[Industrials & Automotive-Information vom 7. Januar 2020]
Wasserstoff als Energiequelle
Wasserstoff ist ein Element, das nahezu in unbegrenzten Mengen vorhanden ist, allerdings fast ausschließlich in chemischen Verbindungen. Um Wasserstoff in reiner Form zu gewinnen, ist Energie erforderlich, damit die molekulare Bindung gelöst wird. Dieses Verfahren nennt sich Wasser-Elektrokatalyse. Wasserstoff selbst ist keine Energiequelle, sondern ein Energieträger und wird als Energiespeicher oder -transporter verwendet. Es ist also nicht Wasserstoff, der Fahrzeuge vorantreibt, sondern viel mehr eine Brennstoffzelle, die mittels Wasserstoff geladen wird, wie in der Grafik zu erkennen ist. Hierbei wird „geladener“ Wasserstoff getankt und die Energie in Form von Elektrizität freigesetzt.
Doch wie verhält sich die Brennstoffzelle im Vergleich zu Batterien?
Brennstoffzelle versus Batterie
Die Klimadebatte ist im vollen Gang. Ständig werden wir mit der Frage konfrontiert, welche Klimaziele notwendig sowie realistisch sind und erreicht werden können. In den vergangenen Wochen wurden diverse Studien veröffentlicht, welche sich mit verschiedenen Antriebsarten beschäftigen.
Eine Studie des verkehrswissenschaftlichen Institutes für Energie- und Umweltforschung hat herausgefunden, dass batteriebetriebene Autos wesentlich energieeffizienter sind als mit Wasserstoff betriebene Kraftfahrzeuge. Laut der Studie stoßen Brennstoffzellen bei einer getesteten Laufleistung von 150.000km rund 75 % mehr Treibhausgase aus. Im Vergleich zu einem Diesel-Kraftfahrzeug verschafft sich ein E-Auto einen Klimavorteil von etwa 16 %. Insbesondere die schlechten Energiewirkungsgrade im Vergleich zu einen E-Antrieb sind noch ein zentrales Hindernis auf dem Weg zur klimaneutralen Antriebstechnik. Eine Brennstoffzelle hat einen Gesamtwirkungsgrad von rund 30 % bei der Nutzung von Öko-Strom. Eine Batterie besitzt einen Gesamtwirkungsgrad von etwa 76 %. Daher scheint die Wasserstofftechnologie für den Massenmarkt aktuell noch nicht von Nutzen zu sein. Es könnte jedoch Sinn machen, wasserstoffbetriebene Elektrosysteme als Zwischenspeicher zur Netzstabilisierung zu nutzen. Im Verkehr ist die Wasserstofftechnologie vor allem sinnvoll einsetzbar, wenn über lange Strecken viel Energie mitgenommen werden muss, wie in der Luft- und Schifffahrt. Dort sind batterieelektrische Antriebe nicht vorstellbar.
Zu hohe Kosten und zu geringe Effizienzgrade sprechen also aktuell noch gegen grünen Wasserstoff; die fehlende Infrastruktur ist ein weiterer wesentlicher limitierender Faktor. In Deutschland gibt es Stand Juni 2019 lediglich 71 Wasserstoff-Tankstellen, doch diese Zahl sollte noch bis Ende 2019 auf 100 wachsen. Allerdings werden mindestens 1000 Wasserstoff-Tankstellen benötigt, damit das Versorgungsnetz ausreichend dicht für den Verbraucher ist.
Strategie der Automobilhersteller
Lange stellte sich Automobilherstellern die Frage, welche der beiden Antriebsarten weiter erforscht und priorisiert werden soll. Zumindest vorläufig haben sich die Batterien durchgesetzt. Gründe hierfür sind insbesondere strenge CO2-Vorgaben und die hohen Investitionskosten sowie geringe Wirkungsgrade der aktuellen Wasserstoff-Antriebe. Des Weiteren ist ein Elektromotor aufgrund der geringen Anzahl an verbauten Teilen weniger reparaturanfällig und reduziert somit die Unterhaltskosten. Autohersteller wollen Kaufanreize schaffen und batteriebetriebene Autos bis 2030 auch finanziell interessanter für Endverbraucher machen.
Unternehmen wie Volkswagen, die ihren Schwerpunkt schon vor langer Zeit auf die Entwicklung der E-Mobilität setzten, sind von deren Effizienz überzeugt. Die chinesische Regierung hingegen beschloss kürzlich, die Förderung von E-Mobilität einzustellen und sich auf die Erforschung von Wasserstoffenergie und synthetischen Antriebsstoffen zu konzentrieren.
Elektromotoren werden immer umweltfreundlicher und die Verwendung von braunem Strom für die Aufladung der Batterien wird langfristig keine Rolle mehr spielen. Die flächendeckende Versorgung mit grünem Strom wird sich in Zukunft weiterentwickeln und ist ein weiteres Argument für E-Mobilität.
Die Brennstoffzelle ist aktuell noch nicht alltagstauglich und erfordert zunächst hohe Investitionen in Forschung & Entwicklung. Perspektivisch könnte sie allerdings insbesondere für größere Distanzen die entscheidende Antriebstechnologie werden.
Stefan Hölting ist Vice President in der Industriegruppe Automotive der IKB. Er betreut primär mittelständische Automobilzulieferer und ist involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank. Nach seinem Studium zum Master of Science in Finance an der European Business School und MBA an der Georgia State University hat er die ersten vier Berufsjahre in der M&A-Beratung absolviert, bevor er 2015 zur IKB stieß. Er schreibt zu aktuellen Themen aus der Automobilindustrie.
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