienzverbesserungen verpassen könnte.
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